Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 26.09.2004; Aktenzeichen 8 A 02.40096) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. September 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf einen Verfahrensmangel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nrn. 3 und 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der geltend gemachte Verstoß gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beschwerde beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof der planfestgestellten Trasse lediglich die Untervariante der so genannten ILM-Alternativtrasse mit einem 180 m langen Tunnel gegenübergestellt habe, nicht jedoch die Untervariante mit einem Tunnel von 500 m Länge, die einige Nachteile der erstgenannten Alternativtrasse vermeiden würde. Insbesondere habe es die Vorinstanz versäumt, den Sachverhalt, wie von der Klägerin angeregt, durch Einholung eines von einem unabhängigen Planungsbüro erstellten Kostenvergleichs zu den Trassenvarianten weiter aufzuklären.
Die erfolgreiche Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem voraus, dass der Betroffene im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Einen entsprechenden Beweisantrag hat der Kläger zwar im Klageverfahren angeregt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausweislich der Sitzungsniederschrift aber nicht gestellt. Eine solche Beweiserhebung durch Einholung eines gutachterlichen Kostenvergleichs oder eine andere vergleichbare Maßnahme zur Sachverhaltsermittlung musste sich dem Berufungsgericht auch nicht von sich aus aufdrängen. Die Kosten der Trassenvarianten wurden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erörtert. Hierbei wurde von Seiten des Vorhabenträgers auch substanziiert zu den Kosten einer längeren Tunnelvariante mit 825 m für die so genannte ILM-Trasse Stellung genommen (Sitzungsniederschrift S. 9 f. und Anlagen zur Sitzungsniederschrift). Gleichwohl hat der Kläger sich zu keinem konkreten Beweisantrag veranlasst gesehen.
Eine weitergehende Beweiserhebung zu der Kostenfrage musste sich dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht aus anderen Gründen aufdrängen. Nach den von dem Kläger auch in der Beschwerde nicht substantiiert angegriffenen Darlegungen des Vorhabenträgers in der mündlichen Verhandlung würden den Baukosten von 3,3 Mio. € für die Tunnelvariante mit 180 m Baukosten von 14,5 Mio. € für einen Tunnel mit 825 m gegenüberstehen. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher schon bei überschlägiger Betrachtung auch für die 500 m-Tunnelvariante gemessen an den Gesamtbaukosten der planfestgestellten Trasse von 23,32 Mio. DM ausschließen, dass sich die Baukostenfrage bei der Abwägung zugunsten der ILM-Trasse auswirken könnte. Hinzu kommt, dass die ILM-Trasse bei einer Tunnellänge von 500 m nach den – insoweit nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen angegriffenen – Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 27) mit verkehrstechnischen Nachteilen verbunden wäre.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang beanstandet, der Planfeststellungsbeschluss leide an einem schweren Abwägungsfehler, weil er diejenige ILM-Trassenvariante, die die Nachteile der kurzen Tunnelführung nicht aufweise, nicht in den Blick genommen habe, obwohl sie im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens von Anfang an gefordert worden sei, wird deutlich, dass die Rüge nicht in erster Linie auf einen Verfahrensfehler, sondern auf einen nach Auffassung der Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht nicht beanstandeten materiellen Mangel des Planfeststellungsbeschlusses zielt. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels kann sie damit nicht begründen.
2. Der Sache kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen,
a) “ob Art. 6a Abs. 1 Satz 3 BayNatSchG tatsächlich so interpretiert werden kann, dass er ausschließlich im Rahmen des Fachrechts zu berücksichtigen ist und das dort gefundene Ergebnis dann nicht mehr erneut der Vermeidungspflicht nach Art. 6a Abs. 1 BayNatSchG unterliegt”,
b) “ob die Verursachung nicht ausgleichbarer Eingriffe tatsächlich nur ein Abwägungsposten unter vielen ist und ob das auch dann zutrifft, wenn eine (Standort-) Alternative vorhanden ist, die keinerlei nichtausgleichbare Eingriffe verursacht”, und
c) “ob Renaturierungsmöglichkeiten und -verpflichtungen bei der Bewertung eines drohenden Eingriffs zu berücksichtigen sind”,
betreffen in erster Linie die Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts. Eine zur Zulassung der Revision führende Grundsatzfrage kann hierauf in aller Regel nicht gestützt werden. Revisionsgerichtlicher Klärung zugänglich sind die aufgeworfenen Fragen in diesem Zusammenhang nur, soweit ihnen grundsätzliche Bedeutung im Hinblick darauf zukommt, ob die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Auslegung und Anwendung des Bayerischen Landesnaturschutzgesetzes ihrerseits mit Bundesrecht vereinbar ist, insbesondere ob sie sich innerhalb der bundesrahmenrechtlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes hält (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. März 1997 – BVerwG 4 C 10.96 – Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 21 S. 15 f.). Gemessen hieran werfen die gestellten Fragen keinen bundesrechtlichen Klärungsbedarf auf.
Die erste Frage (a) ist hinsichtlich ihres bundesrechtlichen Gehalts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Sie zielt sinngemäß darauf, ob dem Gebot der Eingriffsvermeidung in der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auch durch Trassenvarianten Rechnung zu tragen ist. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung des Art. 6a Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG verneint. Damit befindet er sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem insoweit inhaltsgleichen § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG 1998 (damit übereinstimmend § 19 Abs. 1 BNatSchG 2002), wonach das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot nur innerhalb des konkret geplanten Vorhabens gilt. Vermeidungsmaßnahmen, die ein – partiell – anderes Vorhaben bedingen, sind daher im Rahmen der allgemeinen fachplanerischen Abwägung zu prüfen; sie werden – wie etwa der gänzliche Verzicht auf das Vorhaben oder eine andere räumliche Ausführungsvariante – nicht durch das Vermeidungsgebot gefordert (Urteil des Senats vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 S. 162; ferner statt vieler BVerwG, Urteil vom 7. März 1997 – BVerwG 4 C 10.96 – BVerwGE 104, 144 ≪150≫). Soweit der Verwaltungsgerichtshof dem Art. 6a Abs. 1 Satz 3 BayNatSchG, demzufolge Beeinträchtigungen auch dann vermeidbar sind, wenn das mit dem Eingriff verfolgte Ziel auf andere zumutbare, die Natur und Umwelt schonendere Weise erreicht werden kann, für den Bereich der Fachplanung keine weitergehende, Trassenvarianten umfassende Vermeidungspflicht in der Eingriffsregelung beimisst (UA S. 33), wirft die Beschwerde keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf.
Die zweite Frage (b) beantwortet sich, soweit sie das Bundesrahmenrecht betrifft, ohne weiteres aus dem Gesetz, ohne dass es hierfür der Durchführung eines revisionsgerichtlichen Verfahrens bedürfte. Das Vermeidungs- und Ausgleichsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG 1998 (entsprechend § 19 Abs. 1 und 2 BNatSchG 2002) ist allein Regelungselement in der gesetzlichen Stufenfolge (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 ≪162≫; Urteil vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – a.a.O. S. 165) der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Einen wie auch immer gearteten allgemeinen Vorrang oder ein generell höheres Gewicht der Belange des Schutzes von Natur und Landschaft gegenüber anderen für oder gegen das Vorhaben sprechenden Belangen in der fachplanerischen Abwägung, wie es die Beschwerde im Hinblick auf nicht ausgleichbare Eingriffe annimmt, hat das Vermeidungs- und Ausgleichsgebot nicht zur Folge. Dass der Verwaltungsgerichtshof einen solchen Vorrang dem Art. 6a Abs. 1, 2 BayNatSchG ebenfalls nicht entnehmen kann, steht danach mit Bundesrahmenrecht in Einklang.
Auch mit der dritten Frage (c) vermag die Beschwerde keine klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts aufzuzeigen. Dies scheitert bereits daran, dass sich die aufgeworfene Frage, ob Renaturierungsmöglichkeiten und -verpflichtungen bei der Bewertung eines drohenden Eingriffs (wobei die Beschwerde hier offenbar die Gewichtung innerhalb der fachplanerischen Abwägung meint) zu berücksichtigen sind, nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshof in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht in dieser Allgemeinheit als Rechtsfrage stellen kann und sich für die Vorinstanz so auch nicht gestellt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bei der Abwägungskontrolle nicht, wie die Beschwerde wohl meint, von Rechts wegen auf die Bewertung des status quo in dem betroffenen Raum beschränkt, sondern zu Recht (zur Berücksichtigung von Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen des naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebots vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 – BVerwG 4 A 11.04) auch dessen mögliche Entwicklung in den Blick genommen. Das Gericht hat jedoch ausgehend von den festgestellten “jahrzehntelangen Eingriffe(n) durch Landwirtschaft und Bebauung in das Laufinger Moos” erkannt, dass die Planfeststellungsbehörde zu dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht bereits berücksichtigen musste, inwieweit aufgrund des Arten- und Biotopschutzprogramms das Laufinger Moos nach und nach zu renaturieren sei, weil sich danach allenfalls langfristig eine Entwicklung in Richtung auf ein Mehr an Naturnähe ergeben könne. Es handelt sich also um eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung zudem maßgeblich von den das Bundesverwaltungsgericht mangels durchgreifender Revisionsgründe bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abhängt. Die Zulassung der Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung vermag die Beschwerde damit nicht zu erreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 Halbsatz 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Eichberger
Fundstellen