Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Flurbereinigungsgerichts für Rheinland-Pfalz und das Saarland vom 15. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.
Tatbestand
Rz. 1
1. Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist nicht begründet.
Rz. 2
a) Die Klägerinnen wenden sich dagegen, dass das Flurbereinigungsgericht die Klage gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung wegen Versäumung der Widerspruchsfrist für unzulässig gehalten hat. Sie hätten schon im Widerspruchsverfahren ihre Argumente gegen die Wertermittlung vorgetragen. Deshalb sei die Feststellung eines “erstmaligen” Angriffs nicht plausibel. Zum Zeitpunkt der Wertermittlung und innerhalb der Rechtsmittelfrist hätten die Klägerinnen nicht wissen können, wo sich die Abfindungsflurstücke befinden würden; es sei ihnen auch objektiv unmöglich gewesen, die Wertermittlung im gesamten Geltungsbereich des Flurbereinigungsverfahrens zu überprüfen. Die Abfindung mit der Parzelle Nummer 16 sei nicht voraussehbar gewesen, weil diese weder hinsichtlich der Nutzungsart noch bezüglich der Hängigkeit und der Qualität den Altflurstücken entspreche. Das Flurbereinigungsgericht habe deshalb ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Hätte das Flurbereinigungsgericht den Vortrag der Klägerinnen berücksichtigt, hätte es möglicherweise eine nicht wertgleiche Abfindung festgestellt.
Rz. 3
Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Allerdings braucht das Gericht nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267 ≪274≫; stRspr). Es müssen nur die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 – 1 BvR 426/77 – BVerfGE 47, 182 ≪187≫). Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten, auf das es nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblich ankommt, entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Solche Umstände fehlen hier.
Rz. 4
Die Klägerinnen wenden sich letztlich gegen die rechtliche Bewertung ihrer Klage als unzulässig, soweit sie die Wertermittlung im Flurbereinigungsverfahren angreifen. Damit können sie einen Gehörsverstoß jedoch nicht begründen. Das Flurbereinigungsgericht hat sich mit dem Vortrag der Klägerinnen befasst und ist auch darauf eingegangen, ob verspätete Erklärungen nach § 134 Abs. 2 FlurbG trotz Versäumung der Widerspruchsfrist zuzulassen sind. In diesem Zusammenhang hat es angenommen, dass schon die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen oder die Klägerin zu 1 als deren Betreuerin mit einer Zuteilung des Abfindungsflurstücks Nr. 16/1 hätten rechnen müssen, weil es in unmittelbarer Nähe ihres Einlageflurstücks Flur 5 Nr. 39 liege. Deshalb fehle es schon an einer unverschuldeten Versäumung der Widerspruchsfrist. Selbst wenn man dies anders sähe, sei die versäumte Erklärung frühestens bei der Begründung des Widerspruchs gegen den Flurbereinigungsplans und damit nicht unverzüglich nach Behebung des Hindernisses abgegeben worden. Soweit die Klägerinnen die fehlende Ackerfähigkeit dieses Abfindungsflurstücks wegen eines zu großen Quergefälles rügen, sei das verspätete Vorbringen auch nicht wegen einer offenbaren unbilligen Härte zuzulassen. Eine solche offenbare Härte liege hier nicht vor. Auch die Einlageflurstücke der Klägerinnen, die in diesem Abfindungsflurstück aufgegangen seien, enthielten nämlich Flächen in dieser Hanglage, die als Acker bewertet worden seien. Selbst wenn die hängigen Zulageflächen im Umfang von etwa 1,3 ha fälschlich als Acker eingestuft wären, würde dies nicht zu einer unbilligen Härte für die Klägerinnen führen, da diese insgesamt 1,1 ha mehr Acker erhalten hätten, als sie von der Einlage her beanspruchen könnten.
Rz. 5
Da das Flurbereinigungsgericht von der Unzulässigkeit der Klage gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung ausgegangen ist, hat es insoweit auch weder gegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) noch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen; einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes bedurfte es angesichts dieser rechtlichen Bewertung nicht. Denn für die Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist von dem Rechtsstandpunkt des Flurbereinigungsgerichts auszugehen, unabhängig davon, ob dieser zutrifft (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1; Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪119≫).
Rz. 6
b) Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Flurbereinigungsgericht habe ihr Vorbringen zur fehlenden Ackerfähigkeit des Flurstücks Nr. 16/1 auch im Rahmen der Klage gegen den Flurbereinigungsplan unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör, den Untersuchungsgrundsatz und den Überzeugungsgrundsatz übergangen, gehen ihre Verfahrensrügen fehl. Die Beschwerde verkennt, dass nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Flurbereinigungsgerichts die Frage der Ackerfähigkeit einzelner Grundstücke nur im Rahmen der Klage gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung relevant ist. Im Rahmen der Klage gegen den Flurbereinigungsplan hat das Flurbereinigungsgericht demgegenüber darauf abgestellt, ob die Klägerinnen bei einer Gegenüberstellung der gesamten Einlagen und der gesamten Abfindung nach den Werteinheiten gemäß der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung mit Land von gleichem Wert (§ 44 Abs. 1 FlurbG) und u.a. entsprechender Nutzungsart (§ 44 Abs. 4 FlurbG) abgefunden wurden. Diesen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab verkennt die Beschwerde zudem bei der weiteren Rüge, vor einer Gegenüberstellung von “Altland” und “Neuland” hätte die Ackerfähigkeit des Flurstücks Nr. 16/1 geklärt werden müssen.
Rz. 7
c) Als weiteren Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz und die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung sieht die Beschwerde die Beurteilung des Flurbereinigungsgerichts zum Abfindungsflurstück Nr. 193. Es habe nicht berücksichtigt, dass ein unförmiges Grundstück betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll nutzbar sei. Schließlich entspreche es allgemeinen Erfahrungssätzen, dass mit einer – insoweit erfolgten – Verkleinerung von Grundstücken das Flurbereinigungsziel zur Verbesserung der Wirtschaftsbedingungen nicht erreicht werden könne.
Rz. 8
Einen Verfahrensmangel hat die Beschwerde damit nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie greift vielmehr die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht an, das sich ausführlich sowohl mit dem Grundstückszuschnitt sowie mit dessen Verkleinerung befasst hat. Mit Blick auf die Verkleinerung des Abfindungsflurstücks hat das Flurbereinigungsgericht ausgeführt, dass sich aus § 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG kein Verbot herleiten lasse, für einzelne Einlageflurstücke kleinere Abfindungsflurstücke zu bilden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass den Klägerinnen mit der Verkleinerung ein Nachteil entstünde, der nicht mit der Vergrößerung von Einlageflächen durch Zuweisung aneinander angrenzender Abfindungsflurstücke ausgeglichen wäre. Ferner komme es durch Abtrennung einer Fläche vom Flurstück Nr. 193 nicht zu einer Formverschlechterung; vielmehr trete eine Formverbesserung ein, weil die Bewirtschaftung der abgetrennten Fläche zumindest teilweise ohnehin behindert gewesen sei.
Rz. 9
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerinnen, das Flurbereinigungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, weil es nicht berücksichtigt habe, dass von dem vorgesehenen Saumstreifen mit einzelnen Strauchgruppen für die Landespflegeanlage Flurstück Nr. 197 erheblicher Schattenwurf auf das Abfindungsflurstück Nr. 193 ausgehe; denn die einzelnen Strauchgruppen würden sich bei natürlicher Sukzession dauerhaft zu einer geschlossenen Hecke mit Bäumen entwickeln. Es gibt jedoch kein Denkgesetz, wonach sich einzelne Strauchgruppen unabhängig von der Art der Bepflanzung stets zu einer geschlossenen Hecke mit nicht nur geringfügigem Schattenwurf und Überwuchs auf das benachbarte Grundstück entwickeln.
Rz. 10
Soweit die Beschwerde in Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts zur Lage der Landespflegeanlage einen Widerspruch zu anderen Ausführungen im angefochtenen Urteil erkennen will, fehlt es an jeglicher Darlegung eines Verfahrensmangels.
Rz. 11
d) Schließlich rügt die Beschwerde als Verstoß gegen die Aufklärungspflicht, dass die Kosten für die Herstellung eines neuen Zaunes nicht aufgeklärt worden seien. Diese Rüge kann nicht durchdringen, weil es nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Flurbereinigungsgerichts nicht auf die Kosten für die Herstellung eines neuen Zaunes ankam.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Buchberger, Dr. Christ
Fundstellen