Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstellung von Testbogen und Festlegung einer Mindestpunktzahl für Eignungsfeststellung als mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie
Leitsatz (redaktionell)
Werden für den schriftlichen Teil einer Eignungsfeststellung Testbogen erstellt und wird eine Mindestpunktzahl bestimmt, die einen Bewerber für die Zulassung zum mündlichen Teil der Eignungsfeststellung erreichen muß, so liegt eine Richtlinie "über die personelle Auswahl bei Einstellungen" im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG vor.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2; BetrVG § 95 Abs. 2; BPersVG § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 8, § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 29.07.1987; Aktenzeichen BPV TK 2029/86) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 26.06.1986; Aktenzeichen I/V K 906/86) |
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Personalrat bei der Erstellung von Testbogen für den schriftlichen Teil der Eignungsfeststellung aus Anlaß der Einstellung von Nachwuchskräften sowie bei der Festlegung einer Mindestpunktzahl als Voraussetzung für die Teilnahme am mündlichen Teil dieser Feststellung ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Durch Verfügung vom 5. November 1985 ordnete die Oberpostdirektion F. zu den Eignungsfeststellungen anläßlich der Einstellung unter anderem von Nachwuchskräften für die mittlere Laufbahn des Fernmeldedienstes zentrale Vorgaben an. Danach sollten - erforderlichenfalls im Anschluß an eine etwaige Vorauswahl aufgrund der Zeugnisse - Bewerber in einer Zahl bis zum Vierfachen der Einstellungsquote zur Eignungsfeststellung eingeladen werden. Die Feststellung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil und dient dem Nachweis von Kenntnissen in Rechtschreibung und Rechnen, von Allgemeinkenntnissen und - nur für das Fernmeldeamt 1 F. - von Fremdsprachenkenntnissen. In jedem Jahr ist zur Erweiterung bzw. Ergänzung der Eignungsfeststellungsunterlagen ein Satz neuer Testbogen zu erstellen. Teilnehmer, welche die vom jeweiligen Amt festzulegende Mindestpunktzahl nicht erreichen, nehmen an der mündlichen Feststellung nicht mehr teil.
Das Fernmeldeamt 1 F., das eine sogenannte Auslandskopfvermittlungsstelle hat, ließ im März 1986 die ersten Testbogen erstellen, nach denen im Bereich Allgemeinkenntnisse 65 Punkte, im Rechnen 30 Punkte, in Rechtschreibung 123 Punkte, in Englisch 98 Punkte und in Französisch 100 Punkte maximal vergeben werden konnten, im schriftlichen Teil insgesamt also höchstens 416 Punkte. Die Mindestpunktzahl wurde - wie im gerichtlichen Verfahren erläutert worden ist - mit 208 Punkten zugrunde gelegt. Für den mündlichen Teil waren bis zu 30 Punkte zu vergeben; auch darüber liegen schriftliche Unterlagen nicht vor. Die auf dieser Grundlage eingestellten Nachwuchskräfte für die mittlere Laufbahn des Fernmeldedienstes durchlaufen eine mehrjährige Ausbildung im Angestelltenverhältnis, die mit einer Laufbahnprüfung abschließt.
Der Antragsteller, Personalrat beim Fernmeldeamt 1 F., machte gegenüber dem Beteiligten, dem Vorsteher dieses Amtes, geltend, die Erstellung der Testbogen unterliege seiner Mitbestimmung. Dies lehnte der Beteiligte mit Schreiben vom 12. März 1986 ab. Daraufhin hat der Antragsteller das Beschlußverfahren eingeleitet und erstinstanzlich zusätzlich beantragt,
festzustellen, daß bei der Erstellung von Testbogen für die
Eignungsfeststellung der BF-Nachwuchskräfte sowie bei der vom
Beteiligten festzulegenden Mindestpunktzahl für den schriftlichen Teil
der Eignungsfeststellung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr.
8 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG besteht.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat ausgeführt: Bei den Arbeitsbogen für die schriftliche Eignungsfeststellung handele es sich nach Form und Inhalt nicht um Personalfragebogen im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG. Mit der Eignungsfeststellung solle erreicht werden, daß nur Bewerber eingestellt würden, die den Anforderungen in den künftigen Verwendungsbereichen genügten. Es solle nicht die Eignung für einen speziellen Arbeitsplatz festgestellt werden, sondern für den gesamten mittleren Fernmeldedienst. Gleichzeitig werde der Zweck der Bestenauslese verfolgt. Das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG sei ebenfalls zu verneinen, weil keine Auswahlrichtlinie vorliege.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag durch Beschluß vom 26. Juni 1986 teilweise stattgegeben und festgestellt, daß dem Antragsteller bei der Erstellung von Testbogen für die Eignungsfeststellung der BF-Nachwuchskräfte sowie der vom Beteiligten festzulegenden Mindestpunktzahl für die Einstellung dieser Kräfte ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG zustehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten mit der Begründung zurückgewiesen, die Anordnung über die in Rede stehenden Testbogen und die von den Bewerbern zu erreichende Mindestpunktzahl stelle eine Auswahlrichtlinie dar. Daß davon nur ein Teilaspekt üblicher Auswahlgrundsätze berührt werde und beispielsweise soziale Gesichtspunkte überhaupt nicht erwähnt würden, sei unerheblich. Denn jedenfalls handele es sich um eine (weitere) Vorauswahl, die den Kreis der Bewerber reduziere, bevor die letztentscheidende Auswahl getroffen werde. Dabei gehe es - anders als bei Ausschreibungsrichtlinien - nicht um eine Beeinflussung des Umfanges und der Zusammensetzung des (erst noch) zu erwartenden Bewerberkreises, sondern in einem späteren Stadium des Einstellungsverfahrens um eine Auswahl aus einem Bewerberkreis, der bereits vorhanden sei. Anforderungsprofile im Sinne von Ausweisungen, die sich auf bestimmte - d.h. genau umrissene - Arbeitsplätze bezögen, lägen hingegen nicht vor. Auch die Mindestpunktzahl diene nur der Feststellung von Grundanforderungen an Nachwuchskräfte für den mittleren Fernmeldedienst, und zwar, wie der Beteiligte erstinstanzlich vorgetragen habe, nicht in bezug auf einen speziellen Arbeitsplatz, sondern für den gesamten mittleren Dienst.
Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte beantragt,
die Beschlüsse des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs - Fachsenat für
Personalvertretungssachen (Bund) - vom 29. Juli 1987 sowie des
Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. - Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Bund) - vom 26. Juni 1986 aufzuheben, soweit
dem Antrag des Antragstellers entsprochen worden ist, und den Antrag in
vollem Umfang abzuweisen.
Er rügt eine Verletzung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG und trägt vor: Mit dem Test sei lediglich der Zweck verfolgt worden, den Kreis der Bewerber für den mündlichen Eignungstest einzuschränken. Eine in dem Begriff "Auswahlrichtlinie" vorausgesetzte verbindliche Anweisung an die für die Einstellung der Bewerber zuständige Personalstelle, insbesondere darüber, nach welchen Kriterien Bewerber, die den Mindestanforderungen genügten, auszuwählen seien, liege nicht vor. Bereits der vom Beschwerdegericht angesprochene Ausnahmefall widerlege die Annahme einer verbindlichen Weisung. Außerdem handele es sich um keine generelle Regelung in der Form einer Richtlinie, weil jährlich, d.h. für jede Einstellungsaktion, neue Testbogen herzustellen seien. Eine personelle Auswahl könne ferner schon deshalb nicht grundsätzlich geregelt sein, weil wesentliche Kriterien außer acht blieben. Schon gar nicht diene der Test der "Bestenauswahl". Wenn andererseits in der Beschwerdeentscheidung würdigend von "Grundanforderungen an die Person des Bewerbers" die Rede sei, lasse auch dies erkennen, daß es sich letztlich um eine Festlegung von Anforderungsprofilen handele. Ein Mitbestimmungsrecht gar bei der Formulierung einzelner Testfragen einzuräumen, würde dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts zuwiderlaufen.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß dem Antragsteller bei der Erstellung von Testbogen für die Eignungsfeststellung im Rahmen der Einstellung von Nachwuchskräften für die mittlere Laufbahn des Fernmeldedienstes sowie bei der festzulegenden Mindestpunktzahl für den schriftlichen Teil dieser Eignungsfeststellung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG zusteht.
Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen beim Erlaß von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen. Der Mitbestimmungstatbestand wurde mit der Neufassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes im Jahre 1975 eingeführt. In erster Linie wurde dabei ein verstärkter Ausbau der Beteiligungsrechte im Sinne einer Angleichung an die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes angestrebt (vgl. BT-Drucks. 7/1373, S. 2 und S. 5 zu § 69). Bei der Auslegung der Vorschrift kann daher auch auf das "Vorbild" in § 95 BetrVG zurückgegriffen werden. Dort finden sich in Absatz 2 Auslegungshinweise zum möglichen Inhalt von Auswahlrichtlinien im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG. Gegenstand der Richtlinien können also zumindest die bei den in Rede stehenden Maßnahmen "zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte" sein.
Auswahlrichtlinien bezwecken, daß die auf ihnen beruhenden und durch Ermessens- und Beurteilungsspielräume gekennzeichneten Einzelentscheidungen ihrem Inhalt nach durch Festlegung bestimmter Vorgaben versachlicht und zugleich für die davon Betroffenen besser durchschaubar werden (vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 50 zu § 95). Die durch die Vorgaben gesteuerten Entscheidungen sollen also im gesetzlich vorgegebenen Rahmen "gerechter" ausfallen, und zwar sowohl in ihrer Sachbezogenheit als auch in ihrer Rücksichtnahme auf die jeweilige individuelle Betroffenheit.
Auf den Einzelfall bezogen soll über die Beteiligung der Personalvertretung verhindert werden können, daß die Auswahl von schon allgemein als unsachlich anzusehenden Gesichtspunkten oder auch nur von solchen Kriterien abhängig gemacht wird, die sich in persönlicher oder fachlicher Hinsicht durch die jeweils konkret betroffenen Aufgaben im öffentlichen Dienst sachlich nicht rechtfertigen lassen; wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, soll ferner darauf hingewirkt werden können, daß bei der Entscheidung soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden (vgl. vor allem auch § 79 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BPersVG). Letzteres muß namentlich auch für die sich summierenden Auswirkungen gelten, die sich bei einer Mehr- oder Vielzahl von Personalentscheidungen ergeben. Hier können sich unter quantitativen Aspekten neue, zusätzliche Gesichtspunkte ergeben. Denn die Summe "gerechter" Einzelfallentscheidungen muß nicht zwangsläufig auf eine auch quantitativ ausgewogene Berücksichtigung aller nach § 95 Abs. 2 BetrVG zu beachtenden Belange hinauslaufen. Die Steuerung quantitativer Gesichtspunkte durch Auswahlrichtlinien ist freilich nicht nur in sozialer Hinsicht bedeutsam; sie darf bei den fachlichen Voraussetzungen mit Blick auf die herausragende Bedeutung des Art. 33 Abs. 2 GG nicht minder vernachlässigt werden. Das gilt namentlich bei Einstellungen.
Im Dienste dieser materiell-rechtlichen Zwecke werden mit dem Mitbestimmungstatbestand zugleich verfahrensrechtliche Zielsetzungen verfolgt. Zunächst soll das Beteiligungsverfahren durch die Festlegung einheitlicher Kriterien für einzelne oder mehrere Entscheidungselemente vereinfacht werden. Es soll außerdem eine möglichst frühzeitige und wirkungsvolle Beteiligung in der Form der Mitbestimmung sichergestellt werden. Letztlich erweist sich das sogar zur Wahrung des bei Einzelmaßnahmen gegebenen Umfangs der Beteiligung als notwendig; es geht also auch um eine Sicherung der Beteiligungsrechte vor einer Aushöhlung. Wäre nämlich die Verallgemeinerung von Entscheidungselementen in Richtlinien mitbestimmungsfrei, so würden diese Festlegungen die Möglichkeiten einer Ausübung eines nur im Einzelfall gegebenen Beteiligungsrechts entsprechend einschränken. Denn über Art. 3 Abs. 1 GG entfalten diese Festlegungen in aller Regel eine freilich Vorbehalten zugängliche Selbstbindung der Verwaltung im Ermessensbereich, und zwar dies mit - entsprechend den Vorbehalten - begrenzter Außenwirkung. Über sie könnte sich der Personalrat ebensowenig hinwegsetzen wie die Dienststelle. Eben aus diesem Grunde berechtigt auch der Verstoß gegen eine Richtlinie im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG bzw. zum Widerspruch gegen eine Kündigung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 BPersVG.
Unter Berücksichtigung der genannten Gesetzeszwecke sind Auswahlrichtlinien Grundsätze, die für eine Mehrzahl von personellen Entscheidungen bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen positiv oder negativ vorwegnehmend festlegen, welche Kriterien im Zusammenhang mit den zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkten in welcher Weise zu berücksichtigen sind. Im übrigen ergibt sich im einzelnen für die Rechtsanwendung folgendes:
Zunächst kommt es nicht darauf an, daß die Richtlinie im Wege einer Weisung an eine nachgeordnete Dienststelle ergeht und für unbestimmte Zeit oder für eine unbestimmte Mehrzahl von Entscheidungen gilt. Maßgeblich ist nämlich allein, daß eine (begrenzt) außenwirksame Selbstbindung der Verwaltung antizipiert wird. Diese Bindung kann auch in der Weise erzeugt werden, daß sich die Dienststelle selbst durch Aufstellung allgemeiner Grundsätze festlegt, von denen sie sich, hat sie sich erst einmal gebunden, mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr ohne weiteres lösen kann. Aus den genannten Zwecken folgt weiter, daß die Festlegung inhaltlich nicht vollständig und abschließend sein muß; denn auch wenn sie unter Vorbehalten steht, Ausnahmen zuläßt oder sachlich unvollständig ist, schließt dies nicht aus, daß im übrigen - bezüglich einzelner oder mehrerer Entscheidungselemente - eine Selbstbindung eintritt. Derartige antizipierte Festlegungen sollen auch nicht teilweise in Bindung erwachsen können, bevor nicht die Personalvertretung beteiligt worden ist; sonst ergäbe sich eine Schmälerung der Beteiligungsrechte, die durch den Mitbestimmungstatbestand gerade vermieden werden soll. Auf die Form kann es bei allem nicht ankommen (vgl. zu § 95 BetrVG auch Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl. 1990, § 95 Rdnr. 7 m.w.N.; vgl. ferner zu Verwaltungsanordnungen im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG: BVerwGE 77, 1 ≪2≫), weil sie für den etwaigen Eintritt einer Bindung keine konstitutive Wirkung zeitigen kann.
Gegenstand der Mitbestimmung ist nicht nur die Festlegung aller, mehrerer oder einzelner Entscheidungskriterien, sondern auch das Verfahren, in dem das Vorliegen dieser Entscheidungsvoraussetzungen festgestellt wird. Das Verfahren kann einzelne Aspekte gleichermaßen deutlicher hervortreten oder aber auch in den Hintergrund rücken lassen und dadurch zu Gewichtungen führen, welche die Entscheidung ausschlaggebend beeinflussen. Verfahrensregelungen können z.B. dazu führen, daß einzelne der insgesamt zu beachtenden Gesichtspunkte mit größerer oder geringerer Durchsetzungsfähigkeit versehen werden. Werden etwa fachliche Gesichtspunkte in zu wenig differenzierender Form festgestellt, steht zu besorgen, daß sie leicht überspielt werden können. Führt hingegen die Feststellung zu einer so starken Ausdifferenzierung, daß sie allein unter diesem einen Aspekt eine vollständige Reihung aller in Betracht zu ziehenden Personen ermöglicht, und werden demgegenüber soziale Belange in nur unzulänglicher Weise erfaßt, so können letztere nicht ausreichend zur Geltung kommen.
Verfahrensregelungen unterliegen allerdings nur der Mitbestimmung, soweit sie sich auf die Auswahl im eigentlichen Sinne auswirken können; d.h. sie müssen sich auf einen Bewerberkreis beziehen, der im geregelten Verfahrensgang jeweils schon v o r h a n d e n ist. Davon zu unterscheiden sind Verfahrensschritte, die - wie z.B. die Gestaltung einer Ausschreibung - dem Vorfeld der eigentlichen Auswahl zuzuordnen sind und lediglich den Umfang oder die Zusammensetzung des erst noch zu e r w a r t e n d e n bzw. des zur Bewerbung erst noch a u f z u f o r d e r n d e n Bewerberkreises beeinflussen. Bei dieser Abgrenzung ist zu beachten, daß jede Auswahl einen positiven und einen negativen Aspekt haben muß. Sie führt einerseits zur Begünstigung des oder der Ausgewählten, sie bewirkt aber auch zwangsläufig das Ausscheiden der nicht berücksichtigten Bewerber. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Demgemäß ist unter dem Begriff "Auswahl" nicht nur die positive, sondern auch jede negative Auslese unter denjenigen Bewerbern zu verstehen, welche zunächst einmal die allgemeinen Anforderungen erfüllen. Auch wenn die negative Auslese in Teilschritten erfolgt und sich erst mit ihrem letzten Schritt als unmittelbare Kehrseite der positiven Auslese darstellt, so dienen doch alle vorhergehenden Schritte ursächlich und zweckgerichtet dazu, im positiven Sinne dem Ergebnis der Auswahl aus einem feststehenden Bewerberkreis näherzukommen.
Nach dem bisher Dargelegten erweisen sich die Angriffe des Beteiligten gegen die in dem angefochtenen Beschluß enthaltenen Ausführungen zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Erstellung von Testbogen ohne weiteres als unbegründet. Der Umstand, daß möglicherweise die Mindestpunktzahl für den schriftlichen Teil und die für den mündlichen Teil zu vergebende Höchstpunktzahl nicht in schriftlicher Form festgelegt sind, steht der Annahme einer Auswahlrichtlinie nicht entgegen. Ebensowenig kommt es darauf an, ob eine Weisung an eine bestimmte Stelle oder Abteilung vorliegt, ob Ausnahmen zulässig sind oder die Testbogen jährlich neu gefaßt werden, und auch nicht darauf, daß nicht alle bei der Einstellung zu beachtenden Entscheidungselemente mit der Eignungsfeststellung erfaßt werden, mithin also wesentliche Einstellungskriterien grundsätzlich außer acht bleiben. Entscheidend ist allein, daß für die im konkreten Jahr zu besetzende Zahl von 30 Stellen das Verfahren der Feststellung von Kenntnissen aus der Vorbildung sowie eine Gewichtung dieser Kenntnisse nach einheitlichen Maßstäben festgelegt wurde und daß weiterhin die in der Dienststelle zuständige Stelle sich mit diesen Festlegungen in einer Weise gebunden hat, daß sie von ihnen im Außenverhältnis zu den Bewerbern nicht nach Belieben wieder Abstand nehmen konnte. Auswahlerheblich waren die Festlegungen schon allein deshalb, weil sie die Bildung einer Rangfolge wenn nicht vorsahen, so doch zuließen (und dies im Ergebnis sogar mit durchaus praktischen Auswirkungen).
Ob die demnach grundsätzlich mitbestimmungspflichtige Zusammenstellung von Testbogen der in Rede stehenden Art auch wegen des Inhalts oder gar wegen der Formulierung einzelner Fragen der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG unterliegt, ist hier nicht zu entscheiden, denn der Antragsteller hat diese Befugnis jedenfalls bislang nicht für sich in Anspruch genommen, so daß darüber weder vor noch während des Beschlußverfahrens Streit bestanden hat; auch die angegriffenen Entscheidungen enthalten dazu keine ausdrücklichen Hinweise.
Soweit es die Festlegung einer Mindestpunktzahl betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls zutreffend entschieden, daß diese als Bestandteil der Auswahlrichtlinie der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG unterlag. Allein mit dem Hinweis auf den Zweck der Mindestpunktzahl, den Kreis der Bewerber einzuschränken, läßt sich diese Regelung noch nicht dem Vorfeld der eigentlichen Auswahl zuordnen. Zu Recht hat vielmehr der Verwaltungsgerichtshof darauf abgestellt, daß davon ein Verfahrensstadium betroffen ist, in dem bereits ein bestimmter Kreis von Bewerbern vorhanden ist. Wird dieser Bewerberkreis anhand von auswahlgeeigneten Kriterien reduziert, so handelt es sich nach den bisherigen Ausführungen um einen Teil des Auswahlverfahrens; dies muß jedenfalls dann gelten, wenn es sich um prinzipiell berücksichtigungsfähige Bewerber handelt, welche die Laufbahnvoraussetzungen oder die Ausschreibungsbedingungen erfüllen. An solche Bedingungen oder Voraussetzungen knüpft aber die Mindestpunktzahl nicht an.
Mit Recht ist schließlich das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß über die Mindestpunktzahl nicht etwa ein mitbestimmungsfreies Anforderungsprofil im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festgelegt worden ist. In wörtlicher Übernahme dieser Rechtsprechung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, Anforderungsprofile dienten dazu, für bestimmte Arbeitsplätze auszuweisen, welchen Anforderungen fachlicher, persönlicher und sonstiger Art ein potentieller Stelleninhaber genügen muß, um die dem Arbeitsplatz zugewiesene Aufgabe erfüllen zu können (BAGE 43, 26 ≪30≫). Wenn das Beschwerdegericht dazu erläuternd ausführt, im diesem Sinne hätten sich derartige Ausweisungen auf genau umrissene Arbeitsplätze zu beziehen, so ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das Bundesarbeitsgericht selbst präzisiert seine Auffassung an anderer Stelle dahingehend, Anforderungsprofile stellten nichts anderes dar als die festgeschriebenen Vorstellungen des Arbeitgebers darüber, welche Anforderungen eine Stelle mit b e s t i m m t e r A u f g a b e an den Stelleninhaber stelle (BAGE 43, 26 ≪31≫). Diese an den konkreten Aufgaben bestimmter Stellen ausgerichtete Abgrenzung der Anforderungsprofile erscheint auch und gerade im Personalvertretungsrecht sachgerecht. Namentlich ist sie geeignet, ein unerwünschtes Eindringen in das Organisationsermessen zu vermeiden, soweit dieses nicht nur die Organisation des Ablaufs der Dienstgeschäfte betrifft, sondern unter Umständen auch die Aufgabenerfüllung unmittelbar berührt. Dieser Auffassung ist daher zu folgen.
Bei der Festlegung der Mindestpunktzahl für den in Rede stehenden Eignungstest handelt es sich nicht um die Erstellung eines Anforderungsprofils. Dagegen spricht schon, daß ein Erreichen der Mindestpunktzahl nur ein geringes Maß an Aufschluß über bestimmte fachbezogene Kenntnisse vermittelt. Werden nämlich die maximalen Punktzahlen in den Bereichen Allgemeinkenntnisse, Rechnen und Rechtschreibkenntnisse annähernd erreicht, so kann bereits damit die Mindestpunktzahl überschritten werden; umgekehrt reicht die maximale Punktzahl im Bereich Fremdsprachen für sich allein fast an die Mindestpunktzahl heran. Davon abgesehen geht es bei dem gesamten Spektrum nicht um arbeitsplatzspezifische Fachkenntnisse, sondern um eine - freilich gewichtete - Abfrage von Vorkenntnissen, wie sie durch die schulische Allgemeinbildung vermittelt werden. In diesem Sinne ist auch das Beschwerdegericht zu verstehen, wenn es ausführt, es handele sich bei der Festlegung einer Mindestpunktzahl um "Grundanforderungen an die Person der Bewerber". Damit soll offensichtlich nur ein Gegensatz zu Anforderungen betont werden, die einen Bezug zu den konkreten Aufgaben bestimmter Stellen haben.
Der allgemeine Inhalt der Kenntnisse, über die ein Erreichen der Mindestpunktzahl Aufschluß gibt, trägt wiederum dem eigentlichen Zweck der Eignungsprüfung durchaus Rechnung. Dieser besteht nämlich darin, geeignete Nachwuchskräfte einzustellen, um ihnen eine berufliche Ausbildung erst zu ermöglichen. Wie sonst geschieht dies nicht für einen bestimmten Arbeitsplatz, sondern, wie das Beschwerdegericht unter zutreffendem Hinweis auf früheres Vorbringen des Beteiligten im Beschlußverfahren ausgeführt hat, für den gesamten mittleren Fernmeldedienst. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß eine Festlegung von Mindestpunktzahlen bereits mit der Verfügung der Oberpostdirektion vom 5. November 1985 den damit angesprochenen Ämtern aufgegeben worden ist und daß damit übergeordnete Zwecke verfolgt worden sind. Die Verfügung richtet sich an verschiedene Fernmeldeämter und nicht nur an das Auslandsfernmeldeamt F.. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, ist das Ziel dieser Verfügung, zentrale Vorgaben für eine rationelle Durchführung der Eignungsfeststellung einzuführen. Auch und gerade in diesem allgemeinen Lichte muß der Sinn und Zweck von Mindestpunktzahlen gesehen werden. Dieser besteht aber regelmäßig - wie im Prüfungswesen - in erster Linie darin, das Verfahren durch den Ausschluß praktisch aussichtsloser Bewerber zu entlasten. Dieser Aspekt widerspricht also ebenfalls der Annahme einer Festlegung von Anforderungsprofilen.
Auch unter anderen Gesichtspunkten läßt sich eine Herausnahme der Festlegung der Mindestpunktzahl aus der Mitbestimmung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG nicht rechtfertigen. Namentlich enthält die Festlegung keine zusammenfassende Funktionsbeschreibung. Dies festzustellen, bedarf es keiner abschließenden Klärung, was darunter im einzelnen zu verstehen ist. Das Bundesarbeitsgericht nimmt nämlich solche Funktionsbeschreibungen vom Mitbestimmungstatbestand des § 95 BetrVG deshalb aus, weil sie "noch nicht einmal Anforderungen hinsichtlich der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen der jeweiligen Funktionsträger" enthalten (vgl. BAGE 50, 337 ≪347≫). Davon, daß die Festlegung einer Mindestpunktzahl im Rahmen einer Eignungsfeststellung in dieser Weise in ihrer Auswahlerheblichkeit noch hinter Anforderungsprofilen zurückbliebe und deshalb erst recht nicht nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG mitbestimmungspflichtig wäre, kann nicht die Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 543810 |
Buchholz 250 § 76 BPersVG, Nr 20 (LT) |
DokBer B 1990, 314 (L) |
ZBR 1991, 58 |
ZBR 1991, 58 (L) |
ZTR 1991, 36-37 (LT) |
AP § 76 BPersVG (LT), Nr 1 |
AP § 95 BetrVG 1972 (L), Nr 24 |
DÖV 1991, 657 (K) |
DVBl 1991, 123 (L) |
PersR 1990, 332-334 (ST) |
PersV 1991, 85-88 (LT) |
Schütz BeamtR ES/D IV 1, Nr 49 (LT) |
Schütz BeamtR ES/D IV 1, Nr 53 (LT) |
ZfPR 1991, 8-12 (LT) |
DVBl. 1991, 123 |