Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 24.03.1998; Aktenzeichen 1 B 93.274) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3, die diese jeweils selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Das Landratsamt des beklagten Freistaates erteilte der Beigeladenen zu 1 im August 1991 einen Vorbescheid zum Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 18 Wohneinheiten. Die klagende Gemeinde versagte hierfür ihr Einvernehmen.
In dem sich anschließenden Rechtsstreit kam das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8. Oktober 1992 zu dem Ergebnis, das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 habe des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 31 Abs. 2 BauGB bedurft. Das Vorhaben übersteige die festgesetzte Geschoßflächenzahl. Umstritten war zwischen den Beteiligten die Berücksichtigung des vorgesehenen Dachgeschoßausbaus. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beigeladenen zu 1 als unbegründet zurück. Zwar könne seit dem 1. Mai 1993 gemäß § 4 Abs. 1 BauGB-MaßnahmenG bei einem Dachgeschoßausbau die dafür benötigte Geschoßfläche unberücksichtigt bleiben. Die klagende Gemeinde habe jedoch – wenngleich mit Verzögerung – nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB-MaßnahmenG eine Satzung beschlossen, nach der ihr Einvernehmen erforderlich sei. Dieser Satzung habe die Gemeinde rückwirkende Wirkung beigelegt.
Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Beigeladene zu 1 die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 VwGO erfüllt sind.
1. Das Berufungsgericht führt aus, daß der Vorbescheid vom 8. August 1991 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Es habe im Zeitpunkt seines Erlasses an dem nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderlichen Einvernehmen der klagenden Gemeinde gefehlt. Das Einvernehmen sei gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Geschoßflächenzahl erforderlich gewesen. Die Beschwerde greift diese Beurteilung nicht an.
Das Berufungsgericht vertritt ferner die Ansicht, der ohne das gemeindliche Einvernehmen ergangene Vorbescheid müsse insgesamt aufgehoben werden. Der Bescheid könne nicht in einen rechtmäßigen und in einen rechtswidrigen Teil aufgespalten werden, da es sich um ein einheitliches Vorhaben handele. Demgemäß könne die Beigeladene zu 1 auch nicht mit ihrem Hilfsantrag durchdringen. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit prozessual überhaupt um einen Hilfsantrag handelt. Die Beigeladene zu 1 befindet sich nicht in der Position einer Klagepartei. Ihr Hilfsantrag dürfte eher ein gesondert begründeter Antrag auf Abweisung der Klage sein. Die Rechtssache besitzt indes zur Frage der Teilbarkeit des Vorbescheides keine grundsätzliche Bedeutung. Die vom Berufungsgericht angenommene verneinte Frage der Teilbarkeit gehört im vorliegenden Falle dem irrevisiblen Landesrecht an. Insoweit können sich keine Fragen stellen, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnten (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO). Der Vorbescheid ist ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Demgemäß bestimmt auch das jeweilige Landesrecht, was Inhalt eines Vorbescheides sein kann. Im allgemeinen sehen die Landesbauordnungen vor, daß der Bauherr auf schriftlichen Antrag hin eine bescheidsmäßige Antwort „auf einzelne Fragen” des Bauvorhabens erreichen kann (vgl. hier Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Demgemäß bestimmt sich auch nach Landesrecht, was als „einzelne Frage” anzusehen ist und in welcher Weise insoweit von einer Teilbarkeit der vom Bauherrn gestellten Anfrage ausgegangen werden kann. Im Streitfall haben beide vorinstanzlichen Gerichte angenommen, die im Vorbescheidsverfahren gestellte Frage sei unter anderem gewesen, ob das beabsichtigte Vorhaben die Geschoßflächenzahl einhalte. Sie haben ferner angenommen, eine auf die Beachtung der Geschoßflächenzahl gerichtete Anfrage sei nur einheitlich gestellt und dürfe demgemäß im Vorbescheid nicht teilweise beschieden, sondern nur entweder bejaht oder verneint werden. Mit diesem Verständnis der Entscheidungslage haben die Gerichte der Sache nach Landesrecht angewandt. Das ist zudem ein Verständnis der Regelungsinhalte eines Vorbescheides, das mit bundesrechtlichen Vorgaben jedenfalls nicht unverträglich ist:
Ist der Landesgesetzgeber ermächtigt, die Erteilung einer Baugenehmigung an einen zu stellenden Bauantrag zu knüpfen, so ist von seiner Regelungsbefugnis mitumfaßt, in welchem Umfange sich der Antragsteller gegebenenfalls an seiner der Bauaufsichtsbehörde gegenüber abgegebenen Erklärung festhalten lassen muß. Grundsätzlich bestimmt der Bauherr, worüber im Genehmigungsverfahren entschieden werden soll (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1980 – BVerwG 4 C 99.77 – Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 26 = NJW 1981, 776; Beschluß vom 12. November 1987 – BVerwG 4 B 219.87 – Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 39). Liegen die Geschoßflächenzahl aufgrund planerischer Festsetzungen und die Grundstücksgröße im Sinne des § 19 Abs. 3 BauNVO fest, läßt sich daraus gemäß § 20 Abs. 2 BauNVO die zulässige Geschoßfläche errechnen. In welcher Weise der Bauherr in diesem Berechnungsmodell die zulässige Geschoßfläche gestalten will, ist demgemäß Gegenstand seiner Entscheidung.
Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung ist unabhängig davon, aus welchen Gründen der Bauherr einen nach objektiver Rechtslage zu weit gehenden Antrag auf Vorbescheidung gestellt hat. Hier war der Bauherr von der Rechtsgültigkeit des § 25 c Abs. 2 BauNVO ausgegangen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 – BVerwG 4 C 43.87 – BVerwGE 90, 57). Der Bauherr trägt – wie jeder andere auch – den Nachteil einer rechtswidrigen Rechtssetzung. Das Beschwerdegericht hat nicht zu beurteilen, ob eine andere Deutung des Regelungsgehalts des hier vorliegenden Vorbescheides möglich oder gar – wie die Beschwerde wohl meint – naheliegend ist. Das ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles und entzieht sich allgemeiner Klärung. Die Frage, ob die Teilbarkeit eines Vorbescheides nach Maßgabe eines nach Bundesrecht erforderlichen Einvernehmens bestimmt werden könnte und müßte, stellt sich ebenfalls nicht; denn das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens ist nicht Voraussetzung, sondern erst Folge einer aus anderen Gründen angenommenen Teilbarkeit des Vorbescheides und der in ihm zugrunde gelegten Geschoßflächenentscheidung.
2. Die Beschwerde erachtet es ferner als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Gemeinde einer nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB-MaßnahmenG 1993 erlassenen Satzung rückwirkende Wirkung beimessen konnte. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Das Berufungsgericht hat zwar die von der Beschwerde erörterte Frage geprüft und zum Nachteil der Beigeladenen zu 1 bejaht. Die gestellte Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung, da ihr die für den Streitfall erforderliche Entscheidungserheblichkeit fehlt. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht – möglicherweise – übersehen, daß der Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB-MaßnahmenG 1993 im gerichtlichen Verfahren von vornherein andere Hindernisse entgegenstanden. Dabei wird hier zugunsten der Beigeladenen zu 1 angenommen, daß auch im Anfechtungsverfahren der klagenden Gemeinde eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Bauherrn zu beachten ist (vgl. allg. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1985 – BVerwG 4 C 42.81 – NVwZ 1986, 205; VGH München, Urteil vom 13. März 1996 – 1 CS 96.638 – BayVBl 1996, 471). Das ist – wie noch auszuführen ist – keineswegs selbstverständlich. Geändert hatte sich die materielle Rechtslage durch § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB-MaßnahmenG 1993 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1977. Die Beschwerde nimmt dazu an, daß nunmehr hinsichtlich der Geschoßfläche der Vorbescheidsantrag der Beigeladenen zu 1 genehmigungsfähig geworden sei. Das trifft im Sinne einer gebundenen behördlichen Entscheidung indes nicht zu. Der Bundesgesetzgeber hat ein Überschreiten der durch Bebauungsplan festgesetzten Geschoßfläche nur ermessensgebunden „kann”) und unter der weiteren Annahme zugelassen, daß öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob öffentliche Belange dem Begehren der Beigeladenen zu 1 entgegenstanden, hätte das Berufungsgericht allerdings als eine Frage objektiven Rechts selbst entscheiden können. Hingegen konnte das Berufungsgericht die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Ermessensentscheidung im Hinblick auf § 114 Satz 2 VwGO hätte „nachschieben” können. Sie wurde ausweislich der Verfahrensakten jedenfalls bis zur Bekanntmachung der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB-MaßnahmenG 1993 beschlossenen Satzung am 23. August 1993 nicht getroffen. Seit der Bekanntmachung der 1. Änderung des Bebauungsplans vom 21. Juli 1994 bedurfte es des gemeindlichen Einvernehmens, aber auch der ermessensbezogenen Entscheidung des Beklagten aus nunmehr anderen Gründen.
3. Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsurteil weiche von näher bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Das trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat die angeführte Rechtsprechung beachtet. Es war allerdings der Ansicht, die Rechtslage habe sich infolge der angenommenen Rückwirkung der nach nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB-MaßnahmenG 1993 erlassenen Satzung nicht zugunsten der Beigeladenen zu 1 verändert.
4. Das Beschwerdegericht bemerkt ergänzend: Im gerichtlichen Anfechtungsprozeß, in dem sich die Gemeinde gegen ein mißachtetes Einvernehmenserfordernis wehrt, prüft das Gericht nicht, ob der Bauherr einen materiellen Anspruch auf die beantragte Genehmigung besitzt (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 – BVerwG 4 C 43.83 – Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 35; Urteil vom 10. August 1988 – BVerwG 4 C 20.84 – BauR 1988, 694). Vielmehr ist Streitgegenstand des Anfechtungsprozesses allein die von der klagenden Gemeinde für sich in Anspruch genommene Rechtsposition. Das gilt erst recht, wenn – wie hier – die Gemeinde auf eine Rechtsposition verweisen kann, die ihr eine eigene ermessensbezogene Entscheidung eröffnet. Der Bundesgesetzgeber wollte mit der Einvernehmensregelung erreichen, daß die Gemeinde sich mit ihren Vorstellungen auch gegenüber einem etwaigen Rechtsanspruch des Bauherrn durchsetzt. Die Regelung des gemeindlichen Einvernehmens soll es der Gemeinde ermöglichen, ihre bislang noch nicht ausgeübte Planungshoheit durch neue oder geänderte planerische Festsetzungen auszuüben und damit die rechtlichen Voraussetzungen für ein Vorhaben vor Erlaß eines begünstigenden Bescheides noch zu ändern (vgl. auch §§ 14 ff. BauGB).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Heeren
Fundstellen
BauR 1999, 1281 |
ZfBR 1999, 234 |
BRS 2000, 717 |