Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen 29 A 311.00) |
Tenor
Der Antrag des Klägers zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerden der Klägerin zu 1, der Kläger zu 2 und 3 sowie der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. Juni 2006 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen einerseits die Kläger als Gesamtschuldner und andererseits die Beigeladene jeweils die Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Kläger begehren die Feststellung ihrer Berechtigung nach dem Vermögensgesetz hinsichtlich eines ca. 1 000 m(2) großen Grundstücks in Berlin-Mitte. Das Grundstück wurde im Jahre 1973 aufgrund des Verteidigungsgesetzes der DDR in Anspruch genommen. Das nahe der Berliner Mauer gelegene Grundstück wurde später nicht für “Verteidigungszwecke”, sondern von dem VEB Baureparaturen genutzt. Das Vermögensamt lehnte die Berechtigtenfeststellung ab.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten verpflichtet, die Berechtigung der Kläger an dem streitgegenständlichen Grundstück zu 50 % festzustellen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Inanspruchnahme der Hälfte des Grundstücks sei vom Verteidigungsgesetz der DDR gedeckt gewesen. Der angegebene Inanspruchnahmezweck sei nicht vorgeschoben gewesen. Die Enteignung des ganzen Grundstücks erweise sich jedoch als willkürlich i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richten sich die Beschwerden der Klägerin zu 1, der Kläger zu 2 und 3 sowie der Beigeladenen. Nach Erhebung und Begründung der Beschwerde der Kläger zu 2 und 3 hat der Kläger zu 2 darüber hinaus Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt.
Entscheidungsgründe
II
1. Dem Kläger zu 2 kann die gewünschte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Die Beschwerde der Kläger zu 2 und 3 kann – wie unter 3. ausgeführt wird – nicht zu der begehrten Zulassung der Revision führen.
2. Die Beschwerde der Klägerin zu 1 ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. a). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. b).
a) Die Klägerin zu 1 hält zunächst folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
“Hat die Unterzeichnung des Grundlagenvertrages am 21.12.1972 zwischen der BRD und der DDR und der dort in Art. 3 vereinbarte Gewaltverzicht und die gegenseitige Anerkennung der Grenzen für die Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG beachtliche Auswirkungen auf die ‘gelebte Rechtswirklichkeit’ in der DDR und den unbestimmten Rechtsbegriff ‘im Interesse der Verteidigung der Republik’ i.S.v. § 10 VertG/DDR i.V.m. Art. 5 DDR/Verf 1949?
Ist nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages am 21.12.1972 zwischen der BRD und der DDR und dem dort in Art. 3 vereinbarten Gewaltverzicht und durch die gegenseitige Anerkennung der Grenzen grundsätzlich von einem Machtmissbrauch i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG bei Enteignungen von Mauergrundstücken auf Grundlage von § 10 VertG/DDR auszugehen, weil die Voraussetzungen für die Anwendung des VertG/DDR gegen die ‘kriegstreibenden westdeutschen Militaristen’ bei der Enteignung von Mauergrundstücken weggefallen sind?
Liegt nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages am 21.12.1972 zwischen der BRD und der DDR und dem dort in Art. 3 vereinbarten Gewaltverzicht und der gegenseitigen Anerkennung der Grenzen ein Wegfall des Enteignungsgrundes für Mauergrundstücke vor?
Ist § 10 des Verteidigungsgesetzes der DDR von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG so auszulegen, wie es die DDR-Gerichte in der Rechtsordnung der DDR unter Berücksichtigung bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen der DDR-Staatsorgane und der bestehenden allgemeinen menschenrechtlichen Grundsätze, darunter insbesondere dem Schutz des Rechts auf Leben angewandt hätten oder kommt es ausschließlich auf die, die allgemeinen menschenrechtlichen Grundsätze verletzende, Staatspraxis der Verteidigung der Republik gegen die eigene Bevölkerung auf den Mauergrundstücken (Grenzregime) an?”
Die Beschwerde stellt damit im Wesentlichen die Frage, ob die Enteignung von Mauergrundstücken – (insbesondere) nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR – eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG ist. Diese Frage kann auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneint werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Enteignungen für die Errichtung von Sperranlagen (Enteignung von “Mauergrundstücken”) auf der Grundlage des § 10 des Verteidigungsgesetzes der DDR von 1961 generell nicht als unlautere Machenschaften i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG anzusehen, auch wenn die Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze und an der Grenze zwischen Berlin (West) und Berlin (Ost) bzw. der DDR “sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes der früheren DDR” waren (vgl. Beschlüsse vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33 und vom 19. Dezember 2001 – BVerwG 8 B 130.01 – ZOV 2002 S. 55). Grund hierfür ist, dass § 1 Abs. 3 VermG nur Unrechtsmaßnahmen erfasst, bei denen die in der DDR geltenden Enteignungsvorschriften im Einzelfall manipulativ angewendet wurden. Ob bei einer Enteignung “alles mit rechten Dingen zugegangen” ist, beurteilt sich danach nach dem in der DDR maßgebenden Rechtsverständnis. An diesem hat sich durch Abschluss des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik und der DDR nichts geändert. Vor und nach Abschluss des Vertrages waren die Sperranlagen Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR. Auch nach Abschluss des Grundlagenvertrages liegt in der Enteignung eines “Mauergrundstücks” jedoch grundsätzlich keine manipulative Anwendung der in der DDR geltenden Enteignungsvorschrift des § 10 des Verteidigungsgesetzes im Einzelfall, da die “gelebte Rechtswirklichkeit” fortbestand. Nach dem Rechtsverständnis der DDR war sie auch nicht durch Besatzungsrecht gehindert, das Verteidigungsgesetz im Ost-Sektor von Berlin anzuwenden.
Weiter hält die Beschwerde folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
“Ist Machtmissbrauch i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen, wenn mit der Enteignung gem. § 10 VertG/DDR lediglich der Abriss eines Gebäudes geplant ist, nicht jedoch die Nutzung des Grundstücks durch einen Bedarfsträger der LeistungsVO und auch nicht die Ausdehnung der Sperranlagen auf das enteignete Grundstück, vielmehr eine weitere Nutzung des Grundstücks durch zivile Einrichtungen der DDR ermöglicht werden soll bzw. rechtlich und faktisch ermöglicht wird?
Ist Machtsmissbrauch i.S.v. § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen, wenn lediglich eine zeitweilige Nutzung i.S.v. § 40 Abs. 1 der Leistungsverordnung vom 16. August 1963 angestrebt, jedoch eine endgültige Enteignung gem. § 10 VertG/DDR vollzogen wird?”
Beide Fragen sind im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat weder festgestellt, dass die Nutzung des Grundstücks durch einen Bedarfsträger der Leistungsverordnung und die Ausdehnung der Sperranlagen nicht geplant war noch dass lediglich eine zeitweilige Nutzung im Sinne der Leistungsverordnung angestrebt wurde. Im Übrigen wären die Fragen aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend zu bejahen. Danach erfüllen willkürliche Enteignungen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6, S. 22 ≪27≫).
b) Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Danach ist das Gericht zwar verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägungen einzubeziehen (BVerfGE 69, 233 ≪246≫). Es ist jedoch nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfGE 51, 126 ≪129≫).
Zur Frage, ob die Enteignung von “Mauergrundstücken” eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG darstellt, ist das Verwaltungsgericht von der – auch den Beteiligten bekannten – ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen. Da es – wie oben ausgeführt – nach dieser Rechtsprechung erkennbar nicht darauf ankommt, ob eine derartige Enteignung vor oder nach Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR erfolgte, bedurfte es keines Eingehens im Urteil auf den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin zu 1.
Das Verwaltungsgericht hat auch seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts kam es erkennbar nicht darauf an, ob die Öffnung der S…brücke und des grenznahen Straßenabschnitts entlang der F… Straße bis zur K… Straße erfolgt ist. Deswegen musste das Gericht den Sachverhalt insoweit nicht weiter aufklären.
Soweit in der umfangreichen Beschwerdebegründung darüber hinaus mehrfach ausgeführt wird, das Verwaltungsgericht habe etwas ermitteln müssen, wird eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat schließlich den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt:
Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Schreiben der Nationalen Volksarmee vom 30. August 1967 (Beiakten III Bl. 92 f.) sind nicht aktenwidrig. Im Tatbestand des Urteils (UA S. 3) wird der Inhalt des Schreibens zutreffend wiedergegeben. In den Entscheidungsgründen wird dieses Schreiben dann wie folgt gewürdigt: Dieses Schreiben stehe der Annahme des Fortbestehens der Absichten der Grenztruppen, das auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindliche Gebäude abzureißen und das Grundstück teilweise für die Verbreiterung des “Grenzsicherungsstreifens” zu nutzen, nicht entgegen. Zwar heiße es in dem Schreiben, dass der Grenzabschnitt im maßgeblichen Bereich voll ausgebaut und eine einwandfreie Sicherung der Staatsgrenze gewährleistet sei. Jedoch werde auch mehrfach ausgeführt, dass der Bereich aufgrund der geringen Tiefe des Grenzgebiets grundsätzlich als problematisch angesehen worden sei. Letztlich sei eben wegen dieser geringen Tiefe eine Öffnung der S…brücke und der F… Straße kategorisch abgelehnt worden. Dies sei auch der einzige Anlass dieses Schreibens, das sich also nicht ausdrücklich zu den Planungen aus dem Jahre 1964 verhalte (UA S. 10 f.). Soweit das Verwaltungsgericht meint, in dem Schreiben werde der Bereich aufgrund der geringen Tiefe des Grenzgebiets grundsätzlich als problematisch angesehen, handelt es sich somit um eine Würdigung des Inhalts des Schreibens im Rahmen der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung und nicht um ein aktenwidriges Fehlzitat.
Aktenwidrig sind auch nicht die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Protokoll der Nationalen Volksarmee über die Grenzbegehung am 27. Juli 1964 (Beiakten III Bl. 98 f.). Im Tatbestand des Urteils (UA S. 3) wird der Inhalt des Protokolls zutreffend wiedergegeben. In den Gründen seiner Entscheidung ist das Verwaltungsgericht dann zu folgendem Ergebnis gelangt: Aus den Archivbeständen der Nationalen Volksarmee ergebe sich, dass 1964 der Abriss des auf dem Streitgrundstück stehenden Produktionsgebäudes im Zusammenhang mit der Verbreiterung des “Grenzsicherungsstreifens” in diesem Bereich vorgesehen gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem Protokoll vom 4. August 1964 sowie aus einem ebenfalls aus dem Jahre 1964 stammenden Plan (Beiakten III Bl. 89). Dass eine Verbreiterung des Grenzsicherungsstreifens geplant war, hat das Gericht damit – entgegen dem Vortrag der Beschwerde – nicht allein aus dem Protokoll geschlossen, sondern auch aus dem genannten Plan, aus dessen zeichnerischen Darstellungen sich dies entnehmen lässt.
Soweit die Beschwerde im Übrigen das verwaltungsgerichtliche Urteil – insbesondere die darin vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung – kritisiert – wird kein Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
3. Die Beschwerde der Kläger zu 2 und 3 ist ebenfalls unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Es hat nicht gegen Denkgesetze verstoßen. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der Beschwerdeführer unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫). Davon kann hier keine Rede sein.
Aus dem Schreiben der Nationalen Volksarmee vom 30. August 1967 ist nicht aus Gründen der Logik zwingend zu folgern, dass die im Jahre 1964 bestehende Absicht, das Produktionsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück abzureißen und den Grenzstreifen zu verbreitern, aufgegeben worden war. Auf die Ausführungen oben unter 2b) wird verwiesen. Auch ergibt sich nicht aus Gründen der Logik, dass eine mit Schreiben vom 21. August 1974 abgegebene Stellungnahme einen (langen) Bearbeitungsvorlauf haben muss, so dass daraus zu schließen ist, bereits im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Grundstücks (Januar 1973) hätten diesem Schreiben entsprechende Planungen bestanden. Gleiches gilt für die von der Beschwerde genannte Stellungnahme vom Oktober 1973. Weiter muss daraus, dass die Deutsche Post das Grundstück als Kohlenlagerplatz genutzt hat, nicht aus Gründen der Logik geschlossen werden, es habe keine Planung bestanden, das Grundstück für die “Sicherung” der Staatsgrenze in Anspruch zu nehmen. Ebenso wenig muss aus Gründen der Logik die Anforderung eines Wertgutachtens zur Inanspruchnahme des Grundstücks zu “Aufbauzwecken” als Beleg dafür gewertet werden, dass die Inanspruchnahme nach dem Verteidigungsgesetz vorgeschoben war. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend begründet. Soweit das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht darauf abgestellt hat, dass zu DDR-Zeiten kein Entschädigungsverfahren durchgeführt wurde, ist dies ebenfalls nicht denkgesetzwidrig.
b) Das Verwaltungsgericht hat auch den Anspruch der Kläger zu 2 und 3 auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Das Urteil ist kein Überraschungsurteil. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, den Beteiligten vor der Entscheidung seine rechtliche Sicht und seine tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung darzulegen (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 13. Dezember 1988 – BVerwG 3 B 43.87 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 89 S. 15/16). Im Übrigen geht der in diesem Zusammenhang erneuerte Vorwurf der Beschwerde, die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts sei mit den Denkgesetzen nicht vereinbar, wie oben ausgeführt, fehl.
4. Auch die Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet. Das angegriffene Urteil weicht nicht von einer der in der Beschwerde erwähnten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vgl. a). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. b).
a) Eine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Dies ist nicht der Fall.
Die angefochtene Entscheidung weicht nicht ab von dem Beschluss vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33). In diesem Beschluss führt der Senat aus, § 10 Abs. 1 Satz 1 des Verteidigungsgesetzes der DDR habe Enteignungen im “Interesse der Verteidigung der Republik” zugelassen. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs sei die seinerzeit in der DDR herrschende Rechtsanschauung zugrunde zu legen. Danach sei dieser Begriff weit verstanden worden. Einen davon abweichenden Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es hat vielmehr kein – auch noch so weit zu verstehendes – Verteidigungsinteresse erkennen können, das auch die Inanspruchnahme des vorderen Grundstücksteils hätte rechtfertigen können.
Das Verwaltungsgericht weicht auch nicht ab von den Urteilen vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6) und vom 29. Februar 1996 – BVerwG 7 C 59.94 – (BVerwGE 100, 310). Vielmehr geht es zunächst aus von den in diesen Urteilen (und allgemein in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) enthaltenen Rechtssätzen, wonach eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG anzunehmen ist, wenn im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise gegen die Rechtsordnung der DDR verstoßen wurde, woran es fehlt, wenn bei dem Erwerbsvorgang – gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorstellungen und den sie tragenden ideologischen Grundsätzen – alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Anschließend hat es weiter geprüft, unter welchen Voraussetzungen die umfassende Enteignung eines Flurstücks, das nur teilweise für den Enteignungszweck benötigt wurde, als unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist. Dieser Prüfung hat es die im Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – (a.a.O.) enthaltenen Rechtssätze zugrunde gelegt. Danach ist zu prüfen, ob die für den Enteignungszweck nicht benötigte Teilfläche noch in sinnvoller Weise eigenständig hätte genutzt werden können. Ist dies der Fall, spricht – nach dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – alles dafür, dass dem erkennbar durch keine rechtliche Vorschrift gedeckten Zugriff sachfremde Motive zugrunde lagen.
Von diesen beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweichende Rechtssätze hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Selbst wenn es – wie die Beschwerde meint – eines dieser Urteile fehlerhaft angewandt bzw. danach notwendige Prüfungen unterlassen haben sollte, läge darin lediglich ein Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall, der keine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen kann.
b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde hält – für den Fall, dass eine Divergenz verneint wird – für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
unter welchen Voraussetzungen die Enteignung eines gesamten Grundstücks nach dem Verteidigungsgesetz eine unlautere Machenschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn die im Verteidigungsinteresse stehende Maßnahme auf einem Grundstücksteil, der über den anderen Teil erschlossen wird, vorzunehmen ist.
Diese Frage lässt sich aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die im Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – (a.a.O.) oben genannten, auf Enteignungen nach dem Aufbaugesetz bezogenen Aussagen lassen sich ohne weiteres auf Enteignungen nach dem Verteidigungsgesetz übertragen. Dass “Verteidigungsinteressen” in der DDR weit verstanden wurden, vermag daran nichts zu ändern. Sollten solche Interessen die Inanspruchnahme eines gesamten Grundstücks erfordert haben, stellt sich die Frage, ob die Enteignung einer für den Enteignungszweck nicht benötigten Teilfläche eine unlautere Machenschaft darstellt, nicht mehr. Soweit die Beschwerde auf einen Grundstücksteil, der über einen anderen Teil erschlossen wird, abstellt, kommt es darauf an, ob deswegen ein “Verteidigungsinteresse” für die Inanspruchnahme des gesamten Grundstücks nach den Vorstellungen in der DDR bestanden hat. Letzteres lässt sich nur im Einzelfall und nicht durch Auslegung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) beantworten.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen