Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungszwang, prozessualer. Behördenprivileg. Befähigung Richteramt. Unterzeichner Nichtzulassungsbeschwerde, Vertretungsberechtigung. Billigung. Vertretungsberechtigter, behördeninterne
Leitsatz (amtlich)
Eine Behörde wird nicht i.S.d. § 67 Abs. 1 VwGO ordnungsgemäß vertreten, wenn ein dem Vertretungszwang unterliegender Schriftsatz von einem Bediensteten unterzeichnet ist, der weder die Befähigung zum Richteramt besitzt noch Diplomjurist im höheren Dienst ist. Die fehlende Vertretungsberechtigung des Unterzeichners ist nicht deshalb unbeachtlich, weil der Schriftsatz auf einer behördeninternen Weisung oder Billigung durch einen vertretungsberechtigten Bediensteten beruht.
Normenkette
VwGO § 67 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 26.08.2004; Aktenzeichen 1 K 576/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. August 2004 wird verworfen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 179 833 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beklagte war bei Einlegung der Beschwerde nicht ordnungsgemäß vertreten. Die Einlegung der Beschwerde genügt nicht dem Erfordernis des § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden, die nicht i.S.d. § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten sind, vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. Das Vertretungserfordernis gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Bedienstete der Beklagten, die die Beschwerde eingelegt hat, erfüllt keine der genannten Voraussetzungen. Das hat die Beklagte auf die entsprechende Rüge des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. April 2005 eingeräumt.
Das Vorbringen der Beklagten, die Entscheidung über die Einlegung der Beschwerde sei von einem vertretungsberechtigten Bediensteten getroffen sowie in einem internen Aktenvermerk festgehalten worden und der vertretungsberechtigte Bedienstete habe den Inhalt der Beschwerdeschrift gebilligt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die gebotene Klarheit über die Wirksamkeit der Einlegung einer Beschwerde würde beeinträchtigt, wenn es hierfür nicht auf die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners des Schriftsatzes, sondern darauf ankäme, ob der Schriftsatz behördenintern von einem vertretungsberechtigten Bediensteten gebilligt wurde oder auf einer von einem solchen Bediensteten erteilten Weisung beruht. Behördeninterne Vorgänge dieser Art sind von den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht oder nur schwer zu überprüfen. Diese müssen sich darauf verlassen können, dass die Vertretungsberechtigung des Bediensteten maßgebend ist, der die Beschwerdeschrift unterzeichnet hat. Das entspricht dem Zweck des Vertretungserfordernisses, durch das juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden gegenüber anderen Prozessbeteiligten privilegiert werden. Die Behörde soll intern selbst bestimmen dürfen, wer sie vor einem dem Vertretungszwang unterliegenden Gericht vertritt. Der von ihr hierzu bestimmte Bedienstete soll demgegenüber für die Einlegung der Beschwerde die fachliche und rechtliche Verantwortung unmittelbar wahrnehmen und dies auch für andere offenlegen. Das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten müssen aus der Beschwerdeschrift entnehmen können, wer die Behörde vor Gericht vertritt. Ist der Unterzeichner nicht vertretungsberechtigt, ist die eingelegte Beschwerde mangels Vertretungsbefugnis unzulässig. Dass die Einlegung der Beschwerde mittelbar durch einen vertretungsberechtigten Bediensteten der Behörde gedeckt ist, kann die fehlende Vertretungsberechtigung des Unterzeichners nicht ersetzen (vgl. Beschluss vom 1. Oktober 1998 – BVerwG 8 B 167.98 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 92; Beschluss vom 16. März 1993 – BVerwG 4 B 253.92 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 80).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert
Fundstellen
IBR 2005, 448 |
ZAP 2005, 706 |
VR 2005, 287 |
BayVBl. 2005, 541 |
DVBl. 2005, 855 |
GV/RP 2006, 97 |
Städtetag 2005, 38 |
FuBW 2005, 972 |
FuHe 2006, 4 |
FuNds 2006, 75 |
SächsVBl. 2006, 69 |