Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung. Neubaustrecke Erfurt – Leipzig/Halle. Vollzugsinteresse. Erfolgsaussicht der Klage, Schallauswirkung, Landesplanung, Raumordnung, Untersagungsverfügung
Leitsatz (amtlich)
Ob eine Gemeinde, deren Planungshoheit durch eine eisenbahnrechtliche Fachplanung nachhaltig beeinträchtigt wird, wie ein von enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffener Grundeigentümer die umfassende gerichtliche Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses verlangen kann, bleibt offen.
Normenkette
GG Art. 28 Abs. 2; AEG § 18 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 5 S. 1, Abs. 7; ROG § 5 Abs. 4, § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluß der Antragsgegnerin vom 30. Juli 1996 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin, eine Gemeinde, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 18. September 1996 beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Klage (BVerwG 11 A 56.96) gegen den Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahn-Bundesamtes vom 30. Juli 1996 für die Neu- und Ausbauabschnitte 2.3 und 2.4 der Eisenbahnstrecke Erfurt – Leipzig/Halle (Saale). Der Planfeststellungsbeschluß wurde der Antragstellerin am 6. September 1996 zugestellt.
Beide Ausbauabschnitte liegen in Sachsen-Anhalt. Der Abschnitt 2.3 beginnt am Westportal des Osterbergtunnels bei Bau-km 57,804 und endet vor dem westlichen Ende der Stöbnitz-Talbrücke bei Bau-km 66,777. Der Abschnitt 2.4 schließt sich daran an und endet westlich vor der Aufständerung Saale-Elster-Aue bei Bau-km 80,474. Im Gemeindegebiet der Antragstellerin führt die Trasse – großenteils im Einschnitt – südöstlich am Ortsteil Kleinlauchstädt vorbei und ist von Bau-km 75,70 bis Bau-km 76,70 durch einen Lärmschutzwall und von Bau-km 76,75 bis Bau-km 77,15 durch eine Schallschutzwand mit einer Höhe von 3 m über Schienenoberkante abgeschirmt. Im Bereich des Bebauungsplangebiets Reha-Klinik ist kein aktiver Schallschutz vorgesehen.
Mit Schreiben ihrer Bürgermeisterin vom 24. Mai 1995 erhob die Antragstellerin Einwendungen gegen die Planung und rügte dabei unter anderem auch eine ungenügende Berücksichtigung ihrer gemeindlichen Planungen. Im Planfeststellungsbeschluß wies die Antragsgegnerin diese Einwendungen zurück.
Mit Bescheid vom 2. April 1996 gab das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt der Planfeststellungsbehörde gestützt auf § 7 Abs. 1 Raumordnungsgesetz in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 3 des Vorschaltgesetzes für Raumordnung und Landesentwicklung des Landes Sachsen-Anhalt auf, vorerst für längstens ein Jahr die vom Vorhabenträger favorisierte Trassenvariante 1 in den Planfeststellungsabschnitten 2.3 und 2.4 nicht weiter zu verfolgen. Der angefochtene Beschluß führt dazu auf Seite 127 aus, daß dieser Umstand die Feststellung des Planes nicht hindere. Zum einen sei der vorläufige Sicherungszweck entfallen, zum anderen seien die vorgesehenen landesplanerischen und raumordnerischen Entwicklungen berücksichtigt.
Zur Begründung ihres Antrags macht die Antragstellerin geltend, der Planfeststellungsbeschluß verletze sie in mehrfacher Hinsicht in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht und verstoße auch gegen objektivrechtliche Vorschriften.
In ihrer Planungshoheit werde sie verletzt, weil die planfestgestellte Baumaßnahme die Realisierung der seit dem 28. Juni 1994 rechtsverbindlichen Bebauungspläne Nr. 7.1 „Reha-Klinik” und Nr. 1 „Lauchagrund” unmöglich mache bzw. nachhaltig störe. Dieser Umstand sei im Planfeststellungsbeschluß nicht ausreichend berücksichtigt und abgewogen worden. Dies stelle einen erheblichen Abwägungsfehler dar.
Daß die Realisierung des „Reha-Projekts” unmöglich geworden sei, ergebe sich aus dem Schreiben der GFS Entwicklungsgesellschaft für Sozialbauten mbH vom 29. August 1996, wonach die Investoren dieses Projekts bei Verwirklichung der Streckenplanung nicht mehr bereit seien, das Klinikvorhaben zu realisieren. Grund hierfür sei die vom Streckenbetrieb zu erwartende nächtliche Lärmbelastung. Diese sei entgegen den Darlegungen im Planfeststellungsbeschluß nicht mit 0,6 dB(A) zu bemessen. Vielmehr werde der entsprechende in der Verkehrslärmschutzverordnung festgelegte Nachtgrenzwert deutlich überschritten. Dies folge schon daraus, daß die Zulässigkeit des von der Planungsbehörde vorgenommenen Abzugs von 3 dB(A) für das „besonders überwachte Gleis” weder wissenschaftlich bewiesen noch nach den Regeln der Technik annehmbar sei. Außerdem sei der zusätzlich eingerechnete „Schienenbonus” nicht zulässig, weil auf dem planfestgestellten Schienenweg in erheblichem Maße Güterzugverkehr stattfinden werde.
Auch das von der Trasse etwa 200 m entfernt gelegene, zur Bebauung mit Einfamilienhäusern vorgesehene Gebiet des Bebauungsplans „Lauchagrund” werde durch eisenbahnbedingten Lärm stärker belastet werden, als dies nach den Nachtgrenzwerten der Verkehrslärmschutzverordnung zulässig sei. Auch hier beabsichtige der Investor, von weiterer Bebauung des Gebiets Abstand zu nehmen, falls die planfestgestellte Maßnahme verwirklicht werde. Die Abwägung der Trassenalternativen, auf der diese Beeinträchtigung beruhe, sei fehlerhaft. Die Planfeststellungsbehörde habe die für sie, die Antragstellerin, günstigere Trassenalternative 1E/LKM allein aus Kostengründen verworfen, obwohl andere wesentliche Belange für diese Alternative sprächen. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Kostenberechnung.
Objektives Recht verletze der Planfeststellungsbeschluß unter anderem deshalb, weil die Planfeststellungsbehörde die ihr gegenüber verfügte Untersagung des Landesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung unzulässigerweise übergangen habe. Der Rechtsstandpunkt der Planfeststellungsbehörde, sie sei an die Untersagung nicht gebunden, sei unrichtig; denn der Planfeststellungsbehörde komme wegen § 5 Abs. 4 Raumordnungsgesetz kein Gestaltungsspielraum zu. Die Planfeststellungsbehörde übersehe ferner, daß sie gegen die Untersagung keinen Widerspruch eingelegt habe, so daß diese Verfügung ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit wirksam sei. Es sei zwar höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die bei enteignend betroffenen Grundeigentümern in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte umfassende gerichtliche Kontrolle auch bei Anfechtungsklagen von in ihrem Selbstverwaltungsrecht beeinträchtigten Gemeinden bestehe; da dieser Kontrollumfang jedoch rechtlich geboten sei, müsse auch aus diesem Grund mit der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerechnet werden.
Die Antragsgegnerin hält den Anordnungsantrag für unbegründet und beantragt seine Ablehnung.
Sie ist der Auffassung, der Planfeststellungsbeschluß verletze keine Rechte der Antragstellerin. Eine Gemeinde könne sich nur auf ihr verfassungsrechtlich verbrieftes Selbstverwaltungsrecht berufen, und zwar dann, wenn bereits hinreichend konkretisierte gemeindliche Planungsvorhaben vereitelt würden. Die Planfeststellungsbehörde habe die beiden Bauleitplanungen der Antragstellerin als solche erkannt und in ihrer Abwägung auch sachgerecht gewürdigt. Dies sei geschehen, obgleich es die Antragstellerin versäumt habe, ihre Betroffenheit im Einwendungsverfahren rechtzeitig geltend zu machen. Zudem setze sie sich mit ihrem jetzigen Vorbringen hinsichtlich der Reha-Klinik in Widerspruch zu der gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen abgegebenen rechtlichen Einschätzung vom 28. Mai 1993.
In der Sache sei beiden gemeindlichen Planungen dadurch Rechnung getragen worden, daß die in der Verkehrslärmschutzverordnung bestimmten Schallgrenzwerte in die Abwägung eingestellt worden seien. Die im schalltechnischen Gutachten errechnete Überschreitung der niederen Grenzwerte um etwa 1 dB(A) löse keine wahrnehmbare Schallbelastung aus, so daß sie zu Recht als vernachlässigbar eingestuft worden sei. Dabei sei es unerheblich, ob ein von der Antragstellerin bisher gewonnener Investor wegen der Eisenbahnbaumaßnahme abzuspringen drohe, da es nur darauf ankomme, ob die gemeindliche Planung objektiv verwirklicht werden könne.
Schließlich müsse berücksichtigt werden, daß der Kostenvorteil der gewählten Trassenalternative gegenüber der von der Antragstellerin gewünschten mehr als 100 Mio. DM betrage.
Die Beigeladene hält die Klage ebenfalls für aussichtslos und beantragt die Ablehnung des Antrages.
Sie meint, die Antragstellerin sei mit ihrem Vorbringen zu den Bebauungsplänen Reha-Klinik und Lauchagrund präkludiert. Zwar habe sie zu den Planungsabschnitten 2.3 und 2.4 rechtzeitig mit Schreiben vom 24. Mai 1995 Einwendungen erhoben, doch nicht im einzelnen dargelegt, welche gemeindlichen Planungen unmittelbar von dem Vorhaben betroffen seien. Im Gegensatz zum Bebauungsplan Reha-Klinik werde der Bebauungsplan Lauchagrund zwar erwähnt, doch werde nicht aufgeführt, aus welchen konkreten Gründen die gemeindliche Planung beeinträchtigt sein solle.
Ferner setze sich die Antragstellerin bei ihren das Bebauungsplangebiet Reha-Klinik betreffenden Einwendungen in Widerspruch zu ihren im Aufstellungsverfahren durch das beauftragte Planungsbüro verlautbarten Äußerungen. Bei Beschluß des Bebauungsplans sei ihr die zu erwartende Konfliktsituation bewußt gewesen.
Auch die Abwägung der Trassenalternativen sei nicht zu beanstanden. Die Kostendifferenz belaufe sich auf 113 Mio. DM.
Schließlich habe eine Gemeinde anders als ein enteignend betroffener Privater keinen Anspruch auf umfassende objektiv-rechtliche Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Dem Gericht haben ferner vorgelegen eine Ausfertigung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Juli 1996, die Planfeststellungunterlagen sowie die Verwaltungsvorgänge für die Planfeststellungsabschnitte 2.3 und 2.4.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz und § 20 Abs. 5 Satz 1 AEG geregelten Ausschlusses des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage ist, muß hinter dem Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Klage zurücktreten. Denn bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, daß die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage der Antragstellerin offen sind. Läßt sich aber derzeit nicht feststellen, daß der angefochtene Planfeststellungsbeschluß mit der darin vorgesehenen, von der Antragstellerin bekämpften Trassenführung aller Voraussicht nach Bestand haben wird, so überwiegt hier das Interesse der Antragstellerin daran, daß mit der sie belastenden Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens noch nicht begonnen wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermittelt die Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) einer Gemeinde u.a. dann eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben eine bestimmte gemeindliche Planung nachhaltig stört (vgl. z.B. BVerwGE 90, 96 ≪100≫). Diese Voraussetzung ist nach derzeitigem Erkenntnisstand erfüllt. Jedenfalls hinsichtlich des Bebauungsplangebiets Lauchagrund – auf dessen Beeinträchtigung sich die Antragstellerin im Einwendungsschreiben vom 24. Mai 1995 hinreichend deutlich berufen hat – ist eine nachhaltige Störung dieser konkretisierten Planung infolge der von dem Vorhaben ausgehenden Lärmimmissionen wahrscheinlich. Diese dürften nämlich trotz der vorgesehenen aktiven Lärmschutzmaßnahmen um 4 dB(A) über dem zulässigen Nachtgrenzwert der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV – vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) liegen. Antragsgegnerin und Beigeladene meinen zwar, die Lärmbelastung werde durch besondere Gleispflegemaßnahmen um 3 dB(A) gemindert. Der Abzug dieses sogenannten Pflegebonus ist jedoch – anders als der „Schienenbonus” im Sinne des § 3 Satz 2 der 16. BImSchV – nicht gerechtfertigt; denn der dafür erforderliche Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung von 3 dB(A) ist nach derzeitigem Erkenntnisstand des Senats noch nicht erbracht (Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – UPR 1997, 295 = DVBl 1997, 831). Die genannte Überschreitung des Nachtgrenzwertes läßt sich in einem Wohngebiet auch dann nicht als unerheblich bewerten, wenn berücksichtigt wird, daß passiver Schallschutz in Betracht kommt; dieser entlastet nämlich nur den Innenwohnbereich.
Der Eingriff in die Planungshoheit führt freilich nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Der Belang der Planungshoheit kann vielmehr im Wege der Abwägung mit anderen, für das Vorhaben sprechenden Belangen überwunden werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG). Die summarische Prüfung des Senats hat nicht ergeben, daß die behördliche Abwägung, die zu der für die Antragstellerin ungünstigen Trassenwahl geführt hat, an offensichtlichen und kausalen Mängeln im Sinne des § 20 Abs. 7 AEG leidet, die die Planung insgesamt zu Fall bringen könnten. Dies bedarf hier aber keiner näheren Darlegung, da jedenfalls aus anderen Gründen rechtliche Bedenken gegen den angefochtenen Planfeststellungsbeschluß bestehen.
Ist die Antragstellerin in ihrer Planungshoheit betroffen, so kann sie nämlich möglicherweise eine umfassende gerichtliche Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses verlangen (vgl. dazu z.B. Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 467). Bisher ist diese – im Beschluß vom 26. November 1991 – BVerwG 7 C 16.89 – (Buchholz 451.22 AbfG Nr. 45 S. 102) ausdrücklich offengelassene und unter den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens strittige – Rechtsfrage noch nicht abschließend entschieden worden, auch nicht in dem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – (BVerwGE 100, 388). Eine solche Entscheidung kann auch in diesem Beschluß nicht getroffen werden; vielmehr ist hier – entsprechend dem Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes – von dem etwa gebotenen weiten Prüfungsrahmen auszugehen. Dann aber lassen sich die von der Antragstellerin gegen die Trassenwahl geltend gemachten raumordnungsrechtlichen Bedenken nicht von der Hand weisen:
Es mag dahingestellt bleiben, ob die in der zeichnerischen Darstellung des Regionalentwicklungsprogramms Halle vom 30. Januar 1996 (MBl Sachsen-Anhalt 1996, S. 557) vorgesehene, die Antragstellerin schonende Trassenführung als verbindliches Ziel im Sinne des § 5 Abs. 4 ROG aufzufassen ist und wie sich diese Darstellung mit der davon abweichenden zeichnerischen Darstellung des Landesentwicklungsprogramms (GVBl Sachsen-Anhalt 1992, S. 390 und 574) vereinbaren läßt (vgl. dazu § 5 des Vorschaltgesetzes für Raumordnung und Landesentwicklung des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Juni 1992, GVBl S. 390 – VorschaltG –). Jedenfalls widerspricht die Trassenwahl des Planfeststellungsbeschlusses der Untersagungsverfügung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. April 1996. Diese Untersagungsverfügung stützt sich auf § 7 Abs. 1 ROG und § 19 Abs. 1 Satz 3 VorschaltG und verweist zur Begründung auf das damals noch im Abstimmungsverfahren befindliche regionale Entwicklungsprogramm Halle sowie auf das damals im Aufstellungsverfahren befindliche Teilentwicklungsprogramm für das Geiseltal. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ROG kann die für die Raumordnung zuständige Landesbehörde raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen, die Behörden oder sonstige Stellen im Sinne des § 4 Abs. 5 ROG beabsichtigen, für eine bestimmte Zeit untersagen, wenn zu befürchten ist, daß die Durchführung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird. Solche Planungen und Maßnahmen können nach § 19 Abs. 1 Satz 3 VorschaltG auch dann untersagt werden, wenn zu befürchten ist, daß dadurch die Einhaltung geltender Raumordnungsprogramme unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird. Die Untersagung ist nach § 19 Abs. 2 VorschaltG für längstens zwei Jahre auszusprechen und ganz oder teilweise aufzuheben, soweit ihre Voraussetzungen weggefallen sind.
Im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß (S. 127) wird zu der Untersagungsverfügung bemerkt, der vorläufige Sicherungszweck, dem sie diene, sei mit der Verabschiedung und Veröffentlichung des regionalen Entwicklungsprogramms Halle im April 1996 entfallen; außerdem habe die Planfeststellungsbehörde die im Regionalentwicklungsprogramm und im Teilentwicklungsprogramm Geiseltal vorgesehenen landesplanerischen und raumordnerischen Entwicklungen bei ihrer Variantenentscheidung berücksichtigt. Diese Erwägungen dürften jedoch ungeeignet sein, die Nichtbeachtung der Untersagungsverfügung zu rechtfertigen. Die Veröffentlichung des Regionalentwicklungsprogramms führt nach § 19 Abs. 2 VorschaltG nicht ohne weiteres dazu, daß die Untersagungsverfügung außer Kraft tritt. Zudem ist zu berücksichtigen, daß das Teilentwicklungsprogramm Geiseltal im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht rechtsverbindlich war und daß nach § 19 Abs. 1 Satz 3 VorschaltG eine Untersagungsverfügung auch der Sicherung der Einhaltung bereits geltender Raumordnungsprogramme dienen kann. Ob das planfestgestellte Vorhaben, wie die Behörde meint, mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung vereinbar und die Untersagungsverfügung aus diesem oder einem anderen Grund (vgl. etwa § 7 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 6 ROG) rechtswidrig ist, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die Planfeststellungsbehörde die – allem Anschein nach nicht nichtige (vgl. § 44 VwVfG) – Untersagungsverfügung, die kraft Gesetzes (§ 7 Abs. 2 ROG) sofort vollziehbar war, bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses am 30. Juli 1996 beachten müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 und § 159 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Diefenbach, Dr. Kugele, Kipp
Fundstellen
DÖV 1998, 79 |
NuR 1998, 93 |
UPR 1998, 118 |