Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Aufklärungspflicht. Sachverständigengutachten. Darlegungsgebot. ergänzendes Verfahren. Abwägungsmangel. Heilung. Trennungsgrundsatz. Lärmvorsorge. Lärmschutzmaßnahmen. Verkehrslärmvorbelastung. Lärmsanierung. Trassenwahl
Leitsatz (amtlich)
1. Liegen zu der unter Beweis gestellten Frage Sachverständigengutachten vor, welche diese gegensätzlich beantworten, darf sich die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch Nichteinholung eines weiteren Gutachtens nicht darauf beschränken, die fehlende Eignung des vom Gericht verwerteten Gutachtens aufzuzeigen; die Beschwerde muss außerdem darlegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass auch das andere Gutachten nicht geeignet ist, die Beweisfrage abschließend zu klären.
2. Im ergänzenden Verfahren heilbar sind alle Mängel der Abwägung, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die Planfeststellungsbehörde nach erneuter fehlerfreier Abwägung an der getroffenen Entscheidung festhält (im Anschluss an Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 ≪365≫).
3. Die Vorschrift des § 50 Satz 1 BImSchG ist auf eine Lärmvorsorge unterhalb der für Maßnahmen des Lärmschutzes geltenden Beeinträchtigungsschwelle (§ 41 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV) durch räumliche Trennung störungsträchtiger und -empfindlicher Nutzungen ausgerichtet; ihr kann daher nicht die Abwägungsdirektive entnommen werden, die Trasse einer Straße möglichst so zu wählen, dass Lärmschutzmaßnahmen notwendig werden, die zu einer Verringerung bestehender Verkehrslärmvorbelastungen (Lärmsanierung) führen (im Anschluss an Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪253 f.≫).
Normenkette
VwGO § 86 Abs. 1, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 S. 3; FStrG § 17e Abs. 6 S. 2; BimSchG § 50 S. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 30.10.2007; Aktenzeichen 8 A 06.40024) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 1 8/59, der Kläger zu 2 4/59 und im Folgenden jeweils als Gesamtschuldner die Kläger zu 4 bis 7 21/59, die Kläger zu 8 bis 10 7/59, die Kläger zu 11 und 12 2/59, die Kläger zu 13 und 14 4/59 sowie die Kläger zu 15 und 16 13/59.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 363 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Vorinstanz habe es versäumt, das beantragte Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der prioritäre Lebensraumtyp “Auwald” im Bereich unterhalb von Autobahnbrücken überleben könne (GA I Bl. 173 f.). Diese Rüge rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Ob es zusätzliche Sachverständigengutachten einholt, darf das Tatsachengericht gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen Ermessen entscheiden (Beschluss vom 4. Dezember 1991 – BVerwG 2 B 135.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238 S. 67 und Beschluss vom 13. März 1992 – BVerwG 4 B 39.92 – NVwZ 1993, 268). Ein Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn sich die Einholung eines weiteren Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten hätte aufdrängen müssen. Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschluss vom 2. März 1995 – BVerwG 5 B 26.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 267 S. 12; Beschluss vom 4. Januar 2007 – BVerwG 10 B 20.06 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 S. 5 m.w.N.).
Die Vorinstanz hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die durch das FFH-Gebiet “Isental mit Nebenbächen” geschützten Auwaldbestände unterhalb der in den Folgeabschnitten geplanten Bachquerungen fortbestehen können, mit der Begründung abgelehnt, dass hierzu bereits gegensätzliche sachverständige Äußerungen vorlägen; von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu eben dieser Frage seien daher keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten (UA S. 62 Rn. 163). Die Beschwerde legt nicht schlüssig im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dar, weshalb es sich der Vorinstanz gleichwohl hätte aufdrängen müssen, den beantragten Sachverständigenbeweis zu erheben. Liegen zu der unter Beweis gestellten Frage Gutachten vor, welche diese gegensätzlich beantworten, darf sich die Aufklärungsrüge nicht darauf beschränken, die fehlende Eignung des einen sowie die Richtigkeit des anderen Gutachtens darzulegen; sie ist nur dann schlüssig, wenn außerdem aufgezeigt wird, dass auch das – nach Auffassung der Beschwerde – richtige Gutachten nicht geeignet ist, die Beweisfrage abschließend zu klären.
Daran fehlt es hier. Die Beschwerde macht der Sache nach geltend, dass die Frage der Überlebensfähigkeit der Auwaldbestände unter den geplanten Brücken auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen F… zu verneinen ist. In diesem Gutachten werde ausführlich dokumentiert, dass die Standortveränderungen unter Brückenbauwerken in Ost-West-Ausrichtung eine “Degradierung” des prioritären Lebensraumtyps Auwald zur Folge hätten. Es wird jedoch nicht aufgezeigt, inwiefern diese Erkenntnis durch ein weiteres Gutachten noch vertieft und bestätigt werden muss. Stattdessen legt die Beschwerde dar, weshalb die von der Vorinstanz verwerteten Aussagen des Sachverständigen Dr. S… nicht geeignet sind, die Richtigkeit des Gutachtens F… in Frage zu stellen. So sei dessen Dokumentation methodisch fehlerhaft. Sie zeige Brücken in Nord-Süd-Ausrichtung mit anderen Lichtverhältnissen und eine Vegetation im Brückenbereich, die nicht dem Lebensraumtyp Auwald entspreche; außerdem seien die Feuchtbereiche unterhalb der dokumentierten Autobahnbrücken nicht durch Abgrabungen, sondern allein durch Ableitung des ungefilterten Abwassers der Brücken entstanden. Damit wird gerügt, dass die Vorinstanz zu Unrecht den sachverständigen Äußerungen des Gutachters Dr. S… und nicht den gegenteiligen Aussagen des Sachverständigen F… gefolgt ist. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind indes revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (vgl. etwa Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Eine Ausnahme hiervon kommt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271; Beschlüsse vom 2. November 1995 a.a.O., vom 3. April 1996 – BVerwG 4 B 253.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 und vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1). Ein solcher Mangel wird mit der Beschwerde nicht dargetan.
Im Übrigen legt die Beschwerde auch die Entscheidungserheblichkeit der beantragten Beweiserhebung nicht hinreichend dar. Denn die Vorinstanz hat ihre Einschätzung, dem Straßenbauvorhaben stünden in den Folgeabschnitten der planfestgestellten Trasse Dorfen hinsichtlich des FFH-Gebiets “Isental mit Nebenbächen” keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen, weil in der Vorausschau keine erheblichen Beeinträchtigungen des geschützten Auwaldes infolge der Bachquerungen zu besorgen seien, nicht allein auf die Erwägung gestützt, eine auwaldartige Vegetation könne auch unter Autobahnbrücken jedenfalls dann existieren, wenn für eine ganzjährige Durchfeuchtung gesorgt werde (UA S. 55 Rn. 150). Vielmehr hat sie eine Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets “Isental mit Nebenbächen” unter Bezugnahme auf entsprechende Aussagen der Sachverständigen Dr. S… und Dr. O… vom Landesamt für Umwelt darüber hinaus auch für den unterstellten Fall verneint, dass der vorhandene Auwaldbestand unterhalb der nach Ost-West ausgerichteten Brückenbauwerke nicht überleben kann. Es sei zu berücksichtigen, dass kleinflächige Veränderungen der Standortverhältnisse zu den natürlichen Bedingungen von Auwaldbeständen gehörten. Vor diesem Hintergrund könne die Erheblichkeit von Eingriffen nicht an Hand des Verschwindens einzelner Exemplare der für diesen Lebensraum typischen Baumarten Schwarzerle und Esche beurteilt werden, sondern müsse das Auensystem als solches in den Blick genommen werden. Auch nach dem Erhaltungsziel des Lebensraumtyps Auwald würden nicht einzelne Baumarten, sondern der Lebensraumtyp als solcher und seine Funktionsfähigkeit geschützt. Das Auensystem werde hier jedoch insgesamt nur in unbedeutendem Umfang berührt; dadurch werde seine Regenerationsfähigkeit nicht ernsthaft in Frage gestellt (UA S. 57 Rn. 153).
Die Beschwerde zeigt nicht hinreichend auf, dass die Frage, ob Auwaldbestände im Bereich unterhalb der geplanten Autobahnbrücken überleben können, auch vor dem Hintergrund dieser Bewertung der Vorinstanz entscheidungserheblich ist. Die Rüge, diese habe verkannt, dass – im Unterschied zu natürlichen kleinflächigen Veränderungen der Standortverhältnisse des Auwaldes beispielsweise durch Verlagerungen des Gewässerbettes – sich bei kleinflächigen Eingriffen durch Brückenbauwerke kein prioritärer Lebensraumtyp Auwald durch natürliche Sukzession mehr bilden könne, gibt hierfür nichts her. Vielmehr stellt die Beschwerde auch insoweit lediglich ihre Einschätzung des Sachverhalts derjenigen der Vorinstanz gegenüber ohne darzulegen, dass sich eine weitere gerichtliche Aufklärung in dieser Richtung hätte aufdrängen müssen. Im Übrigen hat die Vorinstanz die Besorgnis einer erheblichen Beeinträchtigung des geschützten Lebensraumtyps Auwald wegen der Geringfügigkeit des brückenbedingten Bestandsverlustes verneint und nicht deshalb, weil dieser kleinflächige Verlust durch natürliche Sukzession an anderer Stelle wieder kompensiert werde.
2. Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg.
Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 m.w.N.). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Sie macht geltend, die Vorinstanz habe den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2007 gestellten Beweisantrag Nr. 1.1 (GA I Bl. 173) abgelehnt mit der Begründung, dass die Laufkäferarten nicht im Standarddatenbogen für die Meldung des FFH-Gebiets “Isental mit Nebenbächen” als charakteristische Arten aufgeführt seien; aus diesem Grund seien sie nicht vom Schutzzweck der Gebietsmeldung umfasst (GA I Bl. 176; UA S. 61 Rn. 160). Die Entscheidung beruhe daher auf dem Rechtssatz, dass für die Prüfung der Intensität eines Eingriffs in einen geschützten Lebensraumtyp im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung charakteristische Arten nur dann heranzuziehen seien, wenn sie auch in den Erhaltungszielen des gemeldeten FFH-Gebiets genannt seien. Dieser Rechtssatz weiche vom Urteil des Senats vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – (BVerwGE 128, 1 ≪36≫) ab, wonach neben den Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie, aufgrund derer das Gebiet ausgewählt worden sei, auch die darin vorkommenden charakteristischen Arten als Bestandteil des geschützten Lebensraumtyps zu berücksichtigen seien. Diese Rüge greift nicht durch.
Die von der Beschwerde als divergierend bezeichneten Rechtssätze der Vorinstanz und des Senats im Urteil vom 17. Januar 2007 wurden nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt. Das Urteil des Senats betrifft die Frage, auf welche Arten eines geschützten Lebensraumtyps sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung erstrecken muss. Den von der Beschwerde angegriffenen Rechtssatz hat die Vorinstanz jedoch nicht in Anwendung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der FFH-Richtlinie an die Verträglichkeitsprüfung aufgestellt, sondern im Zusammenhang mit der hinsichtlich des Abwägungsgebots und der gesetzlichen Planungsermächtigung relevanten Frage der Realisierungsfähigkeit der straßenrechtlichen Planung in den nachfolgenden Streckenabschnitten. Insoweit gelten jedoch gegenüber der FFH-Verträglichkeitsprüfung verminderte Prüfungsanforderungen (vgl. Urteile vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 ≪243≫ und vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – NuR 2008, S. 633 ≪658≫).
Davon abgesehen übersieht die Beschwerde, dass die Vorinstanz ihre Rechtsauffassung gerade aus dem Rechtssatz des Senats im Urteil vom 17. Januar 2007 herleitet, von dem die angefochtene Entscheidung abweichen soll. In Betracht kommt daher allenfalls eine fehlerhafte Anwendung des Rechtssatzes des Senats, die eine Divergenz nicht begründen kann.
3. Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.
a) Die Beschwerde hält folgende Frage für klärungsbedürftig:
“Setzt die Unzulässigkeit eines ergänzenden Verfahrens nach § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG eine erhebliche technische Änderungsplanung voraus oder kann auch die Bedeutung und große Zahl der fehlgewichteten Belange zur Unzulässigkeit eines ergänzenden Verfahrens führen?”
Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Frage angesichts der darin enthaltenen vagen Begriffe wie “Bedeutung” und “große Zahl” hinreichend bestimmt ist. Dies bedarf jedoch keiner näheren Erörterung. Denn jedenfalls lässt diese Grundsatzrüge keinen Klärungsbedarf erkennen, der die Durchführung eines Revisionsverfahrens rechtfertigen könnte.
Nach § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG führen erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Im ergänzenden Verfahren heilbar sind alle Fehler bei der Abwägung, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die Planfeststellungsbehörde nach erneuter Abwägung an der getroffenen Entscheidung festhält und hierzu im Rahmen ihres planerischen Ermessens auch berechtigt ist, bei denen sie also nicht von vornherein darauf verwiesen ist, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben oder zu ändern. Hierzu können auch Mängel bei der Alternativenprüfung oder Fehler gehören, die darauf beruhen, dass die planende Behörde durch Abwägung nicht überwindbare Schranken des strikten Rechts verletzt hat. Im ergänzenden Verfahren nicht behoben werden können hingegen Mängel bei der Abwägung, die von solcher Art und Schwere sind, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellen (Urteile vom 1. April 2004 – BVerwG 4 C 2.03 – BVerwGE 120, 276 ≪283 f.≫; vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – BVerwGE 116, 254 ≪268≫ und vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 ≪365≫). Ausgehend davon hängt die Unzulässigkeit eines ergänzenden Verfahrens nicht allein von der “Bedeutung und großen Zahl fehlgewichteter Belange” ab. Es muss außerdem von vornherein ausgeschlossen sein, dass die Planfeststellungsbehörde diese Mängel unter Aufrechterhaltung ihres Planfeststellungsbeschlusses beheben kann. Ob diese Voraussetzung vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur für den Einzelfall beantwortet werden.
Die Grundsatzrüge bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als darauf abgestellt wird, dass ein ergänzendes Verfahren mit Blick auf das Rechtsstaatsgebot und den effektiven Rechtsschutz jedenfalls bei einem vollständigen Austausch der Planungsziele und der Planbegründung unzulässig sei, auch wenn die “technische” Planung selbst nicht geändert werden müsse. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Vorinstanz eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren erheblich sein würde (Beschlüsse vom 6. Juni 2006 – BVerwG 6 B 27.06 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 und vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43). So liegt es hier. Die Vorinstanz ist nicht davon ausgegangen, dass Planungsziele und Planbegründung im ergänzenden Verfahren “vollständig ausgetauscht” wurden. In den Urteilsgründen heißt es vielmehr, dass “die verkehrlichen und verkehrspolitischen Planungsziele neu in den Blick genommen und präzisiert und die Trassenalternativen auf aktualisierter Tatsachengrundlage neu abgewogen” worden seien, ohne dass dem eine Änderung der planerischen Konzeption zugrunde liege (UA S. 12 Rn. 38). Somit ist nicht erkennbar, dass sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren stellen wird. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens in den von der Beschwerde angesprochenen Fällen den Anspruch derjenigen Enteignungsbetroffenen auf effektiven Rechtsschutz verletzen sollte, die auf der Grundlage bestandskräftiger früherer Planfeststellungsbeschlüsse enteignet werden. Denn auch Enteignungsbetroffene haben keinen vor Gericht durchsetzbaren Anspruch auf Aufhebung rechtswidriger Planfeststellungsbeschlüsse, die sie haben bestandskräftig werden lassen.
b) Die Zulassung der Revision kommt auch zur Klärung der folgenden Frage nicht in Betracht:
“Ist ein Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig, wenn das vorhergehende Planfeststellungsverfahren unverhältnismäßig lange gedauert hat?”
Diese Frage geht von einer rechtlichen und tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts aus, welche die Vorinstanz nicht vorgenommen hat. Die Vorinstanz hat nicht angenommen, dass das Planfeststellungsverfahren hier “unverhältnismäßig lange” gedauert hat, sondern im Gegenteil eine überlange Verfahrensdauer der Sache nach mit der Aussage verneint, dass der weitaus größte Teil der Verfahrensdauer Zeiträume außerhalb des Planfeststellungs- und des anschließenden gerichtlichen Verfahrens betroffen habe (UA S. 15 Rn. 45). Bezogen auf diese maßgebliche Einschätzung der Vorinstanz formuliert die Beschwerde jedoch keine in einem Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage, deren Tragweite über den vorliegenden Einzelfall hinaus ginge.
c) Die Frage
“Ist eine sehr kurze Abschnittsbildung mit dem Abwägungsgebot aus § 17 Satz 2 FStrG vereinbar, wenn der mit der Abschnittsbildung verbundene Zweck (Zeitvorteil, Praktikabilität der Planung usw.) gerade nicht erreichbar ist?”
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig verneint werden kann. Danach muss die Abschnittsbildung dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot genügen; jede Abschnittsbildung muss sich inhaltlich rechtfertigen lassen. Welche Gründe im Einzelfall die Bildung eines Teilabschnitts zu rechtfertigen vermögen, lässt sich abstrakt nicht entscheiden. Zwischen den Vorteilen, die in der alsbaldigen Verwirklichung eines Teilbereichs liegen, und eventuell damit verbundenen Nachteilen wie etwa höheren Kosten oder der Durchführung von sich später als überflüssig herausstellenden Baumaßnahmen muss eine sachgerechte Abwägung getroffen werden. Stets muss der Teilabschnitt eine selbständige Verkehrsfunktion besitzen und dürfen der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen stehen (Urteile vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236 ≪243≫ und vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – NuR 2008, S. 633 ≪658≫). Daraus folgt ohne Weiteres, dass eine Abschnittsbildung abwägungsfehlerhaft ist, wenn die mit ihr verfolgten Zwecke nicht erreichbar sind. Im Übrigen hat die Vorinstanz auch nicht festgestellt, dass die Abschnittsbildung hier “sehr kurz” ist und die Zwecke verfehlt, deretwegen sie vorgenommen wurde (vgl. UA S. 16 f. Rn. 49). Es ist daher auch nicht erkennbar, dass sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren stellen würde.
d) Die Zulassung der Revision kommt auch nicht mit Blick auf folgende Frage in Betracht:
“Ist es mit dem Gebot der gerechten Abwägung in § 17 Satz 2 FStrG vereinbar, das Planungskonzept für eine Autobahn, deren Alternativtrasse ebenfalls im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen genannt ist, an politischen Regionalvorgaben der Landesplanung sowie lokalen Erschließungsbelangen auszurichten, die sämtlich nur auf eine der alternativ genannten Trassen zugeschnitten sind?”
Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt. Danach legt der Bedarfsplan zwar eine bestimmte Bedarfsstruktur – etwa hinsichtlich des Verkehrsbedarfs und der Netzverknüpfung – verbindlich fest. Die zeichnerisch dargestellte Trassenwahl selbst nimmt jedoch auch dann nicht an der Bindung des Bedarfsgesetzes teil, wenn sie detailgetreu ermittelbar ist. Nur als gesetzgeberische Wertung, die sich auf die Bedarfsstruktur bezieht, kann sie einen Abwägungsbelang darstellen (Urteil vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331, 343 ff.). Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie legt nicht dar, weshalb sich einem Bedarfsplan, der – wie in der Frage unterstellt – zwei Trassenalternativen darstellt, überhaupt eine gesetzgeberische Wertung zugunsten einer dieser Trassen entnehmen lassen soll. Der Regional- bzw. Landesplanung kann es danach nicht verwehrt sein, sich auf eine dieser Trassen festzulegen; entscheidend ist nur, dass diese Festlegung selbst dem Abwägungsgebot genügt und gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer gesetzgeberischen Wertung in Bezug auf die Bedarfsstruktur getroffen wurde. Dies kann indes nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Daher wirft die Beschwerde auch keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage auf, wenn sie in diesem Zusammenhang rügt, dass die regionalplanerische Festlegung der Trasse Dorfen “vorgeschoben” und willkürlich sei.
e) Die Fragen
“Lässt § 50 Satz 1 BImSchG die Berücksichtigung einer Vorbelastung zu?”,
und
“Ist der Vergleich zweier Trassen in Bezug auf die Lärmauswirkungen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 50 Satz 1 BImSchG abwägungsgerecht, wenn es sich bei einer der beiden Trassen um eine völlige Neuplanung in einem dünn besiedelten Korridor und bei der anderen Trasse um eine Planung in einem stark besiedelten und lärmvorbelasteten Raum unter Einbeziehung einer bestehenden Straße handelt? Mit anderen Worten: Entspricht es immer den Vorgaben des § 50 Satz 1 BImSchG, eine Straße durch den Außenbereich zu führen?”
rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.
aa) Dies gilt für die Frage 1 bereits deshalb, weil sie in der Allgemeinheit, in der sie formuliert ist, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig bejaht werden kann. Dass Vorbelastungen bei der Anwendung des § 50 Satz 1 BImSchG berücksichtigungsfähig sind, folgt aus dem darin verankerten Grundsatz der räumlichen Trennung unverträglicher Nutzungen. Dieser Grundsatz gibt als Abwägungsdirektive nicht nur vor, dass störungsträchtige Nutzungen von schutzbedürftigen Gebieten möglichst abzurücken sind, sondern auch, dass umgekehrt störungsempfindliche Nutzungen nicht in ein bereits vorbelastetes Gebiet “hineingeplant” werden sollen (Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪253≫; Beschlüsse vom 22. Juni 2006 – BVerwG 4 BN 17.06 – BRS 70 Nr. 15 S. 100 und vom 6. Februar 2003 – BVerwG 4 BN 5.03 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 116 S. 72). In diesem Sinne lässt § 50 Satz 1 BImSchG die Berücksichtigung von Vorbelastungen nicht nur zu, sondern fordert sie sogar.
Die Grundsatzrüge vermag jedoch auch dann nicht durchzudringen, wenn zugunsten der Beschwerde die aufgeworfene Rechtsfrage mit Blick auf ihr weiteres Vorbringen enger gefasst wird. Dieses Vorbringen richtet sich gegen die Erwägung der Vorinstanz, die Planfeststellungsbehörde habe beim Vergleich der – siedlungsnahen – Trassenvariante Haag, die weitgehend auf der vorhandenen B 12 verliefe, und der – siedlungsfernen – Trasse Dorfen mit Blick auf den Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG zu Recht nur die Lärmauswirkungen des Neubaus der A 94 selbst berücksichtigt und die Vorbelastung der Siedlungsgebiete im Korridor Haag durch den von der B 12 ausgehenden Verkehrslärm ausgeklammert (UA S. 35 f. Rn. 92 ff.). Eine solche Auslegung des § 50 Satz 1 BImSchG hält die Beschwerde für unzulässig: Sie führe zu verfehlten Ergebnissen, wie der vorliegende Fall zeige. Denn bei Realisierung der Autobahntrasse Haag unter Inanspruchnahme der B 12 würde infolge der dann gebotenen umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen die derzeitige Vorbelastung der Siedlungsgebiete im Korridor Haag gemindert und zugleich der Korridor Dorfen von einer erstmaligen Verlärmung verschont. Die Beschwerde zielt damit auf die Klärung der Frage, ob bei Anwendung des § 50 Satz 1 BImSchG auf den Vergleich von Straßentrassen die Minderung von Lärmvorbelastungen im Korridor einer dieser Trassenvarianten durch vorhabenbedingt notwendig werdende Lärmschutzmaßnahmen zugunsten dieser Variante zu berücksichtigen ist. Auch diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig, sondern muss auf der Grundlage des Gesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verneint werden.
Nach dem Lärmschutzkonzept des Bundes-Immissionsschutzgesetzes soll § 50 Satz 1 BImSchG “soweit wie möglich” Lärmvorsorge unterhalb der in § 41 BImSchG bezeichneten Lärmschwelle durch räumliche Trennung störungsträchtiger und -empfindlicher Nutzungen herstellen. Die Abwehr schädlicher Lärmeinwirkungen durch technische Maßnahmen des Lärmschutzes nach § 41 BImSchG in Verbindung mit der 16. BImSchV kommt als zweite Stufe erst dann zum Tragen, wenn von einer Lärmvorsorge durch räumliche Trennung abwägungsfehlerfrei abgesehen werden kann (Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪253 f.≫). Mit diesem Lärmschutzkonzept ist die von der Beschwerde vertretene Auslegung des § 50 Satz 1 BImSchG unvereinbar. Danach würde diese Vorschrift als Abwägungsdirektive vorgeben, Straßenbauvorhaben möglichst siedlungsnah durchzuführen, wenn dadurch Lärmschutzmaßnahmen notwendig werden, welche eine bestehende Vorbelastung mindern. Es liegt auf der Hand, dass bei einem solchen Auslegungsergebnis sowohl der in § 50 Satz 1 BImSchG verankerte Trennungsgrundsatz als auch die gesetzlich vorgegebene Stufenfolge von Lärmvorsorge durch räumliche Trennung konfliktträchtiger Nutzungen und Schutz vor erheblichen Lärmbeeinträchtigungen nach § 41 BImSchG durch technische Maßnahmen des Lärmschutzes geradezu auf den Kopf gestellt würden. Auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens kann daher festgehalten werden, dass § 50 Satz 1 BImSchG nicht verlangt, die Trasse einer Straße so zu wählen, dass Lärmschutzmaßnahmen notwendig werden. Der Umstand, dass auf diese Weise bestehende Lärmvorbelastungen zurückgeführt würden, mag für eine vergleichende Lärmbilanz der verschiedenen Trassenvarianten von Bedeutung sein. Für die Anwendung des auf Lärmvorsorge unterhalb der für technische Schutzmaßnahmen geltenden Beeinträchtigungsschwelle ausgerichteten § 50 Satz 1 BImSchG ist dieser Aspekt jedoch irrelevant.
bb) Mit der zweiten Frage macht die Beschwerde geltend, dass § 50 Satz 1 BImSchG bei einem Vergleich derart unterschiedlicher Trassen keine Anwendung finden könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits ausgesprochen, dass der Grundsatz der räumlichen Trennung störender und empfindlicher Nutzungen nicht oder nur eingeschränkt gelten könne, soweit ein Gebiet überplant werde, das durch eine Gemengelage konfliktträchtiger Nutzungen geprägt sei. Diese Rechtsprechung müsse auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil im Bereich der Trasse Haag störende und lärmempfindliche Nutzungen nebeneinander stattfänden. Der Trennungsgrundsatz könne daher nur insoweit Anwendung finden, als es darum gehe, die räumlichen Gegebenheiten im Korridor der Trasse Haag zur Vermeidung von Lärmbeeinträchtigungen auszunutzen, etwa durch Gradientenabsenkungen und Tief- oder Troglagen. Auch insoweit wird jedoch kein Klärungsbedarf bezeichnet, der die Durchführung eines Revisionsverfahrens rechtfertigen könnte.
Allerdings trifft es zu, dass § 50 Satz 1 BImSchG bei der städtebaulichen Überplanung einer bereits bestehenden Gemengelage keine strikte Geltung beanspruchen kann (Beschlüsse vom 20. Januar 1992 – BVerwG 4 B 71.90 – Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 S. 6 und vom 13. Mai 2004 – BVerwG 4 BN 15.04 – juris Rn. 4). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Grundsatz der räumlichen Trennung unverträglicher Nutzungen bei dieser Sachlage nicht oder nur eingeschränkt durchgesetzt werden kann. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Überplanung einer Gemengelage, sondern um den großräumigen Vergleich von Straßentrassen. Es mag sein, dass der Bereich der Trasse Haag Merkmale einer Gemengelage aufweist. Für das großräumige Gebiet, auf das sich der planerische Trassenvergleich bezieht, gilt dies jedoch nicht. Hier besteht in Gestalt der Trasse Dorfen gerade die Möglichkeit, die A 94 von den Siedlungsschwerpunkten abzurücken und so Lärmvorsorge unterhalb der Schwelle zu betreiben, ab der Lärmschutzmaßnahmen notwendig werden. Es ist daher nicht erkennbar, dass die vorliegende Rechtssache Anlass bieten könnte, die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 50 Satz 1 BImSchG zu modifizieren oder fortzuentwickeln.
Die Beschwerde bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als sie rügen sollte, dass die Anwendung des § 50 Satz 1 BImSchG bei dem Vergleich einer Trasse in einem stark besiedelten und lärmvorbelasteten Raum mit einer siedlungsfernen Trassenvariante bezogen auf den Aspekt des Lärmschutzes zu unvertretbaren Ergebnissen führen könne, weil dann Vorbelastungen nicht durch Lärmschutzmaßnahmen vermindert werden könnten, sondern stattdessen dünn besiedelte Räume neu verlärmt werden müssten. Sie lässt dabei außer Acht, dass der Grundsatz der räumlichen Trennung unverträglicher Nutzungen eine Abwägungsdirektive darstellt, die gegenüber anderen gewichtigen Belangen zurücktreten kann (Urteile vom 28. Januar 1999 a.a.O. S. 253 und vom 22. März 1985 – BVerwG 4 C 63.80 – BVerwGE 71, 150 ≪165≫; Beschluss vom 7. Juli 2004 – BVerwG 4 BN 16.04 – BRS 67 Nr. 33). Maßgebend hierfür sind die Umstände des Einzelfalles. Dementsprechend ist die Vorinstanz auch nicht davon ausgegangen, dass für die gerichtliche Prüfung der Auswahl der Trasse der A 94 unter Lärmschutzaspekten allein der Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG maßgeblich ist. Vielmehr hat sie im Anschluss an entsprechende umfangreiche Untersuchungen des Vorhabenträgers (Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 30. April 2007 S. 61 ff.) im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ausdrücklich festgestellt, dass die Bevölkerung bei Realisierung der planfestgestellten Trasse Dorfen insgesamt geringeren Lärmbelästigungen ausgesetzt sein wird als bei Durchführung der Trassenalternative Haag, weil dort deutlich mehr Menschen in zahlreicheren Wohngebieten lebten als im Korridor Dorfen (UA S. 37 f. Rn. 96 f.). In diesem Zusammenhang wird in der angefochtenen Entscheidung auch darauf verwiesen, dass bei einer Verwirklichung der Autobahntrasse Dorfen der Fernverkehr weitgehend weg von der entlang der Hauptsiedlungsgebiete im Korridor Haag verlaufenden B 12 in den dünn besiedelten Korridor Dorfen verlagert werde; dadurch werde verstärkt Rücksicht auf diejenigen Gebiete genommen, in denen mehr Menschen wohnten (UA S. 29 f. Rn. 77). Diese – nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen – Erwägungen widersprechen der Annahme der Beschwerde, die Trasse Dorfen weise eine schlechtere Lärmbilanz auf als die Trasse Haag, weil die erhebliche Vorbelastung der Siedlungsgebiete entlang der B 12 nicht vermindert, sondern stattdessen der bisher nicht belastete Raum Dorfen neu verlärmt werde. Auch deshalb ist nicht erkennbar, dass ein Revisionsverfahren Gelegenheit zur Klärung grundsätzlicher Fragen zur Anwendung des § 50 Satz 1 BImSchG beim Vergleich einer siedlungsnahen Trassenvariante mit einer siedlungsfernen Trassenführung unter dem Gesichtspunkt der Verminderung bestehender Verkehrslärmvorbelastungen durch vorhabenbedingt notwendig werdende Lärmschutzmaßnahmen bieten könnte.
f) Die Frage
“Stehen die in § 50 Satz 1 BImSchG genannten Schutzgüter gleichrangig nebeneinander oder sind sie einer unterschiedlichen Gewichtung zugänglich mit der Folge, dass sich ein Schutzgut gegen ein anderes Schutzgut durchsetzen kann?”
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil die Entscheidung der Rechtssache nicht von deren Klärung abhängt.
Die Annahme der Beschwerde, die angefochtene Entscheidung sei auf die Erwägung gestützt, dass § 50 Satz 1 BImSchG dem Schutz der Wohnbevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch räumliche Trennung der unverträglichen Nutzungen stets den Vorrang vor einem Schutz der übrigen in dieser Vorschrift genannten schutzbedürftigen Gebiete einräume, trifft nicht zu. Die Vorinstanz hat vielmehr offen gelassen, ob die Erstreckung des Optimierungsgebots auf “sonstige schutzbedürftige Gebiete” wie beispielsweise unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete durch die Neufassung des § 50 BImSchG mit Gesetz vom 25. Juni 2005 (BGBl I S. 1865) den Schutz der Wohnbevölkerung in “kompakten Wohngebieten” einschränkt. Auf eine Bestimmung des gegenseitigen Verhältnisses der in § 50 Satz 1 BImSchG verankerten Optimierungsgebote komme es nicht an, weil diese Gebote jedenfalls im Rahmen der planerischen Abwägung überwunden werden könnten. Vorliegend habe die Planfeststellungsbehörde abwägungsfehlerfrei den Lärmschutz bei Menschen gegenüber dem Schutz von Tieren als vorrangig erachtet (UA S. 37 Rn. 95). Damit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Soweit die Beschwerde die Fehlerhaftigkeit der konkreten Abwägung selbst rügen sollte, kann sie damit nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erreichen.
g) Die Frage
“Sind die feststellbaren Auswirkungen eines genehmigten Projekts rechtlich als Vorbelastung für ein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung oder als ‘andere Pläne und Projekte’ i. S. d. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-Richtlinie zu beurteilen?”
ist nicht entscheidungserheblich, weil sie sich auf Tatsachen stützt, welche die Vorinstanz nicht festgestellt hat.
Die Beschwerde rügt, die – gut dokumentierten – Auswirkungen der Hochwasserschutzmaßnahmen in Schwindegg hätten nicht – wie von der Vorinstanz angenommen – als bloße Vorbelastung des prioritären Lebensraumtyps Auwald eingestuft werden dürfen, vielmehr hätte nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL die Verträglichkeitsprüfung auf eine Untersuchung der kumulativen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets durch die geplante Trasse der A 94 und diese Hochwasserschutzmaßnahmen erstreckt werden müssen. Diese Grundsatzrüge vermag nicht durchzudringen. Es trifft nicht zu, dass die Vorinstanz angenommen hat, die Auswirkungen der Hochwasserschutzmaßnahmen seien bei der Meldung des FFH-Gebiets “Isental mit Nebenbächen” als Vorbelastung berücksichtigt worden. In der angefochtenen Entscheidung wird vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Sachverständige Dr. S… eine auf die Hochwasserschutzmaßnahmen zurückzuführende “nennenswerte” Vorbelastung und einen davon herrührenden aktuell ungünstigen Erhaltungszustand der streitbefangenen Auenwälder nicht habe feststellen können (UA S. 62 Rn. 162). Die Beschwerde kann sich auch für ihre Behauptung, die Zerschneidungswirkungen der Hochwasserschutzmaßnahmen einerseits und der geplanten Autobahntrasse andererseits beeinträchtigten die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets gerade in ihrem Zusammenwirken, nicht auf eine entsprechende tatsächliche Feststellung der Vorinstanz stützen. In der angefochtenen Entscheidung wird im Gegenteil die dahin gehende Einschätzung des Sachverständigen F… als nicht tragfähig erachtet und in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Hochwasserschutzmaßnahmen erfolgten an ganz anderen Stellen als der Bau der Autobahntrasse, so dass von einem (räumlichen) Zusammenwirken der Projekte nicht die Rede sein könne (UA S. 61 Rn. 162). Die mit der aufgeworfenen Frage vorausgesetzten “feststellbaren Auswirkungen” der genehmigten Hochwasserschutzmaßnahmen sind daher nicht von entsprechenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gedeckt.
h) Die Frage
“Erfordert ein Zusammenwirken von Plänen und Projekten i. S. v. Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-Richtlinie eine räumliche Nähe der Projekte?”
kann als solche nicht verallgemeinerungsfähig beantwortet werden und ist daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Denn es hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, wie nahe verschiedene Projekte räumlich beieinander liegen müssen, um im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ein geschütztes Gebiet “in Zusammenwirkung” erheblich beeinträchtigen zu können.
Davon abgesehen trifft auch die Darstellung der Beschwerde nicht zu, dass die Vorinstanz eine kumulative Beeinträchtigung des FFH-Gebiets durch die geplante Autobahntrasse und die Hochwasserschutzmaßnahmen unterstellt und die Notwendigkeit einer darauf ausgerichteten Verträglichkeitsprüfung allein wegen der großen räumlichen Entfernung beider Projekte verneint hat. Wie bereits ausgeführt, hat die Vorinstanz vielmehr die auf eine kumulative Beeinträchtigung des FFH-Gebiets bezogene Beurteilung des Sachverständigen F… als nicht tragfähig erachtet und zur Untermauerung dieser Einschätzung auf die große räumliche Entfernung zwischen Autobahntrasse und Hochwasserschutzmaßnahmen verwiesen. Die Grundsatzrüge bleibt daher auch mit dieser Zielrichtung ohne Erfolg. Im Übrigen muss auch nicht erst in einem Revisionsverfahren geklärt werden, sondern liegt auf der Hand, dass nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ein anderes Projekt, das “in Zusammenwirkung” mit dem Vorhaben ein FFH-Gebiet tatsächlich erheblich beeinträchtigen kann, auch dann einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, wenn es in größerer Entfernung zum Vorhaben durchgeführt wird.
i) Die Beschwerde vermag auch mit folgender Frage nicht die Zulassung der Revision zu erreichen:
“Kommt eine Alternative aus naturschutzfachlichen Gründen als anderweitige zufriedenstellende Lösung i. S. d. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL schon dann nicht in Betracht, wenn am Alternativstandort ebenfalls artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirklicht werden oder erfordert der bestmögliche Schutz der Arten eine wertende Ermittlung der Betroffenheit der Art?”
Im Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbständig tragenden Begründung des angefochtenen Urteils bedarf es zur Zulässigkeit der Beschwerde in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15). Diese Anforderung erfüllt die Beschwerde nicht. Die Grundsatzrüge bezieht sich auf die Feststellung der Vorinstanz, dass die Trasse Haag keine “anderweitige zufriedenstellende Lösung” im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Halbs. 1 FFH-RL darstellt, weil sie sich aus naturschutzfachlicher Sicht nicht als die schonendere Alternative erweist. Die angefochtene Entscheidung wird jedoch darüber hinaus auf die Erwägung gestützt, dass sich die Trasse Haag auch aus naturschutzexternen Gründen – erhebliche Defizite hinsichtlich der mit der Planung angestrebten raumstrukturellen Entwicklungs- und Erschließungsabsichten – nicht als eine “anderweitige zufriedenstellende Lösung” darstelle (UA S. 76 f. Rn. 211; ebenso zu Art. 6 Abs. 4 Satz 1 FFH-RL UA S. 68 Rn. 185; vgl. dazu Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 ≪Rn. 567≫). Soweit die nachfolgende Grundsatzrüge (auch) gegen diese selbständig tragende Erwägung gerichtet sein sollte, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg (siehe unten j). Davon abgesehen trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz die Rechtsauffassung vertreten hat, die Alternativenprüfung nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL könne sich “auf einen bloßen Vergleich der Anzahl der verwirklichten Verbotstatbestände bei Einzelindividuen” beschränken. Sie hat vielmehr mit Blick auf im Bereich der Alternativtrasse Haag vorkommende geschützte Arten eingehende Feststellungen zu deren konkreter Beeinträchtigung getroffen (UA S. 86 f. Rn. 234 ff.).
j) Schließlich bleibt die Grundsatzrüge auch insoweit ohne Erfolg, als sie sich auf die Frage bezieht
“Können raumstrukturelle Entwicklungs- und Erschließungsabsichten zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses sein, die eine Befreiung i. S. v. § 62 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BNatSchG i. V. m. Art. 16 Abs. 1 lit. c) FFH-Richtlinie rechtfertigen?”
Soweit es der Beschwerde darum gehen sollte zu klären, ob “raumstrukturelle Entwicklungs- und Erschließungsabsichten” hinreichend gewichtig sind, um für sich genommen eine Befreiung von artenschutzrechtlichen Verboten rechtfertigen zu können, ist – abgesehen von Zweifeln an der Verallgemeinerungsfähigkeit der Frage – die Zulassung der Revision deshalb nicht gerechtfertigt, weil dieser Aspekt für die angefochtene Entscheidung nicht maßgeblich war. Die Vorinstanz hat die Befreiung nicht allein aus diesem Grund für zulässig erachtet, sondern daneben auch auf die Ausweisung des Vorhabens im Bedarfsplan für die Bundesstraßen als vordringlicher Bedarf sowie auf Gründe der öffentlichen Sicherheit und der Volksgesundheit (Gefährlichkeit der überlasteten und nur einbahnig ausgebauten B 12) abgestellt (UA S. 75 f. Rn. 208). Wenn die Beschwerde meint, tatsächlich seien nur die regionalen “Entwicklungs- und Erschließungsabsichten” maßgebliches Kriterium für die Befreiungsentscheidung gewesen, weil die anderen Gründe nicht tragfähig seien, greift sie lediglich die tatsächliche und rechtliche Würdigung der Vorinstanz an, ohne einen darauf bezogenen Klärungsbedarf aufzuzeigen.
Soweit die Beschwerde geklärt wissen will, ob “raumstrukturelle Entwicklungs- und Erschließungsabsichten” überhaupt geeignet sein können, eine artenschutzrechtliche Befreiung zu begründen, kann die Frage bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des beschließenden Senats bejaht werden. Danach kommen im Rahmen des FFH-Gebietsschutzes als Abweichungsgründe nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL neben solchen sozialer oder wirtschaftlicher Art sowie den benannten Abweichungsgründen des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL auch vielfältige andere Gründe in Betracht, unter anderem auch ein regionales Interesse an der Erschließung eines strukturschwachen Raums (Urteil vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – NuR 2008, S. 633 Rn. 153, 159). Für eine Befreiung von artenschutzrechtlichen Verboten nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL gelten jedenfalls keine strengeren Anforderungen (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 239). Somit sind auch “raumstrukturelle Entwicklungs- und Erschließungsabsichten” prinzipiell geeignet, sich im Rahmen einer Befreiungsentscheidung gegenüber einem gegenläufigen Belang des Artenschutzes durchsetzen zu können. Die Entscheidung darüber hängt vom jeweiligen Gewicht der widerstreitenden Belange und damit von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 2 ZPO, § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz entfallen dabei die Teilstreitwerte auf den Kläger zu 1 mit 49 000 €, den Kläger zu 2 mit 25 000 €, die Kläger zu 4 bis 7 mit 128 000 €, die Kläger zu 8 bis 10 mit 45 000 €, die Kläger zu 11 und 12 mit 12 000 €, die Kläger zu 13 und 14 mit 24 000 € sowie die Kläger zu 15 und 16 mit 80 000 €.
Unterschriften
Dr. Storost, Dr. Christ, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen
Haufe-Index 2096917 |
DÖV 2009, 545 |
VR 2009, 178 |
ZUR 2009, 389 |
DVBl. 2009, 258 |
UPR 2009, 154 |
KommP BY 2009, 110 |