Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 26.02.2002; Aktenzeichen 9 K 2694/99) |
Tenor
Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 26. Februar 2002 wird aufgehoben, soweit der Antrag abgelehnt worden ist, § 11 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 1998 für nichtig zu erklären.
Insoweit wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt 1/5 der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Unter Abänderung der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2002 wird der Wert des Streitgegenstandes für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Revision ist zuzulassen, soweit der Antragsteller mit seinem Normenkontrollantrag das rückwirkende In-Kraft-Treten der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 1998 beanstandet (§ 11 der Satzung). Insofern rügt die Beschwerde mit Recht, dass das Urteil der Vorinstanz i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf einer Divergenz beruht.
Das angefochtene Urteil weicht von einem – in der Beschwerde zitierten – Rechtssatz in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – (BVerfGE 72, 200 ≪241≫) ab. Zwar beruft sich die Vorinstanz zunächst darauf, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über die Grenzen einer zulässigen Rückwirkung zu folgen (UA S. 9). Sie macht dann aber die Aussage entscheidungstragend, es liege im Sinne dieser Rechtsprechung ein Fall der unechten Rückwirkung vor, weil „mit der Satzung nicht in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen, sondern mit der vor Ende des Veranlagungszeitraums 1998 am 28. Dezember 1998 erlassenen Satzung nur das noch nicht abgewickelte Beitragsjahr 1998 erfasst” worden sei (UA S. 10). Sie betrachtet danach die Beschlussfassung über die Norm als den für die Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung maßgeblichen Zeitpunkt; denn die Bekanntmachung der Satzung ist unstreitig erst Anfang des Jahres 1999 erfolgt. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung stellt das Bundesverfassungsgericht aber gerade nicht ab, wenn es prüft, ob eine Norm echte oder unechte Rückwirkung entfaltet. In seinem Beschluss vom 14. Mai 1986 (a.a.O.) heißt es vielmehr, dass eine Rechtsnorm dann (echte) Rückwirkung entfaltet, „wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist”. Regelmäßig – so fährt die Entscheidung fort – werde eine Norm nach deutschem Staatsrecht mit ihrer ordnungsmäßigen Verkündung rechtlich existent. Da bei einer Satzung die Verkündung in der Bekanntmachung gesehen werden kann, weicht das Oberverwaltungsgericht von dieser Aussage ab, wenn es stattdessen die Beschlussfassung für maßgeblich erachtet. Denn mit der Beschlussfassung wurde die Satzung nicht bereits rechtlich existent.
2. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Soweit die Beschwerde mit einer Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) eine Zulassung der Revision begehrt, um ihr Klagebegehren weiterverfolgen zu können, das darauf gerichtet ist, die §§ 1 bis 9 der Satzung für nichtig zu erklären, ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht im erforderlichen Maße dargelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde verkennt nicht, dass sich das angefochtene Urteil in erster Linie auf irrevisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) stützt, und wirft deswegen Fragen auf, die sich aus dem Bundes(verfassungs)recht ergeben sollen. Ein Zulassungsgrund i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann sich aber nicht aus der bloßen Rüge der Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht ergeben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts aufzeigt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 – BVerwG 5 B 174.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306 m.w.N.). Diese Anforderungen werden durch den Vortrag der Beschwerde nicht erfüllt. So bezeichnet die Beschwerde etwa die Frage als klärungsbedürftig, ob ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG vorliege, weil eine konkretisierende Bezeichnung des Entstehungszeitpunkts der Beitragsschuld notwendig gewesen sei. Die Vorinstanz hat aber – für das Revisionsgericht bindend – entschieden, dass dazu § 5 Abs. 2 der Satzung die notwendigen Aussagen im Wege der Auslegung zu entnehmen seien.
Eine Grundsatzrüge kann auch nicht allein mit einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen durch die Vorinstanz begründet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26, S. 14). So hat sich die Vorinstanz mit der Rüge des Antragstellers, die Beitragserhebung bewirke eine „Erdrosselung” unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (UA S. 10) auseinander gesetzt. Dem Antragsteller ist in diesem Zusammenhang von der Vorinstanz entgegengehalten worden, es sei nicht erkennbar, dass er oder andere Fremdenverkehrsbetriebe durch den Beitrag „in existenzielle Not” geraten könnten (UA S. 11). Ein Angriff der Beschwerde gegen diese Sachverhaltswürdigung führt noch nicht zu einer grundsätzlichen Frage revisiblen Rechts. Ebenso verhält es sich bei den Fragen, mit denen die Beschwerde die Überlegungen der Vorinstanz zum Verfahren des Gemeinderats bei der Billigung der Beitragskalkulation (UA S. 12) in Zweifel zieht. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO abgesehen.
Andere Fragen, die von der Beschwerde aufgeworfen werden, ermöglichen die Zulassung der Revision außerdem schon deswegen nicht, weil sie auf einem Sachverhalt aufbauen, den das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt hat. Das gilt etwa für die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 12 und Art. 14 GG anzunehmen ist, weil der Antragsteller „über den Umweg des Fremdenverkehrsbeitrages verpflichtet” wird, „eine mit ihm konkurrierende privatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft zu subventionieren, d.h. deren Verluste abzudecken”. Denn in dem angefochtenen Urteil findet sich keine Feststellung dazu, dass der Hotel- und Gaststättenbetrieb des Antragstellers Marktkonkurrent der Kurverwaltung W. GmbH ist.
3. Die Kostenentscheidung, soweit sie in diesem Verfahrensstadium bereits getroffen werden konnte, folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 2 Satz 2, § 73 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – Fassung 1996 – (NVwZ 1996, 563 = DVBl 1996, 606 = GewArch 1996, 462) und berücksichtigt, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben für das Jahr 1998 mit einem Beitragsbescheid in Höhe von 7 742,49 DM rechnete.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Vallendar
Fundstellen