Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 10 UE 2220/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. November 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 679,96 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers ein Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Rz. 3
a) Der Kläger hält zum einen für klärungsbedürftig, ob sich aus Art. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 192/2001 der Kommission vom 30. Januar 2001 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 mit Durchführungsvorschriften zur Prämienregelung für Rindfleisch (ABl Nr. L 29 S. 27) ein Anspruch auf Sonderprämie für in dem Zeitraum 1. Januar bis 28. Februar 2001 versendete Tiere ergibt. Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Verordnung (EG) Nr. 192/2001 regelte die Folgen der BSE-Krise des Jahres 2000. Sie ermöglichte es ausnahmsweise, noch Rinderverkäufe in den ersten beiden Monaten des Jahres 2001 auf das Jahr 2000 anzurechnen. Es handelt sich damit um ausgelaufenes Recht. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache jedoch regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund soll die Revision eröffnen, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungweisend zu klären. Fragen zur Auslegung ausgelaufenen oder auslaufenden Rechts dienen jedoch nicht der Fortentwicklung des Rechts (Beschluss vom 13. Juli 2007 – BVerwG 3 B 16.07 – Buchholz 451.111 § 6 MOG Nr. 9 m.w.N.).
Rz. 4
Von vorstehenden Grundsätzen ist eine Ausnahme zu machen, wenn das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung sein könnte; doch ist der Beschwerdeführer für das Vorliegen einer solchen Sachlage darlegungspflichtig (Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Hierauf beruft sich der Kläger ohne Erfolg. Sein Vorbringen erschöpft sich insoweit in dem Vortrag, dass von der aufgeworfenen Fragestellung eine Vielzahl von Landwirten in der Vergangenheit betroffen gewesen sei und dass im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit weitere Verfahren des Klägers und zumindest noch eines weiteren Landwirtes wegen Rückzahlung von Prämienzahlungen ruhten. Das vermag eine fortwirkende allgemeine Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht zu begründen.
Rz. 5
Fragen zu ausgelaufenem Recht können eine grundsätzliche Bedeutung ferner dann behalten, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachfolgt, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen oder wenn die zu klärende Rechtsfrage nachwirkt und dies von allgemeiner Bedeutung ist (Beschluss vom 20. Dezember 1995 a.a.O.). Rein faktische Auswirkungen allein reichen hierfür allerdings nicht aus. Daher verfängt auch der Hinweis des Klägers nicht, dass die in den Jahren 2000 bis 2002 bezogenen Prämien für die ab dem Jahre 2005 gewährte Betriebsprämie von Bedeutung sei. Insofern handelt es sich um eine rein tatsächliche Auswirkung. Die Ermittlung der Betriebsprämien knüpft allein an die jeweiligen Bewilligungsbescheide für die Referenzjahre an, aber nicht an die materiellrechtlichen Vorschriften, die diesen Bescheiden zugrunde lagen.
Rz. 6
b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass das Bundesverwaltungsgericht – als letztinstanzliches Gericht – in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 Abs. 3 EG zur Auslegung und ggf. zur Gültigkeit des Art. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 192/2001 einholen müsste. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommen, wenn dargelegt ist, dass in einem zukünftigen Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Regelung voraussichtlich gemäß Art. 234 Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen sein wird (Beschlüsse vom 30. Januar 1996 – BVerwG 3 NB 2.94 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 111 und vom 13. Juni 2007 a.a.O.). Damit werden aber nur Fragen des europäischen Gemeinschaftsrechts Fragen des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof einer Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht gleichgestellt. Es ändert nichts daran, dass eine Klärung der bezeichneten Fragen zukunftsorientiert der Fortentwicklung des Rechts dienen muss und dass diese im Grundsatz ausscheidet, wenn sie allein auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betreffen. Insofern kann für ausgelaufenes Gemeinschaftsrecht nichts anderes gelten als für ausgelaufenes Bundesrecht (stRspr des Senats, vgl. Beschlüsse vom 12. April 2005 – BVerwG 3 B 41.05 – und vom 13. Juli 2007 a.a.O.).
Rz. 7
2. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich auch kein Verfahrensfehler.
Rz. 8
Der Kläger macht den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht ausdrücklich geltend. Gleichwohl erhebt er beiläufig den Vorwurf, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs verletzt. Der Senat würdigt diesen Vortrag zugleich als Verfahrensrüge, nämlich als Rüge, das Berufungsgericht habe ihm die Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs vorenthalten und damit den Grundsatz verletzt, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO; vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195≫).
Rz. 9
Die Ausführungen des Klägers genügen insofern aber nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Soweit die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 192/2001 in Rede steht, war das Berufungsgericht zur Einholung einer Vorabentscheidung nur verpflichtet, wenn es als letztinstanzliches Gericht anzusehen war; eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kam zudem nur in Betracht, wenn es seine Vorlagepflicht in willkürlicher Weise verkannt hat. Dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt gewesen wären. Soweit es des Weiteren um die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 192/2001 geht, ist ein Gericht nur dann zur Einholung einer Vorabentscheidung verpflichtet, wenn es eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts als ungültig außer Anwendung lassen will, nicht hingegen, wenn es die Vorschrift für gültig erachtet (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 – Rs. 314/85, Foto Frost – Slg. I-4199 = NJW 1988, 1451). Vorliegend hat das Berufungsgericht die Einwände gegen die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 192/2001, die der Kläger aus einer Kollision mit der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 und aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung herleitet, zwar erörtert, aber nicht für durchgreifend erachtet.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen