Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg; Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
1.1 Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
“Kann gegen eine Partei (hier den Berufungsbeklagten) ein Anspruch aus § 683 BGB in Verbindung mit einer vorläufigen erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung gegeben sein, wenn diese erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung auf Beschwerde dieser Partei rechtskräftig aufgehoben wird” bzw. “Ist es mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen vereinbar, dass die Partei (hier der Berufungsbeklagte), die letztinstanzlich obsiegt, die Aufwendungen zu tragen hat, die die Gegenpartei (hier der Berufungskläger) im Vertrauen auf die erstinstanzliche nicht rechtskräftige Entscheidung leistet?”,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der Sache nach betreffen diese Fragen die einzelfallbezogene Anwendung der rechtsgrundsätzlich geklärten Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im Bereich des öffentlichen Rechts. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt (vgl. Urteile vom 9. Juni 1975 – BVerwG 6 C 163.73 – BVerwGE 48, 279 ≪285≫ und vom 28. August 2003 – BVerwG 4 C 9.02 – NVwZ-RR 2004, 84), dass die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch im öffentlichen Recht anzuwenden sind, ein Aufwendungsersatzanspruch auf § 683 BGB gestützt werden kann und der Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag u.a. davon abhängt, dass der Geschäftsführer ein zumindest auch fremdes Geschäft wahrgenommen hat. Die Beschwerde rügt der Sache nach insoweit, ohne weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zu den Voraussetzungen und der Reichweite des Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht aufzuweisen, lediglich eine fehlerhafte Anwendung dieser nicht bestrittenen Grundsätze im Einzelfall in Bezug auf die Frage, ob das Berufungsgericht den Umstand rechtlich zutreffend gewürdigt hat, dass die vorläufige Anordnung des Familiengerichts auf die Beschwerde des Beklagten hin aufgehoben worden war. Allein der Umstand, dass die von dem Berufungsgericht gefundene einzelfallbezogene Anwendung rechtlichen Bedenken begegnen oder sich als unzutreffend erweisen mag, führt indes noch nicht dazu, einer Rechtssache im Sinne des Revisionsrechts grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Dies gilt hier umso mehr, als das Berufungsgericht eine unter verschiedenen Aspekten eher atypische Sachverhaltskonstellation rechtlich zu würdigen hatte.
1.2 Auch die Frage,
“ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet sein kann, einem privaten Dritten, der entgegen dem Willen des Trägers erzieherische Hilfe gewährt, die Aufwendungen hierfür in analoger Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) zu ersetzen, obwohl der öffentliche Jugendhilfeträger diese Betreuungsmaßnahmen umfassend anbietet, selbst umsetzen will und hierzu auch in der Lage ist. Kann eine angemaßte Fremdbetreuung im öffentlichen Interesse liegen?”,
führt nicht auf eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Soweit die Fragestellung die Identität der Maßnahmen, für die der Kläger Aufwendungsersatz begehrt, und der von dem Beklagten angebotenen Hilfe voraussetzt (“diese Betreuungsmaßnahmen umfassend anbietet”), ist die so gestellte Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn die Maßnahmen, für die der Kläger Aufwendungsersatz begehrt, sind der Erziehungshilfe nach § 34 SGB VIII zuzuordnen, während der Beklagte diese Art der Hilfe gerade nicht (mehr) gewähren wollte, sondern Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII (sozialpädagogische Familienhilfe) angeboten und vorgesehen hatte. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde mit dieser Fragestellung – losgelöst von der konkreten Art der Hilfe zur Erziehung – geklärt wissen wollte, ob der für den Aufwendungsersatz nach § 683 BGB vorauszusetzende Fremdgeschäftsführungswille vorgelegen hat oder wegen seines – des Beklagten – entgegenstehenden Willens gerade ausgeschlossen war, berücksichtigt die zur Prüfung gestellte Frage nicht hinreichend, dass das Berufungsgericht den entgegenstehenden Willen des Beklagten als Jugendhilfeträger gerade nicht verkannt hat, sondern der Sache nach davon ausgegangen ist, dass mit Blick auf die – wenn auch durch das Beschwerdegericht aufgehobene – Verbleibensanordnung des Amtsgerichts der entgegenstehende Wille des Beklagten als angenommenen Geschäftsherren nach § 683 Satz 2 BGB i.V.m. § 679 BGB wegen des durch diese Anordnung im Zeitpunkt der Betreuung begründeten öffentlichen Interesses “nicht in Betracht” kommt und einem Aufwendungsersatzanspruch nicht entgegensteht. Die einzelfallbezogene Bewertung des Berufungsgerichts, dass hier die – aufgehobene – Verbleibensanordnung bewirkt hat, dass die fortdauernde Betreuung eine Pflicht des Beklagten begründet habe, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, lässt unabhängig davon, ob ihr in der Sache zu folgen ist, keinen fallübergreifenden Klärungsbedarf erkennen.
1.3 Soweit mit den vom Beklagten bezeichneten Fragen sinngemäß auch zur rechtsgrundsätzlichen Klärung hätte gestellt werden sollen, welche Bedeutung einer – vorläufigen oder nachträglich aufgehobenen – familiengerichtlichen Anordnung für die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe beizumessen ist bzw. ob durch eine infolge einer solchen familiengerichtlichen Anordnung erbrachten Betreuungstätigkeit eine Pflicht eines Trägers der Jugendhilfe erfüllt wird, deren Erfüllung im Sinne des § 679 BGB “im öffentlichen Interesse” liegt, führte auch dies nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dabei kann offen bleiben, ob einer Revisionszulassung bereits entgegenstünde, dass durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) mit § 36a SGB VIII eine ausdrückliche Regelung zur Steuerungsverantwortung und Kostentragungspflicht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eingefügt worden ist, die eine Kostenübernahme grundsätzlich an die Entscheidung des Jugendhilfeträgers über die Hilfegewährung bindet, und zwar auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden, und sich insoweit die entscheidungserhebliche Rechtslage geändert haben könnte. Denn für die vom Berufungsgericht zu Grunde zu legende Rechtslage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine familiengerichtliche Anordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB nicht zugleich zu einer begleitenden Jugendhilfeleistung verpflichtet (Urteil vom 21. Juli 2001 – BVerwG 5 C 6.00 – Buchholz 436.511 § 39 KJHG/SGB VIII Nr. 2 = NJW 2002, 232), so dass eine solche gerichtliche Anordnung, namentlich dann, wenn sie als rechtswidrig wieder aufgehoben worden ist, nicht geeignet ist, für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Pflicht zu begründen, deren Erfüllung im Sinne des § 683 Satz 2, § 679 BGB “im öffentlichen Interesse” liegt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
2.1 Das Vorbringen, das Berufungsgericht habe in Bezug auf die Rechtsfrage, “ob ein öffentliches Interesse daran bestand, dass ein Privater (der Berufungskläger) gegen den wirklichen und mutmaßlichen Willen der Behörde Maßnahmen trifft, die zu den Aufgaben dieser Behörde als öffentlicher Jugendhilfeträger gehört”, den Inhalt und die Tragweite eines allgemeinen Erfahrungssatzes nicht beachtet, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. September 1988 – BVerwG 4 C 5.86 – (BVerwGE 80, 170) in Bezug auf den Anspruch auf Aufwendungsersatz (entsprechend § 683 BGB) gegen einen Träger öffentlicher Verwaltung aufgestellt hat, genügt das Beschwerdevorbringen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Ausgangsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 2006 – BVerwG 5 B 98.05 – juris und vom 25. Januar 2005 – BVerwG 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22); dabei müssen sich die Rechtssätze grundsätzlich auf dasselbe Gesetz beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, inwiefern das Ausgangsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es hier. Der Sache nach macht die Beschwerde ohne Bezeichnung eines von dem Berufungsgericht aufgestellten, der herangezogenen Entscheidung widersprechenden abstrakten Rechtssatzes eine im Einzelfall fehlerhafte Rechtsanwendung geltend; dies eröffnete die Revisionszulassung wegen Divergenz auch dann nicht, wenn es zuträfe.
2.2 Die Revision wäre auch nicht wegen einer – mit der Beschwerde nicht geltend gemachten – Abweichung von dem Urteil des Senats vom 21. Juli 2001 – BVerwG 5 C 6.00 – (a.a.O.) zuzulassen gewesen. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt – wie dargelegt – voraus, dass das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. Es ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht, welches sich nicht ausdrücklich mit dem Urteil des Senats vom 21. Juli 2001 auseinandersetzt oder dieses sonst erwähnt, sinngemäß einen diesem entgegenstehenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte; die lediglich fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes bzw. dessen fehlerhafte Nichtanwendung ist keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr des BVerwG, vgl. Beschlüsse vom 5. Januar 2001 – BVerwG 4 B 57.00 – NVwZ-RR 2001, 422 und vom 22. März 2005 – BVerwG 5 B 55.04 –).
3. Schließlich kann die Revision nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zugelassen werden.
Die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO), das Berufungsgericht habe dadurch den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt, dass es “die Forderung des Berufungsklägers ohne nähere Prüfung als Aufwendungsersatzanspruch übernommen” und nicht ermittelt habe, “wie hoch die dem Berufungskläger entstandenen Aufwendungen der erzieherischen Hilfe für die von ihm betreuten Kinder tatsächlich waren bzw. unter Berücksichtigung des Wegfalls der vorläufigen Verbleibensanordnung überhaupt sein durften”, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Wer, wie der Beklagte, die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er – durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person vertreten – in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substantiiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1978 – BVerwG 6 B 24.78 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 206.96 – NVwZ 1997, 890 ≪893≫, vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 und vom 13. März 2003 – BVerwG 5 B 267.02 – juris); die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 10. Oktober 2001 – BVerwG 9 BN 2.01 – NVwZ-RR 2002, 140).
Nach diesen Grundsätzen musste sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten hier nicht aufdrängen. Der Beklagte hat ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auch keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.
4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten sind nach § 188 Satz 2 VwGO nicht zu erheben.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen