Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Aktenzeichen 2 K 1/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. November 2001 wird verworfen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar rechtzeitig eingelegt, jedoch nicht fristgemäß begründet worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Begründungsfrist kann den Antragstellern nicht gewährt werden.
Nach § 133 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen.
Das angefochtene Urteil des Normenkontrollgerichts ist den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ausweislich des unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 19. Februar 2001 zugestellt worden. Demzufolge endete die Beschwerdebegründungsfrist mit Ablauf des 19. April 2001 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 BGB). Die (mit Datum vom 23. Mai 2001 verfasste) Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch erst am 24. Mai 2001 und damit verspätet beim Normenkontrollgericht eingegangen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO kann den Antragstellern nicht gewährt werden. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert waren, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Hierfür sind die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages entscheidungserheblichen Tatsachen, soweit sie nicht offenkundig sind, innerhalb der Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO substantiiert und schlüssig darzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 2000 – BVerwG 1 C 16.00 – n.v.; BFH, Beschluss vom 9. November 1999 – XI R 17/99 – BFH/NV 2000, 583 f. m.w.N.). Die Antragsteller haben innerhalb der genannten Frist ausgeführt, dass Rechtsanwältin P.-J. vom 16. April bis zum 18. Mai 2001 durch Krankheit an der Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist verhindert gewesen sei. Sie habe sich wegen einer Geschwulst bis zum 18. Mai 2001 einer medikamentösen Therapie unterziehen müssen, die mit gravierenden Belastungen verbunden gewesen sei und zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Zudem sei sie seit dem 16. April 2001 an einer Grippe und einer Nasennebenhöhlenentzündung erkrankt gewesen, die zusätzlich zu einer ganz massiven Gesundheitsbeeinträchtigung geführt hätten. Es sei der Rechtsanwältin auch nicht möglich gewesen, einen anderen mit der Erstellung der Beschwerdebegründung zu beauftragen und diesen über die von ihr vertretene Rechtsansicht zur Rechtsnatur der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu informieren. Sie sei von ihrer Erkrankung überrascht worden. Außerdem gehe es nicht um eine gängige Rechtsfrage. Vielmehr habe die Sache eine individuelle Bearbeitung und Argumentation erfordert.
Diese Gründe rechtfertigen nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 1992 – 2 BvR 1401/91, 254/92 – BVerfGE 86, 280 ≪285 f.≫; BVerwG, Urteil vom 8. März 1983 – BVerwG 1 C 34.80 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 129). Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Antragsteller dabei gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO, der auch im Verwaltungsstreitverfahren anwendbar ist (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 – BVerfGE 60, 253 ≪266 ff.≫; BVerwG, Beschluss vom 24. August 1995 – BVerwG 3 B 37.95 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 202), zurechnen lassen.
Wird die Prozessvollmacht einer Anwaltssozietät erteilt, sind grundsätzlich sämtliche Anwälte, die der Anwaltssozietät angehören, im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO bevollmächtigt, sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall etwas anderes ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 1986 – V ZB 3/85 – VersR 1986, 686 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1997 – BVerwG 8 B 156.97 – juris). Dies hat zur Folge, dass sich der Beteiligte unabhängig von der internen Arbeitsverteilung das Verschulden eines jeden Sozietätsmitglieds zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 1972 – IV ZB 37/72 – VersR 1973, 231 ≪232≫; Beschluss vom 4. Juli 1975 – IV ZB 22/75 – VersR 1975, 1028 ≪1029≫; BFH, Beschluss vom 17. Februar 1986 – VI R 94/85 – BFH/NV 1986, 743 ≪745≫). Dementsprechend ist die Erkrankung des die Sache bearbeitenden Sozietätsmitglieds nicht ohne weiteres ein Entschuldigungsgrund. In einer Anwaltssozietät müssen vielmehr Vorkehrungen getroffen werden, dass ein anderes Sozietätsmitglied zumindest die unaufschiebbaren, insbesondere fristgebundenen, Arbeiten eines erkrankten Sozietätsmitglieds in angemessener Weise und zeitgerecht erledigt (vgl. BFH, Beschluss vom 3. August 1977 – II R 59/77 – BStBl II 1977, 768 ≪769≫; Beschluss vom 18. Dezember 1981 – III R 107/81 – juris; Beschluss vom 17. Februar 1986 – a.a.O.).
Daher kann dahinstehen, ob Rechtsanwältin P.-J. vom 16. April bis 18. Mai 2001 sowohl krankheitsbedingt außer Stande war, selbst die Beschwerdebegründung fristgerecht zu fertigen, als auch nicht mehr einen Vertreter mit deren Erstellung beauftragen und in die Sache einweisen konnte. Denn die Antragsteller haben das Mandat einer Anwaltssozietät übertragen, die aus zwei Rechtsanwältinnen besteht. Damit waren von Anfang an beide Rechtsanwältinnen als Vertreter der Antragsteller anzusehen und verpflichtet, deren Interessen sorgfältig wahrzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass die unter dem 17. Dezember 1998 von den Antragstellern unterzeichnete Prozessvollmacht ausweislich der Kopfzeile auf beide Rechtsanwältinnen lautet, der Normenkontrollantrag vom 28. Dezember 1998 und auch alle weiteren in dem Verfahren eingereichten Schriftsätze im Briefkopf beide Rechtsanwältinnen ausweisen und als Prozessbevollmächtigte ausdrücklich „RAe P.-J. & Koll.” nennt und das unter dem Datum vom 19. Februar 2001 unterzeichnete Empfangsbekenntnis mit einem Stempel versehen ist, der beide Rechtsanwältinnen benennt. Vor diesem Hintergrund hätten die Antragsteller innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vor allem darlegen müssen, dass und welche Vorkehrungen ihre beiden Prozessbevollmächtigten für den Fall der Verhinderung der nach der internen Arbeitsverteilung mit der Bearbeitung ihrer Sache befassten Rechtsanwältin getroffen haben, um die Übernahme der fristwahrenden Maßnahmen durch das andere Sozietätsmitglied sicherzustellen. Ferner hätten sie Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ergibt, dass und weshalb auch das andere Sozietätsmitglied aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen verhindert gewesen ist, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Dies haben sie nicht getan.
Im Übrigen liegen keine besonderen Umstände vor, die dafür sprechen, dass Rechtsanwältin J.-G. die Fertigung der Beschwerdebegründung im Hinblick auf Besonderheiten des Einzelfalls nicht zuzumuten gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Rojahn, Jannasch
Fundstellen