Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 19.02.2002; Aktenzeichen 25 A 291.96) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Kläger machen vermögensrechtliche Ansprüche in Bezug auf ein Grundstück geltend, das sich im Sperranlagenbereich der Berliner Mauer befand und 1962 auf der Grundlage des § 10 des DDR-Verteidigungsgesetzes gegen Festsetzung einer Entschädigung enteignet wurde. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage abgewiesen, weil das Grundstück nicht von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen sei. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „ob die Enteignung eines Grundstücks im Gebiet des ehemaligen Ost-Berlin an der Grenze zum ehemaligen West-Berlin nach § 10 des Verteidigungsgesetzes durch die DDR-Behörden, um die Berliner Mauer zu errichten, eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ist”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Enteignungen von Mauergrundstücken auf der Grundlage von § 10 des Verteidigungsgesetzes nicht generell als unlautere Machenschaften anzusehen sind (vgl. Beschluss vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33; Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114; Beschluss vom 19. Dezember 2001 – BVerwG 8 B 130.01 – ZOV 2002, 55). Das Beschwerdevorbringen gibt zu weiterer revisionsgerichtlicher Klärung keinen Anlass. Dem Umstand, dass die Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze „sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR” waren (BTDrucks 12/8427), hat der Gesetzgeber durch das Mauergrundstücksgesetz vom 15. Juli 1996 (BGBl I S. 980) Rechnung getragen. Ob die Enteignung der betroffenen Grundstücke „im Interesse der Verteidigung der Republik” erfolgte, ist entsprechend dem weiten Verständnis dieses Begriffs in der Rechtswirklichkeit der DDR zu beurteilen. Dass die Mauergrundstücke nach jenen Rechtsvorstellungen zu Verteidigungszwecken in Anspruch genommen wurden, wird durch § 28 der Verordnung über die Inanspruchnahme von Leistungen im Interesse der Verteidigung und des Schutzes der Deutschen Demokratischen Republik (Leistungsverordnung) vom 16. August 1963 (GBl DDR II S. 667, ber. S. 783) verdeutlicht.
Auch die Frage, „ob die Enteignung eines Grundstücks, für die nach dem Recht der DDR zwar ein Entschädigungsanspruch bestand, wobei die ehemalige Eigentümerin aber niemals Zugriff auf die Entschädigungssumme nehmen konnte, eine entschädigungslose Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG ist”, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Der genannte Schädigungstatbestand betrifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur solche Enteignungen, deren besonderer Unrechtsgehalt darin liegt, dass nach den maßgebenden Vorschriften der DDR eine Entschädigung generell ausgeschlossen war (vgl. Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 16.93 – BVerwGE 95, 284 ≪286 ff.≫). Hierzu gehören Enteignungen auf der Grundlage von § 10 des Verteidigungsgesetzes nicht, weil nach dieser Vorschrift eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz zu leisten war. Die tatsächliche Entschädigungslosigkeit einer Enteignung im Einzelfall rechtfertigt keinen Anspruch auf Rückgabe des enteigneten Vermögenswerts, sondern nur die Wiedergutmachung des enteignenden Zugriffs auf die Entschädigung. Daran führt auch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vorbei.
Die als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage, ob „die Vorenthaltung einer Entschädigung mit der Begründung, dass die Berechtigte nicht Bürgerin der DDR war, … mit Art. 2, 14 Abs. 1, 26 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vereinbar ist”, würde sich – von allem anderen abgesehen – in dem angestrebten Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil sie einen Sachverhalt voraussetzt, den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Kley, Herbert
Fundstellen