Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 05.10.2011; Aktenzeichen 12 B 10.2811) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2011 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Rz. 1
1. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO genügt.
Rz. 2
a) Dies gilt zunächst für die Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Rz. 3
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (stRspr, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 22).
Rz. 4
Die Beschwerde hat eine konkrete, fallübergreifende und höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage nicht ausdrücklich benannt. Bei verständiger Würdigung mag ihrem Vortrag zu entnehmen sein, dass sie als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage erachtet, ob die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung nach § 85 SGB IX die ordnungsgemäße Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 SGB IX voraussetzt. Wegen dieser Frage wäre die Revision jedoch nicht zuzulassen, da sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt ist (Beschluss vom 29. August 2007 – BVerwG 5 B 77.07 – Buchholz 436.62 § 84 SGB IX Nr. 1). Die Beschwerde unterlässt es, sich mit den in diesem Beschluss genannten rechtlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen und zu erläutern, warum damit eine Frage des revisiblen Rechts noch nicht hinreichend geklärt ist (vgl. Beschluss vom 26. Juni 2006 – BVerwG 5 B 51.06 – juris Rn. 3). Die bloße Wiedergabe von Auszügen aus der Kommentarliteratur und aus älteren Entscheidungen aus dem Richter(dienst)- und dem Schwerbehindertenrecht kann ein solches Auseinandersetzen nicht ersetzen. Dies gilt umso mehr, als in diesen Entscheidungen zum Teil ausdrücklich davon ausgegangen wird, dass der Verstoß gegen die Präventionsvorschrift des § 84 SGB IX aus systematischen Gründen nicht zur Unwirksamkeit einer Entlassung führe bzw. keinen Verfahrensfehler begründe (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2006 – RiZ (R) 2/06 – NVwZ-RR 2007, 328 ≪Rn. 19≫; VG Bayreuth, Urteil vom 18. Juni 2007 – B 3 K 05.15 – juris Rn. 50 f.).
Rz. 5
Die sinngemäße Rüge, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Beklagte es im Rahmen seiner Ermessensausübung fehlerhaft unterlassen habe zu berücksichtigen, dass eine Präventionsmaßnahme gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX zu dem vorgeschriebenen Zeitpunkt rechtswidrig unterblieben sei (S. 24 der Beschwerdebegründung), zielt auf eine angeblich fehlerhafte Anwendung der Vorschrift im Einzelfall. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wird damit nicht aufgezeigt (vgl. Beschluss vom 21. Juli 2011 – BVerwG 6 B 29.11 – juris Rn. 3).
Rz. 6
b) Ebenso wenig genügt die zugleich erhobene Divergenzrüge den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 7
Eine Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den u.a. das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das Berufungsgericht muss von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein, weil es ihn für unrichtig hält. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
Rz. 8
Die Beschwerde hat weder einen abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch einen von diesem abweichenden abstrakten Rechtssatz des Berufungsurteils bezeichnet. Abweichungen von Entscheidungen eines anderen Oberverwaltungsgerichts sind von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erfasst.
Rz. 9
c) Den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht auch nicht die Rüge, das Berufungsgericht habe den Kläger dadurch in seinem rechtlichen Gehör verletzt, dass es sein Vorbringen nur unzureichend zur Kenntnis genommen habe.
Rz. 10
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 28. März 1985 – 1 BvR 1245/84, 1254/84 – BVerfGE 69, 233 ≪246≫). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Rz. 11
Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vortrag, die Zustimmungsentscheidung des Beklagten sei überraschend ergangen, da eine Beschäftigung in der Spätschicht nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Integrationsamt gewesen und der Kläger hierzu nicht angehört worden sei, ausführlich auseinandergesetzt (UA Rn. 46). Dass das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden, begründet keinen Gehörsverstoß (Urteil vom 2. Dezember 2009 – BVerwG 5 C 24.08 – BVerwGE 135, 302 = Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 5 = juris Rn. 34). Das Vorbringen, das Berufungsgericht habe bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt, dass der Kläger keine Veranlassung gehabt habe, durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen nachzuweisen, dass er aus medizinischen Gründen gehindert sei, in der Spätschicht zu arbeiten, da ihn eine entsprechende Aufforderung der Beigeladenen nicht erreicht habe (S. 38 der Beschwerdebegründung), war Gegenstand weder des Verwaltungs- noch des erstinstanzlichen noch des Berufungsverfahrens und daher von dem Berufungsgericht nicht zu berücksichtigen.
Rz. 12
Ein etwaiger Gehörsverstoß des Beklagten würde schon deshalb keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen, weil Prüfungsgegenstand des Beschwerdeverfahrens allein ist, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Mängel des Verwaltungsverfahrens oder des erstinstanzlichen Verfahrens, die in der Berufungsinstanz nicht fortwirken, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht (Beschluss vom 30. Juli 1990 – BVerwG 7 B 104.90 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 289).
Rz. 13
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 14
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch die Beantragung der Zurückweisung der Beschwerde das Kostenrisiko übernommen hat.
Rz. 15
Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei.
Unterschriften
Vormeier, Stengelhofen, Dr. Fleuß
Fundstellen