Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 7 B 03.1369) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. September 2005 wird aufgehoben, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Februar 2003 mit den Anträgen zurückgewiesen hat, der Beklagten zu untersagen, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen, das “Universelle Leben” sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet, der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden und das “Universelle Leben” sei als “totalitäre Sekte” zu bezeichnen.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. September 2005 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Gerichtsgebühren, die für die Zurückweisung der Beschwerde angefallen sind; im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Von den sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger die Hälfte. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren insgesamt auf 10 000 € und für den erfolglos gebliebenen Teil der Beschwerde auf 5 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen Äußerungen des Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der beklagten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über die rechtlich nicht verfasste Glaubensgemeinschaft “Universelles Leben”, deren Interessen der Kläger nach seiner Satzung vertritt.
Die Zeitung “Main-Echo” berichtete über einen Vortrag, den der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Beklagten, Kirchenrat Dr. B…, Anfang Juni 2002 in A… gehalten habe:
Während eines Seminars am Wochenende, das die evangelische Kirchengemeinde … veranstaltete, betonte der 53-jährige Theologe und Pfarrer Dr. B…, besonders “die Gefährlichkeit des etwa 10 000 Mitglieder zählenden Universellen Lebens”. Dieses sei nach seiner Ansicht als totalitäre Sekte zu bezeichnen und stehe in Verbindung mit Scientology. Gegen den seit elf Jahren als Beauftragten für Sektenfragen tätigen Behnk habe das “Universelle Leben” seit 1993 ungefähr 130 Prozesse vor Gericht geführt, bislang aber noch nie Recht bekommen.
Das “Universelle Leben” gründe sich auf die Neuoffenbarungen seiner Würzbürger “Prophetin” Gabriele Wittek. Die 1933 bei Augsburg geborene Frau sage von sich: “Ich bin das absolute Gesetz selbst.” Neben einem Ufoglauben sei die Gruppe vor allem gekennzeichnet durch die Merkmale einer Psychosekte: Der Mensch solle durch “Umprogrammierung der Gehirnzellen” seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden.
Der Kläger forderte die Beklagte erfolglos auf, sich zur Unterlassung bestimmter Äußerungen zu verpflichten. Er hat daraufhin Klage erhoben und unter anderem beantragt, der Beklagten zu untersagen, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen,
– Frau Gabriele Wittek, auf deren Neuoffenbarungen sich das Universelle Leben gründe, sage von sich: “Ich bin das absolute Gesetz selbst”, ohne dass die Beklagte hinzufüge bzw. hinzufügen lasse, dass nach der Lehre des Universellen Lebens darunter das göttliche Sein bzw. die göttliche Liebe zu verstehen sei, und dass jeder zu dem so verstandenen absoluten Gesetz werde, der in Gott lebe;
– das Universelle Leben sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet;
– der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden;
– das Universelle Leben sei als “totalitäre Sekte” zu bezeichnen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Kläger zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Die Äußerung des Sektenbeauftragten, Frau Wittek sage von sich: “Ich bin das absolute Gesetz selbst”, sei bereits deshalb zulässig, weil es sich dabei um die Wiedergabe eines wörtlichen Zitats handele, das richtig und nicht etwa verkürzt wiedergegeben worden sei. Der Kläger könne von der Beklagten nicht verlangen, das Zitat stets nur zusammen mit seiner Interpretation wiederzugeben. Die Beklagte sei nicht an das Selbstverständnis des Klägers gebunden, mit der Folge, dass der Kläger der Beklagten vorgeben könne, wie die Beklagte die Glaubenssätze des Klägers verbindlich zu verstehen habe. Zulässig sei auch die weitere Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten, das “Universelle Leben” sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet, da der Mensch durch “Umprogrammierung der Gehirnzellen” seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bereits mehrfach mit den Äußerungen der Beklagten gegenüber der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben befasst. Er lasse offen, ob alle in diesen Entscheidungen nicht beanstandeten Äußerungen den erhöhten Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Sektenbeauftragten genügten. Jedenfalls seien die hier in Streit stehenden Äußerungen insoweit nicht zu beanstanden, als dort – letztlich im Zusammenhang – behauptet werde, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Psychosekte. Aus den Schriften des Universellen Lebens ergäben sich hinreichende Anhaltspunkte für diese Aussage des Sektenbeauftragten; sie sei noch vom Recht auf religiöse Meinungsfreiheit gedeckt. Dass die Nachforschungen des Sektenbeauftragten die Aussage trügen, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Organisation, habe der Verwaltungsgerichtshof mehrfach entschieden (zuletzt Beschluss vom 18. Dezember 1995 – 7 CE 95.2108).
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde hat zum Teil Erfolg.
1. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit Gegenstand des Berufungsurteils das Begehren des Klägers war, der Beklagten zu untersagen, ausdrücklich oder sinngemäß zu äußern oder äußern zu lassen, Frau Gabriele Wittek, auf deren Neuoffenbarungen sich das Universelle Leben gründe, sage von sich: “Ich bin das absolute Gesetz selbst”, ohne dass die Beklagte hinzufügt bzw. hinzufügen lässt, dass nach der Lehre des Universellen Lebens darunter das göttliche Sein bzw. die göttliche Liebe zu verstehen sei und dass jeder zu dem so verstandenen absoluten Gesetz werde, der in Gott lebe. Soweit der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf dieses Unterlassungsbegehren die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht im Berufungsverfahren bestätigt hat, liegen die hierzu geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
a) Das angefochtene Urteil weicht nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1980 – 1 BvR 797/78 – (BVerfGE 54, 208) ab.
Der Kläger entnimmt dieser Entscheidung die abstrakten Rechtssätze,
mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sei es nicht vereinbar, dass ein Zitat in einer Weise verwendet werde, die ihm eine “Färbung oder Tendenz” gebe, die dem Verständnis des Zitierten und des von ihm Gemeinten nicht entspreche,
Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertige es nicht, eine nach dem Verständnis eines Durchschnittslesers oder -hörers vertretbare Interpretation einer mehrdeutigen Äußerung des Kritisierten als Zitat auszugeben, ohne kenntlich zu machen, dass es sich um eine Interpretation des Kritikers handele.
Der Kläger legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil abstrakte Rechtssätze gegenteiligen Inhalts aufgestellt hat. Er kommt zu dieser Auffassung nur, weil er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlinterpretiert. Das Bundesverfassungsgericht verbietet nicht die Interpretation von Aussagen Dritter. Unzulässig ist es lediglich, die interpretierte Aussage dem Dritten als Zitat zu unterschieben. Hier hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass einerseits Frau Wittek die Aussage “Ich bin das absolute Gesetz selbst” so getroffen hat und dass andererseits der Sektenbeauftragte der Beklagten diese Aussage als wörtliches Zitat ohne Zusatz wiedergegeben hat. Grundlage des Unterlassungsbegehrens ist der Artikel im Main-Echo. Weder aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs noch aus dem im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Artikel ergibt sich, dass der Sektenbeauftragte die Äußerung von Frau Wittek interpretiert hätte und in einer eigenen Fassung Frau Wittek als deren Aussage unterschoben hätte.
b) Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
aa) Als grundsätzlich bedeutsam möchte der Kläger die Frage geklärt wissen,
ob es im religiösen Meinungskampf einer öffentlich-rechtlichen Kirchenkörperschaft erlaubt ist, auch bei Zitaten nicht auf das Selbstverständnis der zitierten Person bzw. Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen, sondern das Zitat nach eigenem Verständnis zu interpretieren und zu verwenden, auch wenn dies dem vom Zitierten gemeinten Sinne widerspricht.
Diese Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat, dass der Sektenbeauftragte über die wörtliche Wiedergabe des Zitats hinaus dieses interpretiert hat.
Davon abgesehen ist die Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt.
