Verfahrensgang
VG Wiesbaden (Aktenzeichen 7 E 1017/99 (V)) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 24. April 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf die Verfahrens- (1.), Abweichungs- (2.) und Grundsatzrüge (3.) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt weder in einer fehlenden Sachaufklärung wegen Ablehnung eines Beweisantrages (a) noch in einem Verstoß gegen Aufklärungspflichten (§ 86 Abs. 1 VwGO) wegen fehlender eigener Sachkunde (b) noch in einem „Aktenirrtum” (§§ 86, 108 VwGO) wegen Annahme eines unzutreffenden Sachverhaltes (c).
a) Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung Beweiserhebung beantragt über seine Behauptung, dass wegen des so genannten A-tibialis-Anterior-Syndroms an beiden Füßen eine ihn erheblich beeinträchtigende Schmerzsymptomatik bei schnellem Gehen/Laufen ab ca. 400 bis 500 m Wegstrecke bestehe, dass diese Symptomatik dann schon wesentlich früher eintrete, wenn eine Gewichtsbelastung durch schwere Kleidung und Gepäck hinzukomme, und dass bei häufigem Hervorrufen solcher Schmerzen diese auch schon bei jeder normalen Bewegung durch Gehen entstehe und wahrscheinlich zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung und -gefährdung führe, sodass er in seiner Leistungsfähigkeit dauernd und wesentlich beeinträchtigt sei im Sinne der Fehlerziffer VI/79 nach der ZDv46/1. Dies solle erwiesen werden „durch 1. sachverständiges Zeugnis von Herr Dr. F., 2. Sachverständigengutachten.”
Das Verwaltungsgericht hat die Vernehmung von Dr. F. als Zeugen wegen Untauglichkeit des Beweismittels durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung abgelehnt, weil es sich um subjektive Empfindungen des Klägers handele, die klinisch nicht objektivierbar seien, und weil eine weitere Stellungnahme des Arztes seit der Untersuchung im Januar 2001 durchaus hätte vorgelegt werden können. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens scheide analog § 244 Abs. 4 StPO aus, weil durch die Fülle der fachärztlichen Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache erwiesen sei; eine periphere arterielle Verschlusskrankheit sei nämlich auszuschließen und klinisch-neurologisch objektivierbare pathologische Befunde in Richtung der vorgetragenen Schmerzen lägen nicht vor. Ebenso wenig bestehe eine dauernde Leistungsbeeinträchtigung, da sich erst bei einer weiteren Gewichtsreduktion des Klägers unter den so genannten Oberen Richtwert von 103 kg ergeben werde, ob die nicht objektivierbaren Schmerzen im Gehapparat noch bestünden.
Die Beschwerde rügt, dass durch die vom Kläger genannten Beweismittel hätte nachgewiesen werden können, dass die allgemeine Leistungsfähigkeit des Klägers dauernd und wesentlich beeinträchtigt sei und somit die Voraussetzungen der Fehlerziffer VI/79 der ZDv46/1 vorlägen. Das Verwaltungsgericht war jedoch nicht verpflichtet, dem Beweisantrag des Klägers ganz oder teilweise zu entsprechen.
aa) Soweit die Beschwerde die unterbliebene Vernehmung des Facharztes Dr. F. als sachverständigen Zeugen beanstandet, trägt sie nicht hinreichend dem Unterschied zwischen dem Beweis durch „sachverständige Zeugen” (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 414 ZPO) und dem Beweis durch „Sachverständige” (§ 98 VwGO in Verbindung mit §§ 402 ff. ZPO) Rechnung. Dieser Unterschied ist jedoch bedeutsam für die Beantwortung der Frage, ob das Verwaltungsgericht dem Beweisantrag entsprechen musste.
Auf den sachverständigen Zeugen finden die Vorschriften über den Zeugenbeweis Anwendung (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 414 ZPO). Die beantragte Vernehmung von Zeugen darf grundsätzlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, das Gegenteil der unter Beweis gestellten Behauptung sei bereits bewiesen. Aus § 86 Abs. 1 VwGO, wonach dem Tatsachengericht eine umfassende Pflicht obliegt, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, folgt vielmehr zugleich, dass Beweisanträge grundsätzlich nur abgelehnt werden dürfen, wenn das vom Antragsteller angebotene Beweismittel schlechterdings untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann muss der (Zeugen-)Beweis antragsgemäß erhoben werden (m.w.N. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1).
Für die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens, namentlich eines weiteren Gutachtens, gilt dieser Grundsatz hingegen nicht. Die Auswahl der zuzuziehenden gerichtlichen Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht, das sich insbesondere auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken kann (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 404 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO). Die Entscheidung darüber, ob ein – weiteres – Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines – weiteren – Gutachtens oder eines Obergutachtens absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Der „Sachverständige” begutachtet als „Gehilfe” des Richters einen grundsätzlich vom Gericht festzustellenden (Mindest-)Sachverhalt aufgrund seiner besonderen Sachkunde auf einem Fachgebiet. Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht besondere Erfahrungssätze oder Kenntnisse des jeweiligen Fachgebietes zu vermitteln und/oder aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen. Reicht ein bereits eingeholtes Gutachten aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig beurteilen zu können, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens oder Obergutachtens weder notwendig noch veranlasst (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 – a.a.O.).
Der sachverständige Zeuge ist demgegenüber ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat. Kennzeichnend für den sachverständigen Zeugen ist es, dass er „unersetzbar” ist, da er (nur) von ihm selbst wahrgenommene „vergangene” Tatsachen bekundet (§ 414 ZPO), während ein Sachverständiger in aller Regel gegen einen anderen gleichermaßen Sachkundigen ausgewechselt werden kann. Dieser Abgrenzung entsprechend ist ein Arzt sachverständiger Zeuge, wenn er über einen bestimmten, von ihm selbst ohne einen Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag festgestellten Krankheitszustand (Befund) eines von ihm ärztlich untersuchten Patienten aussagt. Der Arzt ist hingegen (sachverständiger) Zeuge und Sachverständiger, wenn er zugleich die Auswirkungen der Krankheit aufgrund seiner besonderen (fach-)ärztlichen Sachkunde beurteilt (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 – a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hätte demnach Dr. F. als sachverständigen Zeugen nur über diejenigen Wahrnehmungen vernehmen können, die er anlässlich der ärztlichen Untersuchungen des Klägers in den Jahren 2000 und 2001 gemacht hat. Der Kläger hat aber gerade nicht beantragt, den Arzt als sachkundige Person zum „Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände” zu vernehmen. Er hat ihn vielmehr für ein Beweisthema benannt, für das nach der Prozessordnung richtigerweise nur ein Sachverständiger als zulässiges Beweisthema in Betracht kam, nämlich die Wertung, ob festgestellte Tatsachen als ein bestimmter Krankheitszustand anzusehen sind. Auch die Beschwerdebegründung legt nicht durch Bezeichnung der in das Wissen des sachverständigen Zeugen Dr. F. gestellten einzelnen (vergangenen) Tatsachen oder Zustände dar, dass der sachverständige Zeuge zu Bekundungen des in § 414 ZPO bezeichneten Inhalts in der Lage gewesen sei. Die Beschwerde macht vielmehr sinngemäß geltend, bei Einvernahme des sachverständigen Zeugen Dr. F. hätte sich ergeben, dass der Kläger die Voraussetzungen der Fehlerziffer VI/79 ZDv46/1 erfülle und somit nicht wehrdienstfähig sei. Was die objektivierbaren Feststellungen im Gutachten von Dr. F. vom 30. Mai 2000 angeht, so hat das Verwaltungsgericht diese ausdrücklich als zutreffend unterstellt.
bb) Das Berufungsgericht hat seine Aufklärungspflicht auch nicht dadurch verletzt, dass es den weiteren Beweisantrag des Klägers, ein (zusätzliches) Sachverständigengutachten einzuholen, abgelehnt hat. Die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens im Wehrheranziehungsverfahren ist in aller Regel nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das bereits vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht, wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn es sich um besonders schwierige (medizinische) Fragen handelt, die umstritten sind oder zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 – a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Entscheidungsfindung auf die unterschiedlichen vom Kläger selbst und von der Beklagten vorgelegten ärztlichen Gutachten gestützt, die sich im Ergebnis widerspruchsfrei zusammenfügen, weshalb keine Notwendigkeit bestand, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu entsprechen:
Bei der auf seinen Widerspruch gegen den angefochtenen Einberufungsbescheid veranlassten ärztlichen Überprüfung im Bundeswehrzentralkrankenhaus stellte Dr. H. bereits am 29. März 1999 fest: „Von der jetzigen Verlaufsbeobachtung und den hier erhobenen Untersuchungsbefunden ergaben sich keine krankheitswertigen Auffälligkeiten. Andererseits werden die belastungsabhängigen Schmerzen und Beschwerden hier glaubhaft vorgetragen, sodass die Verdachtsdiagnose eines chronisch intermittierenden Tibialis anterior-Syndroms durchaus bestehen kann, dagegen sprechen nicht unauffällige neurologische und elektroneurographische Befunde. Herr R. berichtet hier ebenso glaubhaft, dass er zur Schmerzvermeidung größere Gehstrecken meide und somit gut zurecht komme. … Im Rahmen einer Grunduntersuchung wäre die Vergabe der Fehlerziffer IV (vier)/79 gemäß ZDv46/1 zu empfehlen.”
Zu keinem anderen medizinischen Ergebnis kam das vom Kläger selbst veranlasste Gutachten von Dr. F. vom 30. Mai 2000: „Diagnosen: Intermittierendes A.-tibialis-Anterio-Syndrom beiderseits.” … „Beurteilung: Klinisch neurologisch und elektroneurographisch ergeben sich keine richtungsweisenden pathologischen Befunde. … Ich habe Herrn R. zu einer weiteren gefäßchirurgischen Diagnostik überwiesen.” Eine Aussage, der Kläger sei wehrtauglich, enthält es nicht.
Der daraufhin vom Kläger veranlasste gefäßchirurgische Befundbericht der Praxis für ambulantes Operieren von Dr. D. vom 20. November 2000 schloss eine periphere arterielle Verschlusskrankheit aus: „Diagnose: Ausschluss einer pAVK beider Beine – belastungsabhängige Schmerzen beiderseits prätibial”. „Anamnese: … Eine Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit habe keinen pathologischen Befund erbracht …” „Vorgehen: Da eine angiologische Genese anhand der o.g. Untersuchungen ausgeschlossen werden kann, ist eine weitere neurologische bzw. orthopädische Abklärung empfehlenswert.” Eine Tauglichkeitsaussage enthielt der Befundbericht ebenfalls nicht.
Der ärztliche Dienst der Wehrbereichsverwaltung IV, Dr. F., fasste unter dem 26. Januar 2001 die ihm vorgelegten neuerlichen Gutachten dahingehend zusammen, wegen der vorgetragenen belastungsabhängigen Schmerzen und Beschwerden sei gemäß ZDv46/1 die Fehlerziffer IV/79 vergeben worden, und der Tauglichkeitsgrad bleibe „wehrdienstfähig” mit Einschränkungen in der Grundausbildung und für bestimmte Tätigkeiten (Signierziffer 3).
Auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2001, spätestens bis zum 20. April 2001 weitere ärztliche Befunde zu übermitteln, teilte der Kläger am 19. April 2001 schriftlich mit, eine neuerliche Vorsprache und Untersuchung bei Dr. F. habe ergeben, dass die Diagnose unverändert der am 30. Mai 2000 ausgestellten fachärztlichen Bescheinigung entspreche. Aus Zeitgründen sei es für den vorgenannten Arzt wegen der Osterferien nicht mehr möglich gewesen, eine ärztliche Bescheinigung auszustellen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Befragen des Gerichts bekräftigt, dass das Fortbestehen der Diagnose vom 30. Mai 2000 der Grund dafür gewesen sei, dass Dr. F. keine weitere fachärztliche Bescheinigung ausgestellt habe.
Unter diesen Umständen war das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stattzugeben. Zwar hat es zum Gegenstand des Beweisantrags nicht selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt. Doch hatte die Beklagte im Widerspruchsverfahren den Kläger im Bundeswehrkrankenhaus K. neurologisch untersuchen (vgl. das bereits erwähnte Gutachten von Dr. H. vom 29. Mai 1999) und damit die Anmerkung der ZDv46/1 zu Fehlernummer 79 Rechnung getragen, wonach ab Gradation IV eine neurologische Untersuchung erforderlich ist. Es bedeutet keinen Verfahrensfehler, wenn sich das Verwaltungsgericht im Tauglichkeitsrechtsstreit zur Beurteilung des Gesundheitszustandes des Wehrpflichtigen auf im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten stützt, sofern diese im gerichtlichen Verfahren nicht durch substantiiertes Vorbringen in Frage gestellt werden. In einem solchen Fall ist auch die Ablehnung eines entsprechenden Beweisantrags verfahrensfehlerfrei (Beschluss vom 18. Juni 1999 – BVerwG 6 PKH 1.99 – m.w.N.). Dass hier das von der Beklagten eingeholte neurologische Gutachten durch die nachfolgenden vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen nicht in Frage gestellt werden, wurde vorstehend dargelegt.
b) Das Verwaltungsgericht war auch nicht deswegen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Hinzuziehung eines zusätzlichen Sachverständigen verpflichtet, weil die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen nicht geeignet waren, ihm eine hinreichende Sachkunde zu vermitteln. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht sich nicht eine ihm nicht zu Gebote stehende Sachkunde angemaßt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Zuordnung ärztlich festgestellter körperlicher Fehler oder Leiden zu den Fehlernummern und Gradationen der Tauglichkeisbestimmungen der ZDv46/1 dann nicht ohne besondere medizinische Sachkunde möglich, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall aufgrund des Inhalts der vorhandenen ärztlichen Atteste und Stellungnahmen sowie der medizinischen Erfahrungssätze der ZDv46/1 Anlass zu Abgrenzungszweifeln besteht, die ohne fachkundige Erläuterung nicht ausgeräumt werden können. In solchen Fällen muss das Tatsachengericht in Ermangelung der erforderlichen eigenen besonderen Sachkunde gerichtlichen Sachverständigenbeweis erheben, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt pflichtgemäß vollständig aufzuklären (Beschluss vom 18. Dezember 1998 – BVerwG 6 B 108.98 – Buchholz 448.0 § 8 a WPflG). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht sich auf die fachärztlich begründete Zuordnung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zur ZDv46/1 gestützt, wie sie von den ärztlichen Diensten der Beklagten vorgenommen worden ist. Zu einer zusätzlichen gutachterlichen Aufklärung bestand auch von Amts wegen keine Veranlassung, weil der Kläger während des Verfahrens diesen Zuordnungen nicht fachlich begründet entgegengetreten ist. Die von ihm vorgelegten gutachterlichen Äußerungen von Dr. F. und Dr. D. stehen zu den vorgenannten Gutachten nicht im Widerspruch, enthalten sich aber einer Zuordnung zu dem Tauglichkeitssystem der ZDv46/1. Daher durfte das Verwaltungsgericht seine Überzeugung von der Wehrdienstfähigkeit des Klägers vornehmlich auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Gutachten gewinnen.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung war auch nicht im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht nicht zuverlässig abzuschätzenden Folgen des Übergewichts des Klägers geboten. Das Gericht hat nämlich nicht die Ansicht vertreten, eine Absenkung des Körpergewichts unter 103 kg werde zu einem Verschwinden der Schmerzen führen. Vielmehr hat es, nachdem eine pathologische Ursache der Schmerzzustände aufgrund der vorliegenden Gutachten ausgeschlossen war, einen solchen Verlauf lediglich für denkbar gehalten. Auf eine nähere Aufklärung dieser Möglichkeit kam es aus seiner rechtlichen Sicht nicht an. Im Übrigen kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht die Folgen des Übergewichts auf die Wehrtauglichkeit des Klägers ohne die Hinzuziehung ärztlichen Sachverstands eingeschätzt hätte. Vielmehr hat während des Klageverfahrens eine internistische Untersuchung des Klägers im Bundeswehrkrankenhaus K. stattgefunden (vgl. das Gutachten von Dr. T. vom 16. Oktober 2000). Damit wurde der Anmerkung der ZDv46/1 zu Fehlernummer 2 (Über-/Untergewicht) Rechnung getragen, wonach ab Gradation IV eine internistische Untersuchung erforderlich ist.
c) Schließlich sieht die Beschwerde – in zwei Fällen – einen Verstoß gegen die Grundsätze der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 VwGO) darin, dass der Sachverhalt unzutreffend und im Widerspruch zur Aktenlage ermittelt worden sei (Beschwerdebegründung S. 5 und 6). Zum einen habe sich das Gericht dazu verleiten lassen, die Schmerzzustände des Klägers nur als subjektive Empfindungen anzusehen, die mangels Objektivierbarkeit irrelevant seien und eine Fehlerziffer VI/79 nicht begründen könnten. Zum anderen habe das Gericht mit seinen Ausführungen zum Körpergewicht des Klägers einen aktenwidrigen Sachverhalt angenommen, weil es in der zitierten ärztlichen Stellungnahme aus dem Jahr 1997 ausschließlich um die Wirbelsäulenproblematik gegangen und darauf bezogen eine Gewichtsreduktion empfohlen worden sei.
Die Beschwerde bleibt auch insoweit ohne Erfolg. Das Gericht hat die Schmerzzustände des Klägers keineswegs als irrelevant angesehen, sondern ist – in Übereinstimmung mit der Beklagten – von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit ausgegangen. Es hat lediglich den von der Beschwerde erwünschten Schluss auf die Voraussetzungen der Fehlerziffer VI/79 nicht gezogen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein „aktenwidriges Verhalten”. Vergleichbares trifft auch auf die Einführung des Körpergewichts des Klägers in die Begründungserwägungen des Gerichts zu. Weder die Begründung des Beweisbeschlusses noch diejenige des Urteils entnehmen den ärztlichen Gutachten falsche Tatsachen. Da es an einer Objektivierbarkeit von Ursachen für die vom Kläger glaubhaft geschilderten Schmerzzuständen fehlt, hat das Gericht die Hinweise auf Übergewicht in einzelnen ärztlichen Gutachten lediglich als Anhaltspunkt dafür angesehen, wie die Schmerzempfindungen in einer Belastungssituation erklärt bzw. zukünftig abgebaut werden könnten. Ein Widerspruch zu dem tatsächlichen Inhalt der Akten ergibt sich daraus nicht.
2. Die Abweichungsrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Es werden zwar von der Beschwerde Entscheidungen und Rechtssätze in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts benannt, denen das angegriffene Urteil widerspreche. Es wird aber kein abstrakter Rechtssatz im Urteil des Verwaltungsgerichts benannt, der von einem solchen in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Es handelt sich somit nicht um eine zulässige Abweichungsrüge, sondern um die Behauptung, das Urteil habe in bestimmten Punkten das Recht falsch angewandt. Dies trifft auf den Vortrag, das Gericht habe seine Aufklärungspflichten verletzt ebenso zu wie auf die Behauptung, das Urteil leide an Begründungsmängeln.
3. Ebenso bleibt die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ohne Erfolg.
Ohne grundsätzliche Bedeutung ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „ob auch bei ungeklärter Ursache eine Erkrankung, mithin bei unklarer Diagnose die Gradation VI einer Fehlernummer der ZDv46/1 vergeben werden kann, wenn jedenfalls die Auswirkungen auf einen Wehrpflichtigen im Sinne glaubhaft feststehender Beschwerden, Beeinträchtigungen und Einschränkungen aller Art dergestalt feststehen, dass sie den Schweregrad der Gradation VI und damit einer Wehrdienstunfähigkeit erreichen”. Diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen, wenn die nachgewiesenen Beschwerden die Tauglichkeit ausschließen. Eine dahingehende Feststellung hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht getroffen.
Gleichfalls nicht klärungsbedürftig ist die von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, „ob gerade bei einem subjektiven Beschwerdebild, das diagnostisch nicht eindeutig objektivierbar ist, im Hinblick auf eine Einordnung in eine der Gradationen der Fehlernummern der ZDv46/1 eine besonders intensive Aufklärung durch Beweisaufnahme zu erfolgen hat, wobei sich das Gericht neben der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auch einen persönlichen Eindruck über das Beschwerdebild, dessen Gewichtigkeit und dessen Glaubhaftigkeit zu machen hat durch eingehende Befragung des Klägers und neben der Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch eingehende Befragung des Gutachters im Rahmen der Erläuterung des Gutachtens sowie etwaiger Vernehmung sachverständiger oder sonstiger Zeugen”. Die Anforderungen an die gerichtlichen Ermittlungspflichten im Tauglichkeitsstreit sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, von der auch die vorstehend beschriebene Konstellation erfasst wird. Dasselbe gilt auch im Hinblick auf die weitere, am Ende der Beschwerdebegründung formulierte Grundsatzfrage.
4. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, weil das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts sich jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist. Klagegegenstand ist die bedingte Einberufung des Klägers zum unbefristeten Wehrdienst im Verteidigungsfall nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WPflG. Für diese gilt gemäß § 48 Abs. 2 WPflG die Sondervorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WPflG. Danach ist bei der Einberufung von gedienten Wehrpflichtigen § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 WPflG nicht anzuwenden; als Untersuchung gilt die Einstellungsuntersuchung. Dies bedeutet, dass die Pflicht der Wehrbehörden, den gedienten Wehrpflichtigen vor der Einberufung ärztlich untersuchen zu lassen, entfällt und dass der Truppenarzt die Untersuchung bei der Einstellung vornimmt (vgl. BVerwGE 27, 263, 265, 267; Boehm-Tettelbach, Wehrpflichtgesetz, § 48 Rn. 6 und 9; Steinlechner, Wehrpflichtgesetz, 5. Aufl. 1996, § 48 Rn. 9). Der gediente Wehrpflichtige kann daher seiner bedingten Einberufung zum Wehrdienst im Verteidigungsfall nicht die Verschlechterung seines Gesundheitszustands entgegensetzen. Seinen gesundheitlichen Belangen wird durch die bei Dienstantritt stattfindende Einstellungsuntersuchung Rechnung getragen (ebenso zur Prüfung von Zurückstellungsgründen: BVerwGE 57, 69). Durch die von der Beklagten hier gleichwohl vorgenommene Tauglichkeitsüberprüfung ist der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Büge, Graulich
Fundstellen