Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 09.07.2020; Aktenzeichen 5 S 205/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Rz. 2
I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 3
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫, vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3).
Rz. 4
1. Die Beschwerde möchte in der Sache grundsätzlich klären lassen,
ob ein Bebauungsplan allein unter Verweis auf Belange eines privaten Wirtschaftsunternehmens im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, wenn der angeblich eingetretene, städtebaulich relevante Missstand ohne Weiteres durch staatliches Vorgehen unterbunden werden könnte und durch eine städtebauliche Fehlplanung hervorgerufen wurde.
Rz. 5
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist nicht entscheidungserheblich. Eine auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützte Vorkaufssatzung darf nur für Gebiete erlassen werden, in denen die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen, etwa den Erlass eines Bebauungsplans, in Betracht zieht. Der Erlass der Satzung setzt weiter voraus, dass sich der Einsatz dieses Sicherungsmittels aus städtebaulichen Gründen als notwendig erweist. Die Satzung muss objektiv geeignet sein, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB beizutragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 2020 - 4 B 45.19 - juris Rn. 4 f.). Daran fehlt es, wenn absehbar ist, dass die gemeindliche Planung, zu deren Sicherung die Vorkaufssatzung erlassen wurde, an § 1 Abs. 3 BauGB oder an anderen unüberwindbaren Planungshindernissen scheitern wird (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 4 B 43.09 - BauR 2010, 871 Rn. 10). Wann ein Bebauungsplan im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich erforderlich ist, ist rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 2013 - 4 C 13.11 - BVerwGE 146, 137 Rn. 8 f., vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 10 und vom 10. September 2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 156, 16 Rn. 11 f.).
Rz. 6
Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie setzt Umstände voraus, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat: Er hat offengelassen, ob zur Beseitigung des Konflikts die Eingriffsbefugnisse des Straßenverkehrsrechts zur Verfügung stehen (UA S. 8), und nicht festgestellt, dass die bestehende Situation auf einer früheren Fehlplanung beruht. Einen Klärungsbedarf begründet auch nicht der Verweis auf Belange eines privaten Wirtschaftsunternehmens. Die Belange der Wirtschaft sind öffentliche Belange (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. a BauGB). Die Gemeinde ist daher auch berechtigt, infrastrukturelle Standortpolitik zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 136 Rn. 11). Eine durch hinreichende städtebauliche Gründe getragene und daher im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderliche Planung kann also auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 4 BN 13.09 - BauR 2010, 569 Rn. 10).
Rz. 7
2. Keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf wirft die Frage auf,
ob bloße Vermutungen, für die derzeit keine Anhaltspunkte bestehen, ausreichen, um eine Prognoseentscheidung im Sinne der Realisierbarkeit der Planung zu treffen, obwohl tatsächliche Hindernisse vorliegen.
Rz. 8
Ein Bebauungsplan ist städtebaulich nicht erforderlich, wenn seiner Verwirklichung dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2001 - 4 CN 9.00 - BVerwGE 115, 77 ≪85≫). Die notwendige Prognose verlangt keine letzte Gewissheit, dass der Vollzug der Regelung unter allen Umständen ausgeschlossen sein wird, sondern die von den konkreten Einzelfallumständen abhängige Prüfung, ob auf der Grundlage der Darlegungen des Planungsträgers in der Planbegründung die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Bebauungsplan bzw. einzelne seiner Festsetzungen realistischerweise umgesetzt werden können (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 4 CN 4.13 - BVerwGE 150, 101 Rn. 14). Von diesem Maßstab ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 9). Die Beschwerde kritisiert diese Entscheidung im Einzelfall, zielt aber nicht auf eine weitere rechtsgrundsätzliche Klärung.
Rz. 9
3. Die Beschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf,
ob eine Vorkaufssatzung ungeeignet ist, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB beizutragen, wenn bei ihrem Beschluss offensichtlich ist, dass das Vorkaufsrecht nicht zum Wohle der Allgemeinheit ausgeübt werden kann.
Rz. 10
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB darf die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nur ausüben, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dass dies offensichtlich ausgeschlossen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt.
Rz. 11
II. Die Revision ist nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Rz. 12
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, gleichermaßen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14).
Rz. 13
Der Antragsteller entnimmt den Beschlüssen des Senats vom 9. Oktober 1996 - 4 B 180.96 - (Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 39 S. 7) und vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 - (Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 27 S. 4) den Rechtssatz, dass Bauleitpläne nicht städtebaulich erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind, die ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. Dies ist der Fall, wenn eine planerische Festsetzung nur das vorgeschobene Mittel ist, um private Interessen zu befriedigen, also lediglich zur Befriedigung solcher Interessen dient. Einen abweichenden abstrakten Rechtssatz hat der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Er hat die Gemeinde berechtigt gesehen, ihre Planung an den Belangen der Wirtschaft auszurichten, zu denen auch der Belang eines einzelnen Betriebes gehört. Er hat aber zugleich und in Übereinstimmung mit der vorgenannten Rechtsprechung geprüft, ob dieses Ziel nur vorgeschoben sei und die Planung ausschließlich dazu diene, die Interessen des Hotelbetreibers zu befriedigen. Für eine solche Annahme hat die Vorinstanz keine greifbaren Anhaltspunkte gesehen (UA S. 9).
Rz. 14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 14371883 |
ZfBR 2021, 443 |
FuB 2021, 144 |