Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsverhältnis. Kündigung eines – während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen. Kündigung, – eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen ist eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 79 Abs. 1 BPersVG. Die Personalvertretung hat an ihr mitzuwirken.

 

Normenkette

BPersVG § 79 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

OVG Berlin (Beschluss vom 01.04.1982; Aktenzeichen PV Bund 2.81)

VG Berlin (Entscheidung vom 05.10.1981; Aktenzeichen FK Bund A 4/80)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 1. April 1982 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Beteiligte, stellt jährlich einmal Auszubildende für den Beruf des Sozialversicherungsfachangestellten ein, mit denen sie einen Berufsausbildungsvertrag abschließt. Der Vertrag sieht in seinem § 1 Nr. 2 eine Probezeit vor und enthält in seinem § 7 eine Kündigungsregelung, nach der das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden (§ 7 Nr. 1) und nach Ablauf der Probezeit nur unter bestimmten Voraussetzungen (§ 7 Nr. 2) gekündigt werden kann. In den Fällen, in denen die Beteiligte derart begründete Berufsausbildungsverhältnisse nach § 7 Nr. 1 des Vertrages kündigt, hört sie den bei ihr gebildeten Personalrat, den Antragsteller, an. Dieser nimmt jedoch ein Mitwirkungsrecht an den Kündigungen nach § 79 Abs. 1 BPersVG für sich in Anspruch.

Zur Klärung der Frage, wie er an der Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen der Auszubildenden für den Beruf des Sozialversicherungsfachangestellten zu beteiligen ist, sofern diese aufgrund des § 7 Nr. 1 des Berufsausbildungsvertrages ausgesprochen wird, hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen, daß ihm bei der Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen der Auszubildenden für den Beruf des Sozialversicherungsfachangestellten während der Probezeit ein Mitwirkungsrecht zusteht.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht die begehrte Feststellung getroffen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Die Kündigung eines Probearbeitsverhältnisses, die der zugrundeliegende Arbeitsvertrag ohne Einhaltung einer Frist zulasse, stelle eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 79 Abs. 1 BPersVG dar, sofern sie nicht nur aus einem gesetzlich vorgesehenen, insbesondere einem wichtigen Grund ausgesprochen werde. Die in § 79 BPersVG verwendeten Begriffe der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung seien nicht mit denen einer befristeten und einer fristlosen Kündigung gleichzusetzen. Die Fristlosigkeit sei zudem kein wesentliches Begriffsmerkmal der außerordentlichen Kündigung. Die entfristete Kündigung sei der außerordentlichen Kündigung auch nicht in einem solchen Maße angenähert, daß § 79 Abs. 3 BPersVG auf sie anzuwenden sei.

Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages geböten keine vom allgemeinen Arbeitsvertrag abweichende rechtliche Beurteilung. Zwar verkürze die Mitwirkung der Personalvertretung im Falle einer Kündigung die Probezeit des Auszubildenden, jedoch müsse das im Hinblick darauf hingenommen werden, daß der Personalrat neben den individuellen Belangen des Auszubildenden auch kollektivrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen habe, um unsachliche Gesichtspunkte bei der Beendigung von Ausbildungsverhältnissen zu verhindern. Wäre die Personalvertretung in diesen Fällen auf ein Anhörungsrecht beschränkt, würde dem im Personalvertretungsgesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht hinreichend Rechnung getragen, der Personalvertretung ein möglichst umfassendes Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Angelegenheiten einzuräumen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten, mit der sie die Verletzung des § 79 Abs. 1, 3 BPersVG rügt. Sie meint, der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, daß jede Kündigung, die nicht aus besonderem Grund erfolge, als ordentliche Kündigung im Sinne des Absatzes 1 anzusehen sei. Denn der Begriff „ordentliche Kündigung” habe in der Rechtssprache keinen eindeutigen Sinngehalt. Auch ein Vergleich mit den Personalvertretungsgesetzen der Länder gebe wegen des unterschiedlichen Wortlauts der entsprechenden Bestimmungen und der voneinander abweichenden Regelungen der Materie keinen Aufschluß darüber, wie die ordentliche und die außerordentliche Kündigung im Sinne des § 79 BPersVG voneinander zu unterscheiden seien. Er lege jedoch die Annahme nahe, daß der Bundesgesetzgeber das Mitwirkungsrecht der Personalvertretung ebenso wie die Mehrzahl der landesrechtlichen Regelungen auf fristgemäße Kündigungen habe beschränken, nicht hingegen auf andere Formen der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses habe ausdehnen wollen. Gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, § 79 Abs. 1 BPersVG sei ausdehnend, Abs. 3 der Vorschrift hingegen restriktiv anzuwenden, spreche die aus beiden Bestimmungen zu entnehmende Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Die in § 79 Abs. 3 BPersVG ausdrücklich geregelten Tatbestände ließen erkennen, daß der Gesetzgeber dieser Vorschrift alle zu einer sofortigen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses führenden Tatbestände habe unterordnen wollen, um sie von dem komplexen und zeitraubenden Mitwirkungsverfahren auszunehmen. Zu ihnen gehöre auch die Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe, von Gründen. Denn Zweck der entsprechenden Kündigungsvorschriften sei es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Berufsausbildungsverhältnis ohne Angabe von Gründen gelöst werden könne, wenn der zu erlernende Beruf den Vorstellungen des Auszubildenden nicht entspreche oder er für diesen Beruf ungeeignet sei. Dieser Zweck sei nicht mehr zu erreichen, wenn die Personalvertretung in einem zeitaufwendigen Verfahren an der Auflösung mitzuwirken und die dafür maßgebenden Gründe zu prüfen habe.

Die Beteiligte beantragt sinngemäß,

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 1. April 1982 aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 5. Oktober 1981 zurückzuweisen.

Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller ist befugt, bei der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses eines für den Beruf des Sozialversicherungsfachangestellten Auszubildenden mitzuwirken, sofern diese während der vertraglich vereinbarten Probezeit seitens der Beteiligten ausgesprochen wird.

Nach § 79 Abs. 1 BPersVG wirkt die Personalvertretung bei der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit, während sie vor einer außerordentlichen Kündigung nach Abs. 3 der Vorschrift nur anzuhören ist. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde eindeutig, insbesondere verwendet sie mit den Worten „ordentliche” und „außerordentliche” Kündigung keine inhaltlich unbestimmten oder unklaren Begriffe. Der Wortlaut des § 79 BPersVG lehnt sich an denjenigen des § 102 Betriebsverfassungsgesetz an (vgl. die amtliche Begründung zu § 75 des Entwurfs eines Bundespersonalvertretungsgesetzes, BTDrucks. 7/176, S. 34). Auch dieser unterscheidet zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung (ebenso die Mehrzahl der Personalvertretungsgesetze der Bundesländer). Diese Begriffswahl beruht auf den in § 622 BGB einerseits und § 626 BGB andererseits getroffenen Regelungen. Danach ist als ordentliche Kündigung das Gebrauchmachen von der gesetzlich, tariflich oder einzelvertraglich vorgesehenen, regelmäßig fristgebundenen Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusehen, für die gegenüber dem Arbeitnehmer keine Gründe angegeben werden müssen, als außerordentliche Kündigung hingegen die Inanspruchnahme der unabdingbaren Befugnis, das Arbeitsverhältnis (mit oder ohne Einhaltung einer Frist) aus wichtigem Grund zu lösen (Bobrowski/Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, 7. Aufl., Bd. II, S. 222, 240; Dietz/Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., § 102 RdNr. 9; dieselben Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Aufl., Bd. 2, § 79 RdNr. 8, 146; Galperin/Löwisch, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., Bd. II, § 102 RdNr. 9; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl., § 79 Anm. 2, 29; Kammann/Hess/Schlochauer, Betriebsverfassungsgesetz, § 102 RdNr. 14; Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 4. Aufl., S. 144; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Aufl., S. 608). Entscheidend ist also, ob das Arbeitsverhältnis „ordentlich”, d.h. auf vertraglicher oder in das Vertragsverhältnis hineinwirkender gesetzlicher Grundlage, gelöst wird oder ob es „außerordentlich”, d.h. unabhängig von den Vertragsabreden und den sie ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen, beendet wird, weil ihm ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB die Basis entzogen hat. Die Einhaltung bzw. der Ausschluß einer Kündigungsfrist ist demgegenüber mit beiden Kündigungsformen nicht begriffsnotwendig verbunden. Vielmehr ist die Gewährung einer „Auslauffrist” bei der außerordentlichen Kündigung ebenso zulässig, wie in Sonderfällen gesetzlich, tariflich oder einzelvertraglich vorgesehen werden kann, daß eine ordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgesprochen werden darf (vgl. BAG, Urteil vom 2. August 1978 – 4 AZR 46/77 – ≪AP § 55 MTL II Nr. 1≫). Diese Grundsätze gelten auch für Probearbeitsverhältnisse, wobei der Probecharakter der Rechtsbeziehung hinsichtlich der Modalitäten einer ordentlichen Kündigung Abweichungen von der regelmäßigen Ausgestaltung von Arbeitsverträgen insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfrist bedingen kann (BAG, Urteil vom 2. August 1978 – 4 AZR 46/77 – ≪a.a.O.≫).

