Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzschulförderung. Umfang des grundrechtlichen Schutzanspruchs des Ersatzschulträgers. Berechnungsweise für Zuschüsse
Leitsatz (amtlich)
Von Art. 7 Abs. 4 GG gehen keine den diesbezüglichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einengenden Vorgaben im Hinblick auf die Berechnungsweise für Zuschüsse an Ersatzschulträger aus, solange im Ergebnis die Ersatzschule als Institution nicht existentiell gefährdet ist.
Normenkette
GG Art. 7 Abs. 4; BlnSchulG § 101
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.02.2012; Aktenzeichen 3 B 19.09) |
VG Berlin (Urteil vom 25.03.2009; Aktenzeichen 3 A 253.07) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 20. Februar 2012 – BVerwG 6 B 38.11 – juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
Rz. 3
a. Der Kläger macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage geltend, “ob bei der Förderung einer Privatschule anhand vergleichbarer Kosten öffentlicher Schulen im Rahmen von Art. 3 GG und vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 4 GG zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der förderberechtigten privaten Schule um eine gebundene Ganztagsschule als spezielle Schulform handelt”? In dem angefochtenen Urteil hat es das Oberverwaltungsgericht für rechtmäßig erachtet, dass der Beklagte bei der Berechnung des Zuschusses an den Kläger nach § 101 BlnSchulG allgemein die öffentlichen Grundschulen im Land Berlin und nicht die spezielle Form der gebundenen Ganztagsgrundschulen als Vergleichsgruppe herangezogen hat (UA S. 15 f.). Hiergegen hat sich der Kläger in den Vorinstanzen gewandt.
Rz. 4
b. Die vom Kläger aufgezeigte Frage lässt im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 GG keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hervortreten, der die Zulassung der Revision rechtfertigen würde. Denn sie ist insoweit auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung offenkundig zu verneinen (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 – BVerwG 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 ≪270≫ = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die der Senat sich zu eigen gemacht hat – ist geklärt, dass aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe folgt. Der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers ist nur darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht zu Gunsten des Ersatzschulwesens als Institution gesetzt sind. Der gerichtliche Rechtsschutz bezieht sich unter diesen Umständen auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaus getroffener Maßnahmen (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 1 BvR 682, 712/88 – BVerfGE 90, 107 ≪117≫; BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011 – BVerwG 6 C 18.10 – juris Rn. 14). Der Gesetzgeber vernachlässigt seine Pflicht gröblich, wenn bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre (Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O.). Hieraus folgt zwingend, dass von Art. 7 Abs. 4 GG keine – den diesbezüglichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einengenden – Vorgaben im Hinblick auf die Berechnungsweise für gewährte Zuschüsse und die hierbei angesetzten Vergleichsparameter ausgehen, solange im Ergebnis die Ersatzschule als Institution nicht existentiell gefährdet wird. Es wäre normativ widersprüchlich, wenn für die Gewährung von Finanzhilfe dem Grunde nach und für die Modalitäten ihrer Berechnung aus dem Blickwinkel von Art. 7 Abs. 4 GG unterschiedlich weitreichende Maßstäbe angelegt würden (vgl. bereits Beschluss vom 25. August 2011 – BVerwG 6 B 16.11 – juris Rn. 6 im Hinblick auf Fälligkeitsvoraussetzungen gesetzlicher Förderansprüche). Daher besteht auch schon keine Verpflichtung des Gesetzgebers, sich bei der Bemessung von Zuschüssen überhaupt an den vergleichbaren Kosten öffentlicher Schulen zu orientieren (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 23). Was das Verbot der evidenten institutionellen Existenzgefährdung des Ersatzschulwesens als Grenze des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers in – jedweden – schulgesetzlichen Regelungszusammenhängen betrifft, so ist diesbezüglicher rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf weder von der Beschwerde dargetan noch sonst in einem Zusammenhang ersichtlich, der für die Entscheidung des vorliegenden Falles von Bedeutung sein könnte.
Rz. 5
c. Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG lässt die vom Kläger aufgezeigte Frage keinen rechtsgrundsätzlichen, die Revision eröffnenden Klärungsbedarf hervortreten. Im Kern will der Kläger diesen daraus ableiten, dass das Ausblenden von Form- und Organisationsunterschieden zwischen verschiedenen Schulen ein- und derselben Schulart bei der schulgesetzlich vorgegebenen Berechnung von Förderbeträgen zu Ungleichbehandlungen einerseits im Verhältnis zu staatlichen Schulen, andererseits aber auch im Verhältnis privater Schulen untereinander führen könnte. Damit tut die Beschwerde indes nicht dar, dass im Hinblick auf den gleichheitsrechtlichen Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG Klärungsbedarf bestünde, sondern stellt lediglich in Frage, ob das vorinstanzliche Urteil im Hinblick auf die darin vorgenommene Auslegung und Anwendung des Berliner Schulrechts mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung oder Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision jedoch allenfalls dann begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 21. Juli 2011 – BVerwG 6 B 29.11 – juris Rn. 2 ≪in Buchholz insoweit nicht veröffentlicht≫).
Rz. 6
2. Mit der von ihm erhobenen Verfahrensrüge macht der Kläger einen Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen den richterlichen Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) geltend. Indem das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt habe, es sei nichts dafür ersichtlich, dass sich der Personalbedarf oder die Personalkostendurchschnittssätze an Ganztagsgrundschulen in gebundener Form von denen anderer Grundschulen unterscheiden würden, habe es eine Würdigung eines konkreten Sachverhalts vorgenommen, ohne dass dieser Sachverhalt tatsächlich ermittelt worden wäre. Diese Rüge führt – auch wenn man sie zusätzlich als Aufklärungsrüge werten wollte – schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, da die Frage, ob die in Rede stehenden Unterschiede tatsächlich bestehen, für das angefochtene Urteil nicht entscheidungserheblich war und dieses auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel folglich nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen könnte. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich die Maßgeblichkeit der speziellen Kostenstrukturen der öffentlichen gebundenen Ganztagsgrundschulen bereits mit Blick auf die einschlägigen Bestimmungen der Ersatzschulzuschussverordnung verneint (UA S. 15 f.) und ist – ausschließlich mit Blick auf das Lehrerpersonal – auf die Frage des Bestehens tatsächlicher Kostenunterschiede im Vergleich zur Gesamtgruppe der Grundschulen lediglich im Rahmen einer Hilfsbegründung eingegangen (UA S. 16). Unabhängig davon hat das Oberverwaltungsgericht das Fehlen solcher Unterschiede auch nicht ohne weiteres unterstellt, sondern nachvollziehbar daraus hergeleitet, dass ausweislich der Anlagen zur Grundschulverordnung einheitliche Stundentafeln bzw. Jahresstundenrahmen für sämtliche Grundschulen – ungeachtet ihrer jeweiligen Form – vorgesehen sind (a.a.O.). Bei dieser Sachlage war es weder geboten, weitergehende Ermittlungen anzustellen – zumal der Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2012 (GA Bl. 383 ff.) auch keinen dahingehenden Beweisantrag gestellt hatte –, noch verstieß es gegen den richterlichen Überzeugungsgrundsatz, die dargelegten Schlussfolgerungen zu ziehen.
Rz. 7
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Neumann, Büge, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen