Verfahrensgang
VG Berlin (Aktenzeichen 31 A 456.99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 400 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne der genannten Bestimmung ist eine Rechtssache nur dann, wenn in einem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlichen ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Klärungsbedürftige Fragen in diesem Sinne hat die Beschwerde nicht gestellt. Vielmehr lassen sich die von der Beschwerde aufgeworfenen vier Fragen, die sich auf etwaige Machtmissbräuche im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG im Zusammenhang mit dem Verkauf eines an der Grenze zu den ehemaligen Westsektoren liegenden Grundstücks („Mauergrundstück”) beziehen und dabei auch nach den Auswirkungen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der DDR zu einer widersinnigen und ungesetzlichen Rechtsanwendung und zum Einfluss der Entscheidung des EGMR in den Sachen Streletz, Kessler und Krenz (VIZ 2001, 305) Stellung nehmen, anhand der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, die das Verwaltungsgericht im Übrigen seinem Urteil zugrunde gelegt hat.
Nach dieser ständigen Rechtsprechung sind Enteignungen für die Errichtung der Sperranlagen auf der Grundlage des § 10 des Verteidigungsgesetzes von 1961 generell nicht als unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen, auch wenn die Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze und an der Grenze zwischen Berlin (West) und Berlin (Ost) bzw. der DDR „sinnfälliger Ausdruck des Unrechtsregimes in der früheren DDR” waren (Beschluss vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33 m.w.N.). In dieser Entscheidung hat der 7. Senat auch zur rückwirkenden Geltung des Verteidigungsgesetzes in Berlin (Ost) und zum weit zu verstehenden Begriff der Verteidigungsinteressen im Sinne des § 28 der Verordnung über die Inanspruchnahme von Leistungen im Interesse der Verteidigung und des Schutzes der Deutschen Demokratischen Republik – Leistungsverordnung – vom 16. August 1963 abschließend Stellung genommen. Das gleiche gilt, wenn ein „Mauergrundstück” zwangsverkauft worden ist, um einer drohenden Enteignung nach § 10 Abs. 1 des Verteidigungsgesetzes der DDR zuvorzukommen (vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 349). Davon ist das Verwaltungsgericht hier zutreffend ausgegangen. Die Veräußerung eines solchen Grundstücks im Vorfeld der Enteignung war ebenfalls von der Rechtsordnung der DDR – nach der Auslegung, die sie in der Rechtspraxis der DDR gefunden hat, – gedeckt (Urteil vom 26. Juni 1997, a.a.O., S. 353). Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der DDR zu „widersinnigen und ungesetzlichen Maßnahmen” (vgl. OG der DDR ≪ZOV 2001, 72≫) bezieht sich von vornherein schon nicht auf das Verteidigungsgesetz der DDR, sondern auf eine Bestimmung der DDR-Disziplinarordnung vom 10. März 1955. Eine etwaige Auslegung des Verteidigungsgesetzes in einem für den Kläger günstigen Sinne liegt damit nicht vor. Es kann nicht erheblich sein, wie das OG der DDR hypothetisch unter Zugrundelegung seiner zu anderen Rechtsgebieten ergangenen Rechtsprechung im Falle einer Überprüfung einer auf das Verteidigungsgesetz gestützten Maßnahme wie vorliegend entschieden hätte. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, wie damals in der DDR das Verteidigungsgesetz in der gelebten Rechtswirklichkeit verstanden und angewandt wurde. Dies ist in einer solchen Weise geschehen, dass damit nicht generell unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG verbunden waren. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht eine derartige „Korrektur-Rechtsprechung” des Obersten Gerichtshofes der DDR bezüglich des Verteidigungsgesetzes im hier betroffenen Bereich nicht festgestellt. Diese Feststellung ist nicht seitens der Beschwerde mit Verfahrensrügen angegriffen worden.
Auch das Urteil des EGMR in der Sache Streletz, Kessler und Krenz (VIZ 2001, 305) kann keinen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den „Mauergrundstücken” mit sich bringen. Das Urteil verhält sich von vornherein nicht zu der Frage, ob die auf § 10 des Verteidigungsgesetzes gestützten Verwaltungs- und Enteignungsmaßnahmen mit den Bestimmungen der europäischen Menschenrechtskommission in Einklang stehen oder nicht. Das Urteil des EGMR bezieht sich vielmehr allein auf die Frage, ob die nachträglich strafrechtliche Verurteilung der genannten Personen gegen das in Art. 7 I EGMRK niedergelegte Rückwirkungsverbot verstoßen und inwieweit die hier nicht einschlägigen Art. 1 und 2 II EGMRK (Schutz der Freizügigkeit und Rechtsschutzgebot) im Falle einer nachträglichen Verurteilung durch deutsche Strafgerichte betroffen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14, 13 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer
Fundstellen