Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 31.03.2014; Aktenzeichen 4 Bf 233/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. März 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 634 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 – BVerwG 7 B 45.10 – juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob das Ausfertigungserfordernis als Ausprägung des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) zur Gewährleistung einer angemessenen Identitätskontrolle – im Sinne einer bundesrechtlichen Mindestanforderung unabhängig von einer landesrechtlichen Konkretisierung – vorgibt, dass die Identitätsprüfung beurkundet wird.
Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, denn sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten. Die Anforderungen an die Ausfertigung von Landesrecht ergeben sich bei Fehlen einfachgesetzlicher Vorschriften des Bundesrechts für den jeweiligen Rechtsbereich in erster Linie aus landesrechtlichen und damit irrevisiblen Vorschriften. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf Bebauungspläne entschieden und gilt auch für sonstiges Landesrecht (vgl. Beschluss vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204 ≪208≫ = Buchholz 406.11 § 12 BBauG/BauGB Nr. 18). Dass Art. 82 Abs. 1 GG dabei keinen allgemein gültigen Maßstab für Normausfertigungen enthält, ist ebenfalls geklärt (vgl. Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 6 C 5.01, 1 C 19.00 – juris Rn. 17). Allerdings muss nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen. Das danach in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG für die Länder geltende Rechtsstaatsprinzip enthält zwar keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf der Konkretisierung durch die verfassungsrechtlich zuständigen Organe. Dabei müssen aber fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben. Das Rechtsstaatsgebot verlangt die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen (sog. „Identitätsfunktion”, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion”; vgl. Urteile vom 1. Juli 2010 – BVerwG 4 C 4.08 – BVerwGE 137, 247 Rn. 13 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 381 und vom 5. Februar 2009 – BVerwG 7 CN 1.08 – Buchholz 406.400 § 23 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 23, Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O., vom 9. Mai 1996 – BVerwG 4 B 60.96 – Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 = juris Rn. 3 und vom 27. Januar 1998 – BVerwG 4 NB 3.97 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 = juris Rn. 16), nicht jedoch die Bestätigung der Legalität des Normsetzungsverfahrens („Legalitätsfunktion”; vgl. Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 208 f., vom 27. Januar 1998 a.a.O. S. 16 und vom 25. Juli 2000 – BVerwG 6 B 38.00 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 399 = juris Rn. 3; Urteil vom 16. Dezember 1993 – BVerwG 4 C 22.92 – Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 52 S. 20 f. = juris Rn. 18). Aus dieser Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion folgt, dass geprüft werden muss, ob die zu verkündende Fassung der Rechtsnorm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung der Norm übereinstimmt; es muss erkennbar sein, dass der Normgeber die ihm obliegende Prüfung vorgenommen hat (Urteil vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15). Die Identität des Normtextes mit dem vom Normgeber Beschlossenen wird dabei durch seine Ausfertigung bestätigt (Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O., vom 27. Januar 1998 a.a.O., vom 25. Juli 2000 a.a.O. und vom 21. Dezember 2011 – BVerwG 8 B 72.11 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 33 Rn. 6). Folglich genügt etwa das bloße Herstellen einer gedruckten Fassung einer Rechtsnorm als Ausfertigung nicht (Urteil vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15). Weiteres, insbesondere zu Art und Weise der Prüfung und ihrer Beurkundung, also – so ist zu ergänzen – des (geeigneten) Nachweises, dass diese Identitätsprüfung stattgefunden hat, gibt das Bundesrecht, insbesondere das Bundesverfassungsrecht, indessen nicht vor (Urteile vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15 und vom 16. Dezember 1993 a.a.O.; Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 209, vom 9. Mai 1996 a.a.O. und vom 27. Januar 1998 a.a.O.). So verlangt es z.B. nicht, dass ausdrücklich der Begriff „ausgefertigt” oder „Ausfertigung” verwendet wird (Beschluss vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 4 BN 46.98 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 40 = juris Rn. 5). Es lässt – auch hinsichtlich des jeweiligen Normtypus – zudem Unterschiede zu, denn die Regeln über Art, Inhalt und Umfang der Ausfertigung gehören grundsätzlich dem (irrevisiblen) Landesrecht an (s.o. sowie Urteil vom 16. Dezember 1993 a.a.O., Beschluss vom 16. Mai 1991 a.a.O.). Bundesrecht „wacht” lediglich darüber, ob das Landesrecht überhaupt eine angemessene Kontrolle der Authentizität ermöglicht. Näheres entscheidet aber abschließend der Landesgesetzgeber (Beschluss vom 8. Mai 1995 – BVerwG 4 NB 16.95 – NVwZ 1996, 372, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 1 = juris Rn. 6). Das gilt auch für die Frage, ob vom Normgeber eine Urschrift hergestellt und auf dieser durch Unterschrift bestätigt werden muss, dass der Inhalt der Urkunde so vom Normgeber beschlossen worden ist. Insofern hat der Senat bereits betont, dass es jedenfalls vor dem Hintergrund des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots auch ausreichend sein kann, dass der Satzungsbeschluss schriftlich fixiert und vom Bürgermeister unterschrieben ist, also gerade keine einheitliche (Original-)Urkunde hergestellt wird (Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 209 und vom 27. Oktober 1998 a.a.O.). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerin legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) abweicht.
Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 und vom 13. Juli 1999 – BVerwG 8 B 166.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Klägerin entnimmt dem Urteil vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) den Rechtssatz, „dass im Rahmen der Ausfertigung geprüft werden muss, ob die zu verkündende Fassung der Norm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung der Norm übereinstimmt, weiter, dass erkennbar sein muss, dass der Normgeber die ihm obliegende Prüfung vorgenommen hat, und schließlich, dass die Vornahme der Identitätsprüfung beurkundet wird”. Es kann offen bleiben, ob die Beschwerde damit die Ausführungen des Senats im Urteil vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) zutreffend wiedergibt, denn sie legt jedenfalls nicht substantiiert dar, dass das Oberverwaltungsgericht dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Gefolgschaft verweigert hätte (vgl. UA S. 11 ff.). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch das zur Anwendung gelangte Normsetzungsverfahren, das der ständigen Praxis des Senats der Beklagten beim Erlass von Rechtsverordnungen entspreche, sei hinreichend gewährleistet worden, dass der in der Ausgabe des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatts vom 19. April 1982 (S. 69) veröffentlichte Normtext dem Normsetzungsbeschluss des Senats der Beklagten vom 6. April 1982 entsprochen habe (UA S. 14 unten). Dabei sei das Normsetzungsverfahren in seiner Gesamtheit – von der Vorbereitung der Beschlussfassung über die Beschlussfassung durch den Senat der Beklagten, die Protokollierung dieser Beschlussfassung, das anschließende Herstellen einer konsolidierten Textfassung bis hin zu dem Anbringen des Vermerks „Gegeben in der Versammlung des Senats (…)” – in den Blick zu nehmen. Denn dass der verfassungsrechtlich gebotene „Ausfertigungsmindeststandard” gewährleistet sei, erschließe sich gerade aufgrund einer Gesamtschau des Normsetzungsverfahrens (UA S. 15).
Soweit die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht (sinngemäß) eine fehlerhafte Subsumtion des Urteils vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) vorhält, ist dies für die Beurteilung der Divergenzrüge ohne Belang, denn der Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht erfüllt, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
3. Schließlich liegen auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor.
Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschlüsse vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 und vom 19. August 1997 a.a.O.). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist dabei vom materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪119≫; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 – BVerwG 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 ≪449≫ = juris Rn. 21, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 und vom 20. Dezember 2010 – BVerwG 5 B 38.10 – juris Rn. 18).
a) Die Beschwerde ist der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, indem es die näheren Umstände des Verfahrens nach Beschlussfassung durch den Senat der Beklagten bis zur Bekanntmachung des Verordnungstextes nicht aufgeklärt habe; ferner habe es nicht aufgeklärt, ob die Ausfertigung zu denjenigen Angelegenheiten gehöre, die auf Angestellte und Beamte übertragen werden können. Auf diesen Verfahrensfehler könne sich die Klägerin noch berufen, denn sie sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht anwaltlich vertreten gewesen, was dem Gericht bekannt gewesen sei; dieses hätte daher nicht am Tag der mündlichen Verhandlung über das Verfahren „überraschend” entscheiden dürfen.
Ein Aufklärungsmangel ist hiermit nicht dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen (Beschluss vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – juris Rn. 3, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr; vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223 f.≫ insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 448.0 § 17 WPflG Nr. 7; Beschluss vom 10. Oktober 2001 – BVerwG 9 BN 2.01 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 7 S. 10 f.). Dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung anwaltlich nicht vertreten war und deshalb keinen Beweisantrag stellen konnte (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO), ändert hieran nichts, denn es war ihre eigene Entscheidung, auf einen solchen Beistand zu verzichten (siehe Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 22. März 2014 an das Oberverwaltungsgericht). Das gilt umso mehr, als das Berufungsgericht ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 24. Februar 2014 und vom 4. März 2014 mitgeteilt hatte, dass der Senat beabsichtige, die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung auf die Wirksamkeit der gegenständlichen Rechtsverordnungen und gegebenenfalls die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu beschränken.
b) Die Beschwerde erblickt einen Verfahrensfehler darin, dass das Berufungsgericht die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen hat. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen nicht vor; zumindest sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft. Dem ist nicht zu folgen.
Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darf das Oberverwaltungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, nur zurückverweisen, wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Unmittelbar werden damit Fälle erfasst, in denen das Verwaltungsgericht keine Sachentscheidung über einen Streitgegenstandsteil getroffen hat, sei es, dass das Gericht ein Prozessurteil erlassen oder aus anderen Gründen (wie Fehldeutung des Klageziels) das Klagebegehren nicht oder nur teilweise beschieden hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings eine sinngemäße Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO anerkannt, wenn das Verwaltungsgericht zum eigentlichen Gegenstand des Streites deshalb nicht vorgedrungen ist, weil es in einer rechtlichen Vorfrage die Weiche falsch gestellt und sich infolgedessen den Zugang zum Kern des Streites versperrt hat (Urteile vom 26. Mai 1971 – BVerwG 6 C 39.68 – BVerwGE 38, 139 ≪146≫ = Buchholz 232 § 86 BBG Nr. 3 und vom 26. Januar 2012 – BVerwG 3 C 8.11 – Buchholz 442.16 § 29 StVZO Nr. 1 = juris Rn. 18; Beschluss vom 27. November 1981 – BVerwG 8 B 189.81 – NVwZ 1982, 500 = Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 44). Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil das Verwaltungsgericht – aus der Sicht des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft – von der Unwirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Satzungen ausgegangen ist und damit u.a. die von ihm selbst problematisierte Frage, ob die von der Beklagten durchgeführte Wertermittlung zutreffend ist, nicht mehr klären musste. Aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts war die Sache damit auch noch nicht entscheidungsreif (zu diesem Erfordernis siehe etwa Beschluss vom 22. November 2007 – BVerwG 9 B 52.07 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 42 Rn. 4), eine weitere Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht daher erforderlich (UA S. 19). Letztlich hatte die Beklagte die Zurückverweisung beantragt.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Das gerichtliche Ermessen des Berufungsgerichts ist vom Bundesverwaltungsgericht nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat (stRspr; z.B. Urteile vom 7. November 1962 – BVerwG 5 C 144.62 – BVerwGE 15, 114 ≪118 f.≫, vom 29. Januar 1964 – BVerwG 6 C 6.61 – VerwRspr 16 S. 767 und vom 12. November 1970 – BVerwG 2 C 42.69 – Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 5; Beschlüsse vom 4. April 1963 – BVerwG 6 ER 200.62 – Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 2 = DÖV 1963, 517 und vom 25. September 1978 – BVerwG 4 B 77.78 – Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 7). Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung zum einen mit prozessökonomischen Erwägungen (keine Verfahrensbeschleunigung, zumal sich das Verwaltungsgericht in zahlreichen Verfahren bereits mit sanierungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Sanierungsgebiet Altona-Altstadt S 2 ≪Chemnitzstraße≫ befasst habe), zum anderen damit begründet, dass sich zahlreiche (Rechts- und Tatsachen-)Fragen dieses Sanierungsgebiet betreffend in einer Reihe von Verfahren in vergleichbarer Weise stellen würden, weshalb eine rechtliche Überprüfung in zwei Instanzen geboten erscheine (UA S. 19). Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Decker
Fundstellen