Hiervon ausgehend erweist sich die Kündigung „ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen”, die § 7 Nr. 1 des Berufsausbildungsvertrages ermöglicht, welchen die Beteiligte mit den für den Beruf eines Sozialversicherungsfachangestellten Auszubildenden abschließt, als eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 79 Abs. 1 BPersVG. Die ihr zugrundeliegende Vertragsabrede entspricht der für Berufsausbildungsverhältnisse bindenden Regelung des § 15 Abs. 1 BBiG, die sich ihrerseits aus dem Zweck der Probezeit zu Beginn eines Berufsausbildungsverhältnisses rechtfertigt. Während dieser ersten Phase dieser Ausbildung soll es sowohl dem Auszubildenden, der erkennt, daß der zunächst angestrebte Beruf ihm nicht zusagt oder seiner Neigung oder Befähigung nicht entspricht, als auch dem Ausbilder, der die mangelnde Eignung des Auszubildenden für den Ausbildungsberuf bemerkt, ermöglichen, das Ausbildungsverhältnis ohne vertragsbedingten zeitlichen Verzug und ohne Begründung zu lösen. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, dann ist das kein außerordentlicher Vorgang, sondern die Folge von Schwierigkeiten, die beim Eintritt junger Menschen in das Berufsleben naturgemäß häufiger auftreten. Dem tragen § 15 Abs. 1 BBiG und § 7 Nr. 1 des Berufsausbildungsvertrages Rechnung, indem sie der während der Probezeit ausgesprochenen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses durch den Verzicht auf die Angabe von Kündigungsgründen den rechtlichen Charakter einer nur aus wichtigem (und damit zu nennendem) Grund zulässigen außerordentlichen Kündigung von vornherein nehmen.

Auch die mangelnde Bindung an eine Kündigungsfrist läßt die während der Probezeit ausgesprochene Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nicht zu einer außerordentlichen in dem oben dargelegten Sinne werden. Denn der gesetzliche Ausschluß einer Kündigungsfrist aus Gründen, die sich aus der Eigenart des Arbeitsverhältnisses ergeben (z.B. § 15 Abs. 1 BBiG), bedeutet ebensowenig wie die im Rahmen des geltenden Rechts getroffene tarifliche oder einzelvertragliche Vereinbarung, von einer solchen Frist abzusehen, daß das Arbeitsverhältnis nur auf außerordentlichem Wege gekündigt werden kann (BAG, a.a.O.).

Aus der Feststellung, daß die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit als ordentliche Kündigung im Sinne des § 79 Abs. 1 BPersVG anzusehen ist, folgt, daß die Personalvertretung an einer solchen Kündigung mitzuwirken hat. Denn die Art und Weise, in der die Personalvertretung hieran zu beteiligen ist, ergibt sich zwingend aus dem Rechtscharakter der Kündigung. Die praktischen Bedenken, die die Rechtsbeschwerde gegen dieses bereits vom Beschwerdegericht gefundene Ergebnis vorbringt, vermögen abgesehen davon, daß sie angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht durchgreifen können, auch sachlich nicht zu überzeugen. Es ist nicht zu erkennen, daß die Mitwirkung des Antragstellers die Beteiligte in einem ins Gewicht fallenden Maße daran hindert, die Notwendigkeit, ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit zu lösen, innerhalb dieses drei Monate dauernden Zeitraumes sorgfältig zu prüfen. Zwar nimmt das Mitwirkungsverfahren im Falle der Beteiligten, der keine Dienststelle übergeordnet ist, etwa 10 Tage in Anspruch (Erörterung mit dem Personalrat, Äußerungsfrist des Personalrats, Mitteilung der Entscheidung seitens der Beteiligten im Fall von Einwendungen des Personalrats). In dieser Schlußphase der Probezeit kommt es jedoch erfahrungsgemäß nicht mehr zu einer bis dahin nicht abzusehenden Veränderung des Leistungs- und Verhaltensbildes eines Auszubildenden, so daß sich die Erkenntnismöglichkeiten der Beteiligten nicht mehr entscheidend erweitern. Angesichts dessen gebührt der Berücksichtigung der von der Personalvertretung wahrzunehmenden individuellen und kollektiven Belange nicht nur rechtlich, sondern auch sachlich der Vorrang vor dem Bestreben der Beteiligten, 7 weitere Tage für die Beobachtung und Beurteilung des Auszubildenden während der Probezeit hinzuzugewinnen. Größer könnte die zeitliche Differenz nicht sein, weil die Beteiligte dem Antragsteller auch im Falle der Anwendbarkeit des § 79 Abs. 3 BPersVG eine Äußerungsfrist von 3 Arbeitstagen einräumen müßte.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Dr. Seibert

 

Fundstellen

BVerwGE, 340

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