Danach ist der Staat bei allgemeinen Informationen über religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaften nicht zu einer authentischen Interpretation ihrer Lehren verpflichtet. Er kann sie nach ihrem objektiven Erklärungswert bewerten. Ebenso darf ein Tatsachengericht bei der Beurteilung von Lehraussagen einer Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft auf deren objektiven Erklärungswert für einen Dritten abstellen, der in Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft nicht besonders sachkundig ist (Beschluss vom 13. März 1991 – BVerwG 7 B 99.90 – Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 47). Der Staat darf die Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft in einem für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht zusammenhängend darstellen, ohne hierzu von der Gemeinschaft autorisiert zu sein. Der Staat ist zur öffentlichen Kritik an der Lehre einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft berechtigt. Damit ist notwendig das Recht zur öffentlichen Darstellung dieser Lehre verbunden. Darin liegt kein Eingriff in das Recht der betroffenen Gemeinschaft, den Inhalt ihrer Religion oder Weltanschauung selbst festzulegen und zu verbreiten. Vielmehr macht der Staat mit seinen Äußerungen von einem eigenen Recht zur Stellungnahme Gebrauch. Aus dem Wesen dieses Rechts folgt weiter, dass der Staat bei seiner Ausübung nicht auf das Einverständnis der Gemeinschaft angewiesen ist (Beschluss vom 4. Mai 1993 – BVerwG 7 B 149.92 – Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 54).
Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass für kritische Äußerungen einer Religionsgemeinschaft über eine andere Religionsgemeinschaft keine anderen Maßstäbe an die Auseinandersetzung mit den Lehren dieser anderen Religionsgemeinschaft anzulegen sind.
bb) Der Kläger hält ferner die Frage für klärungsbedürftig,
ob öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften bei Äußerungen, die Konflikte mit Menschen anderer Religionsgemeinschaften oder wirtschaftlichen Unternehmen hervorrufen, gehalten sind, die Grundlagen ihrer Äußerungen – gleich, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Werturteile handelt – in fachkompetenter Weise zu ermitteln und ob Äußerungen unzulässig sind, wenn eine solche Ermittlung nicht nachgewiesen ist, ferner, ob für solche Äußerungen zwar nicht Neutralität verlangt werden kann, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden müsste. Der Kläger knüpft mit ihr an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, insbesondere an das Urteil vom 20. Februar 2003 – III ZR 224/01 – (BGHZ 154, 54). Danach unterliegt der Sektenbeauftragte einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft bei kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit über andere Personen und Unternehmen im Hinblick auf deren Grundrechte gesteigerten Sorgfaltspflichten: Er sei im öffentlichen Meinungskampf weitergehenden Bindungen als der einzelne Bürger unterworfen. Von ihm könne zwar nicht Neutralität verlangt werden, wohl aber ein angemessener Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit. Er dürfe Andere persönlich wie auch wirtschaftlich existenziell betreffende Urteile nicht abgeben, ohne sich zuvor hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Abqualifizierung verschafft zu haben.
Der Kläger ist der Auffassung, gemessen an diesem Maßstab sei es unzulässig, wenn der Sektenbeauftragte der Beklagten Schriften der Klägerin nach dem Maßstab des Verständnisses außenstehender Leser interpretiere. Auch in diesem Zusammenhang ist die aufgeworfene Frage jedoch nicht klärungsbedürftig, weil – wie dargelegt – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch der Staat bei seinen kritischen Äußerungen über eine Religionsgemeinschaft deren Lehren nach dem Maßstab eines außenstehenden Lesers interpretieren und diese Interpretation seiner Kritik zugrunde legen darf. Für den Sektenbeauftragten einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft gelten jedenfalls keine weitergehenden Anforderungen an die Zulässigkeit kritischer Äußerungen über eine konkurrierende Religionsgemeinschaft.
2. Die Beschwerde ist hingegen begründet, soweit Gegenstand des Berufungsurteils das Begehren des Klägers war, der Beklagten die Äußerungen zu untersagen,
– das Universelle Leben sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet,
– der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden,
– das Universelle Leben sei als totalitäre Sekte zu bezeichnen.
Insoweit liegt zwar weder die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Das angefochtene Urteil beruht jedoch auf einem geltend gemachten Verfahrensfehler.
a) Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 – (BVerfGE 105, 279) abgewichen.
Der Kläger entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, die Bezeichnung “Psychosekte” sei nicht diskriminierend, wenn sie für Gruppierungen verwendet werde, die im Rahmen des so genannten Psychomarktes psychologische oder pseudopsychologische Angebote zur Lebenshilfe, insbesondere im Rahmen therapeutischer Meditationskurse machten; sei dies nicht der Fall, sei die Bezeichnung “Psychosekte” diskriminierend.
In dieser Form hat das Bundesverfassungsgericht sich indes nicht geäußert. Es hat lediglich bezogen auf eine bestimmte Gruppierung die Bezeichnung als Psychosekte unter den dafür von den Fachgerichten festgestellten Umständen für gerechtfertigt gehalten. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht schon keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, von dem der Verwaltungsgerichtshof im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abweichen konnte. Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof der Sache nach vor, es habe die auf konkrete Umstände bezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig verallgemeinert und die Bezeichnung einer Gruppierung als Psychosekte für zulässig gehalten, ohne dass die konkreten Umstände vorgelegen hätten, die Gegenstand der Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts waren. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich bereits nicht entnehmen, dass nur unter den dort genannten Voraussetzungen die Bezeichnung als Psychosekte nicht diskriminierend und deshalb zulässig ist. Im Übrigen stellt es keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar, wenn ein vom Bundesverfassungsgericht oder Bundesverwaltungsgericht ausgestellter abstrakter Rechtssatz über den konkret entschiedenen Fall hinaus verallgemeinert und auf andere Sachverhaltsgestaltungen übertragen wird.
b) Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
Der Kläger wirft auch in diesem Zusammenhang wiederum nur die Frage auf,
ob eine öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaft bei abwertenden Äußerungen über die Lehren einer privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaft nicht verpflichtet ist, den kirchlichen Äußerungen eine authentische, dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft entsprechende Interpretation von deren Lehren zugrundezulegen, oder ob sie die Texte der kritisierten Religionsgemeinschaft so interpretieren kann, wie sie ein Durchschnittsleser ohne Fachkenntnisse, “der außenstehende Leser”, verstehen würde.
Diese Frage ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht klärungsbedürftig. Sie ist in diesem Zusammenhang zudem nicht klärungsfähig. Soweit es um die hier in Rede stehenden Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten geht, lässt sich nämlich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, dass diese Äußerungen des Sektenbeauftragten auf einer Interpretation von Lehrschriften des “Universellen Lebens” beruhen. Dies ist im Zusammenhang mit der (begründeten) Verfahrensrüge näher darzulegen.
c) Das angefochtene Urteil beruht auf einer zumindest sinngemäß dargelegten Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 VwGO.
§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt, dass im Urteil die Gründe angegeben werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Wie umfangreich und detailliert dies zu geschehen hat, lässt sich nicht abstrakt umschreiben. Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat (Beschluss vom 12. Juli 1999 – BVerwG 9 B 374.99 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 43). Das Tatsachengericht muss das Ergebnis seiner Abwägung in den Entscheidungsgründen in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise darlegen. Es verstößt gegen § 108 Abs. 1 VwGO, wenn das Gericht gewichtige Tatsachen oder Tatsachenkomplexe in den Entscheidungsgründen übergeht. Auch die gebotene Beschränkung auf das Wesentliche kann insoweit keinen ausreichenden Grund für fehlende Erörterungen abgeben.
Das Tatsachengericht kann zwar zur Begründung auf andere, insbesondere eigene Entscheidungen Bezug nehmen und durch diese Bezugnahme sonst erforderliche eigene Darlegungen im Urteil ersetzen. Eine solche Bezugnahme ist aber nur zulässig, wenn sich für die Beteiligten und für das Rechtsmittelgericht aus einer Zusammenschau der Ausführungen in dem angefochtenen Urteil einerseits, den dort in Bezug genommenen Ausführungen in anderen Entscheidungen andererseits mit hinreichender Klarheit die Gründe ergeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Entscheidung des Gerichts völlig unverständlich ist, weil die Sachverhalte in beiden Entscheidungen nicht gleich gelagert waren und auch sonst keine Verbindung erkennbar ist, die eine gleiche Sachbehandlung rechtfertigt.
Gemessen hieran fehlt es an einer tragfähigen Begründung des angefochtenen Urteils, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Äußerung des Sektenbeauftragten der Beklagten nicht beanstandet hat, das Universelle Leben sei als totalitäre Sekte zu bezeichnen. Dieser Verfahrensfehler erfasst auch die beiden weiteren Äußerungen, das Universelle Leben sei vor allem durch die Merkmale einer Psychosekte gekennzeichnet und der Mensch solle durch Umprogrammierung der Gehirnzellen seiner individuellen Persönlichkeit beraubt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese drei Äußerungen dahin gewürdigt, sie stünden im Zusammenhang und stellten letztlich die Behauptung dar, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Psychosekte. Die weitere Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs bezieht sich deshalb nur auf die Zulässigkeit dieser Aussage.
Im rechtlichen Ausgangspunkt, der für die Feststellung eines Verfahrensfehlers maßgeblich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, der Sektenbeauftragte der Beklagten müsse bei Äußerungen über andere Religionsgemeinschaften einen angemessenen Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit wahren. Hiervon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof die beanstandete Äußerung nur dann für zulässig gehalten, wenn sich aus den Schriften des Universellen Lebens hinreichende Anhaltspunkte für die Aussagen des Sektenbeauftragten ergäben. In tatsächlicher Hinsicht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die Nachforschungen des Sektenbeauftragten trügen die Aussage, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Organisation.
Diese Aussage hat der Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Urteil indes nicht weiter belegt. Er hat insoweit allein auf seine Entscheidung vom 18. Dezember 1995 – 7 CE 95.2108 – Bezug genommen. Gegenstand dieser Entscheidung waren zwar Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten, jedoch nicht mit dem hier in Rede stehenden Inhalt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Gründen seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1995 lediglich darauf hingewiesen, er habe in früheren Entscheidungen keine Veranlassung gesehen, dem Sektenbeauftragten der Beklagten unter anderem die Äußerung zu untersagen, die Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens sei eine totalitäre Organisation, die von einer Frau mit eiskalter Brutalität geführt werde, die mit ihren Offenbarungen ein gnadenloses System der Selbsterlösung aufgebaut habe, das Hilfesuchende in die Abhängigkeit treibe. Er hat hierfür keine Begründung angegeben, sondern wiederum nur auf eine frühere Entscheidung verwiesen, nämlich auf den Beschluss vom 27. Mai 1993 – 7 CE 93.1650/1697 – (BayVBl 1993, 692).
Soweit es in jener Entscheidung um die Äußerung ging, die Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens sei eine totalitäre Organisation, merkt der Verwaltungsgerichtshof nur an, die Äußerung sei, soweit das im Eilverfahren beurteilt werden könne, nicht strafbar und entbehre darüber hinaus nicht jedes sachlichen Hintergrundes. Als Beleg hierfür wird allein angeführt, dem Verwaltungsgerichtshof sei aus einer in einem früheren Verfahren vorgelegten Gemeindeordnung und aus weiteren Schriften des Klägers bekannt, dass der Kläger auf einen straffen Zusammenhalt seiner Mitglieder ausgerichtet sei.
Das hier wiederum in Bezug genommene frühere Verfahren hatte zum Gegenstand die staatliche Genehmigung für eine private Grundschule als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule für Kinder, die der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben angehören. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage erörtert, welche Anforderungen an ein religiöses Bekenntnis, das Grundlage der Genehmigung einer privaten Grundschule als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule sein soll, in Bezug auf Umfang und Geschlossenheit seiner Lehre und im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer seines Bestandes zu stellen sind (Urteil vom 24. Juli 1991 – 7 B 90.2873 – BayVBl 1992, 239). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, ohne Anhängerschaft, die einen Mindestgrundbestand an Organisation aufweise, könne nicht von einem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG gesprochen werden. Da der Sinn der Zulassung privater Volksschulen in der Achtung des Elternrechts auf religiöse Erziehung liege, könne nur ein Bekenntnis einer privaten Volksschule zugelassen werden, das von einer voraussichtlich auf Dauer bestehenden Anhängerschaft getragen werde, die erwarten lasse, dass auf absehbare Zeit Kinder für eine entsprechende Bekenntnisschule zur Verfügung stünden. In diesem Zusammenhang verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die Gemeindeordnung des Klägers, der er Organisationsstrukturen entnimmt, die erkennen ließen, dass die Gemeinschaft auf Dauer angelegt sei.
Weder aus der angefochtenen Entscheidung selbst noch aus der unmittelbar in Bezug genommenen früheren Entscheidung noch aus der dort enthaltenen Verweisung in wiederum frühere Entscheidungen ergibt sich mithin irgendein Beleg dafür, dass die Nachforschungen des Sektenbeauftragten die Aussage tragen, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Organisation. Die Verweisungskette führt vielmehr zu einer Entscheidung, die einen gänzlich anderen Streitgegenstand hat. Ihr lässt sich nur entnehmen, dass die Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens eine Organisationsstruktur aufweist, die einen Bestand auf Dauer erwarten lässt.
Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, aus der offenkundig vorliegenden Vielzahl von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Universellen Leben und zu Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten über diese Gemeinschaft Belege dafür herauszusuchen, dass die jetzt beanstandete Äußerung (ebenfalls) hinreichende Anhaltspunkte in den Schriften des Universellen Lebens findet. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offen lässt, ob alle in früheren Entscheidungen nicht beanstandeten Äußerungen den Sorgfaltspflichten des Sektenbeauftragten genügen und deshalb zulässig sind. Der Verwaltungsgerichtshof selbst hat damit pauschal alle früheren Entscheidungen als tragfähige Grundlage für die jetzt vorzunehmende Würdigung infrage gestellt.
Der weitere allgemeine Verweis auf die Gründe des Urteils der Vorinstanz hilft ebenfalls nicht weiter. Das Verwaltungsgericht ist im rechtlichen Ansatz von anderen (geringeren) Anforderungen an die Zulässigkeit von Äußerungen des Sektenbeauftragten der Beklagten über konkurrierende Religionsgemeinschaften ausgegangen. Zu der hier vom Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend zugrunde gelegten Annahme, die Nachforschungen des Sektenbeauftragten trügen die Aussage, bei der Glaubensgemeinschaft des Universellen Lebens handele es sich um eine totalitäre Organisation, enthält das Urteil des Verwaltungsgerichts keine Belege.
Soweit über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden war, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr nur, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens, namentlich die außergerichtlichen Kosten, waren verhältnismäßig zu teilen, und zwar in der Weise, dass der Kläger die Kosten im Maße seines Unterliegens trägt und die Entscheidung über die restlichen Kosten, die dem Anteil der erfolgreichen Beschwerde des Klägers am gesamten Beschwerdeverfahren entsprechen, der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt (Beschluss vom 10. November 1980 – BVerwG 1 B 802.80 – Buchholz 310 § 155 VwGO Nr. 7). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat ist bei der Streitwertbemessung mit dem Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es der Sache nach um die Untersagung zweier Äußerungen geht, für die jeweils der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen ist.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen