Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.07.1995; Aktenzeichen 12 B 93.1573) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen Verfahrensfehlern zugelassen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen § 112 VwGO verstoßen, in dem er über die Berufung durch andere Richter entschieden hat als diejenigen, die an den seinem Urteil vorausgegangenen mündlichen Verhandlungen teilgenommen haben. § 112 VwGO ist nicht anwendbar, wenn ein Urteil nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht. Dies gilt auch, wenn nach mündlicher Verhandlung aufgrund übereinstimmender Einverständniserklärung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden wird (siehe BVerwG, Beschluß vom 17. Mai 1989 – BVerwG 4 CB 6.89 – ≪Buchholz 310 § 112 VwGO Nr. 9≫). So liegt der Fall hier. Das Berufungsurteil ist nicht „aufgrund mündlicher Verhandlung” (§ 101 Abs. 1 VwGO) ergangen, denn die Beteiligten haben nach der letzten mündlichen Verhandlung vom 16. März 1995 im Sinne von § 101 Abs. 2 VwGO auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet, es hat keine Vertagung des Termins vom 16. März 1995 stattgefunden. Zur abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits waren somit diejenigen Richter berufen, die im Zeitpunkt dieser Entscheidung nach der Geschäftsverteilung des Gerichts hierfür zuständig waren. Bei Erlaß des angefochtenen Urteils war das Berufungsgericht daher vorschriftsmäßig besetzt.
Auch ein Verstoß gegen § 117 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 VwGO liegt nicht vor, wie der Kläger unter Hinweis auf § 138 Nr. 6 VwGO mit der Behauptung geltend macht, der Urteilstatbestand sei „unvollständig” und die Entscheidungsgründe könnten „daher … nicht nachvollzogen werden”. § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt lediglich eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes seinem wesentlichen Inhalt nach unter Hervorhebung der gestellten Anträge; wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Diesem Begründungserfordernis genügt es, wenn der Urteilstatbestand den aus der Sicht des Gerichts für seine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt wiedergibt, eine erschöpfende Wiedergabe aller Tatsachen und allen Vorbringens ist hingegen nicht nötig. Diesem Maßstab genügt der Tatbestand des Berufungsurteils. Auch dessen Entscheidungsgründe sind aus der Sicht des Begründungserfordernisses des § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht zu beanstanden. Entscheidungsgründe haben die Funktion, sicherzustellen, daß das Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte, insbesondere das Vorbringen der Beteiligten im Rahmen des ihnen zukommenden rechtlichen Gehörs berücksichtigt und sich mit ihnen in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat, daß ferner den Beteiligten die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und dem Rechtsmittelgericht – bzw. dem Verfassungsgericht – die Nachprüfung der Entscheidung ermöglicht werden (siehe z.B. BVerwG, Beschluß vom 3. April 1990 – BVerwG 9 CB 5.90 – ≪Buchholz a.a.O., § 117 VwGO Nr. 31, S. 9≫). Diese Mindestanforderungen sind hier erfüllt. Dagegen ist nicht nachvollziehbar, wieso das Berufungsurteil bezüglich der Ausführungen zu Inhalt und Umfang der Beratungstätigkeit des Klägers – ggf. in Verbindung mit dem in den Entscheidungsgründen und pauschal auch am Ende des Urteilstatbestandes in Bezug genommenen Inhalt der Verwaltungsunterlagen – nach Auffassung des Klägers nicht auf „ausreichenden Tatbestandsfeststellungen” beruhen soll. Daß „hinsichtlich des Sachberichtes zum Verwendungsnachweis für das Jahr 1989 … ein Bezug auf die Akten (fehlt)”, kann schon deshalb nicht als verfahrensfehlerhaft angesehen werden, weil es sich insoweit um eine allenfalls nebensächliche Feststellung des Berufungsgerichts „bestätigt wird dieser Eindruck ferner …”) handelt.
Auch eine Revisionszulassung wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht möglich.
Die mit der Beschwerde behauptete Abweichung von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 22, 180 liegt nicht vor. In dieser Entscheidung geht es u.a. um die Frage, ob die gesetzliche Förderungs- und Finanzierungspflicht der Gemeinden gegenüber freien Trägern der Jugendpflege (aus § 5 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 JWG) in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung eingreift. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage verneint (a.a.O. S. 207 ff.), dagegen keine Grundsätze über den Zugang zu den für die Förderung der freien Jugendhilfe bereitzustellenden Haushaltsmitteln entwickelt. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht keinen Rechtssatz aufgestellt, dem die Ansicht des Berufungsgerichts widerspräche, daß „praktische Konkordanz der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und der Selbständigkeitsgarantie freier Wohlfahrtsverbände … durch eine Abwägung herzustellen” sei (S. 11 des Berufungsurteils). Einen solchen Rechtssatz kann die Beschwerde nicht belegen. Ihrem Verständnis, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „keine Abwägung anzustellen” sei, widerspricht vielmehr der Hinweis in dieser Entscheidung darauf, daß es „im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde (stehe), ob sie im gegebenen Fall Sach- oder Geldleistungen gewähren oder Hilfe in anderer Weise leisten will” (a.a.O. S. 207), und „keinesfalls gezwungen (sei), Haushaltsmittel unrationell einzusetzen” (a.a.O. S. 208).
Auch die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Auf die Frage, „was eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 2 BSHG” ist, kommt es auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht an. Das angegriffene Urteil ist – alternativ – damit begründet, daß „keine Tätigkeit ‚auf dem Gebiet der Sozialhilfe’ … die rechtliche Beratung in Fragen der Sozialhilfe” insoweit sei, „als es … einem Hilfesuchenden darum geht, sich gegen Maßnahmen eines Sozialhilfeträgers zur Wehr zu setzen” (S. 9 des Berufungsurteils), die Beklagte aber auch deshalb nicht verpflichtet sei, die Tätigkeit des Klägers in der begehrten Weise zu unterstützen, weil sie dessen Tätigkeit in rechtlich einwandfreier Weise für nicht erforderlich halte (S. 10 des Berufungsurteils). Zwar macht die Beschwerde auch insoweit rechtsgrundsätzliche Bedeutung geltend, indem sie unter Bezugnahme auf ein Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. September 1980 (FEVS 31, 404 ≪416 f.≫) vorträgt, es gebe in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, „inwieweit der Sozialhilfeträger die Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung der Aufgaben der Selbsthilfeinitiativen zu achten hat (§ 17 Abs. 3 Satz 3 SGB I)”. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß jedes Urteil sich nur mit der Förderung freier Träger durch den Abschluß von Pflegesatzvereinbarungen befaßt, dagegen ausdrücklich offengelassen hat, „welche Grundsätze im einzelnen für die unmittelbare finanzielle Förderung von Einrichtungen und Veranstaltungen der freien Wohlfahrtspflege gelten” (a.a.O. S. 417). Was Letzteres betrifft, so kann keine Frage – und deshalb auch nicht revisionsgerichtlich klärungsbedürftig – sein, daß es den Gemeinden unbenommen ist, ihre Förderungsentscheidung von der Eignung des jeweiligen freien Trägers abhängig zu machen (vgl. auch Hamburgisches OVG, a.a.O. S. 413 f.). Ebenso unproblematisch und deshalb ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung ist die Frage, „ob und in welchem Maß die praktische Konkordanz der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und der Selbständigkeitsgarantie freier Wohlfahrtsverbände durch eine Abwägung herzustellen ist”, soweit es um die Berücksichtigung von weniger geeigneten freien Trägern geht. Allein daran jedoch hat das Berufungsgericht das Klagebegehren letztlich scheitern lassen, indem es von einem „kommunalen Entscheidungsvorrecht über die ‚Förderungswürdigkeit’ der fraglichen Tätigkeit ausgegangen ist (S. 11 oben des Berufungsurteils unter Bezugnahme auf BVerfG, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen