Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigestelltes Personalratsmitglied. Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs. nachträgliche Schadensersatzklage. unterbliebene Beförderung. Referenzgruppenmodell der Bundeswehr. Verwirkung. Rügeverlust. Rechtsbehelfsmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Soldat, der als Personalratsmitglied von der Dienstausübung freigestellt ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SBG, § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG) und auf der Grundlage des zur fiktiven Nachzeichnung seines beruflichen Werdegangs entwickelten Referenzgruppenmodells der Bundeswehr Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung begehrt, verwirkt sein Rügerecht hinsichtlich der ihn betreffenden Referenzgruppe, wenn er sich in einem mehrere Jahre zurückliegenden Personalgespräch nach eingehender Information durch den Dienstherrn und in Kenntnis aller Umstände mit der Bildung dieser Referenzgruppe (hinsichtlich Zeitpunkt, einbezogene Soldaten und Reihung der Soldaten) einverstanden erklärt und hiergegen keinen Rechtsbehelf erhoben hat.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; SG § 3 Abs. 1; SBG § 51 Abs. 3 S. 1; BPersVG § 46 Abs. 3 S. 1; BGB § 839 Abs. 3
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 03.05.2013; Aktenzeichen 10 A 11161/12) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 16.05.2012; Aktenzeichen VG 2 K 700/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 25 175,61 EUR festgesetzt.
Gründe
Die der Sache nach auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Der 1962 geborene Kläger steht als Hauptmann (BesGr A 11 BBesO) im Dienst der Beklagten. Vom 1. September 2004 bis Ende Mai 2012 war er als Mitglied des Personalrats vom militärischen Dienst freigestellt. Zur Bestimmung seines weiteren beruflichen Aufstiegs bildete das Personalamt der Bundeswehr im Jahr 2006 eine Vergleichsgruppe mit 12 Hauptleuten, in der der Kläger auf dem Rangplatz 9 geführt wurde. Seinen im Jahr 2010 gestellten Antrag, ihn fiktiv auf einen nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewerteten Dienstposten zu versetzen, ihn in die Besoldungsgruppe A 12 BBesO einzuweisen sowie ihn rückwirkend in vergütungs-, versorgungs- und dienstrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als sei er zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals ein schlechter als er beurteilter Hauptmann nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO befördert worden ist, befördert und besoldet worden, lehnte die Beklagte ab. Seine Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beförderung des Klägers bereits der Umstand entgegenstehe, dass er nicht fiktiv auf einen nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewerteten Dienstposten versetzt worden sei. Der Kläger habe jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Beförderung, weil die Nachzeichnung seiner beruflichen Entwicklung nicht zu beanstanden sei. Der Kläger könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr rügen, die Referenzgruppe sei für ihn zu spät und in personeller Hinsicht schon im Grundsatz und auch in der Reihung fehlerhaft gebildet worden. Denn er habe sich im Personalgespräch vom Oktober 2006 nach eingehender Information und in Kenntnis aller Umstände mit der Bildung der Referenzgruppe zu diesem Zeitpunkt, mit den betreffenden Soldaten und in der vorgesehenen Reihenfolge einverstanden erklärt. Auch sei er hiergegen nicht mit der Beschwerde vorgegangen, sodass zu seinen Lasten zumindest der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB greife. Der Ausschluss der Einwendungen des Klägers gegen die Vergleichsgruppe und die Reihung gelte umso mehr, als mit dieser Festlegung über Jahre hinweg die Grundlagen für die Beförderungssituation freigestellter Mitglieder der Personalvertretung festgeschrieben worden seien. Unerheblich sei, dass die Beklagte einen hinter dem Kläger eingereihten Hauptmann befördert habe. Nach den Vorgaben des Bundesministeriums der Verteidigung komme es allein auf die Anzahl der Beförderungen an.
2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie wendet sich vielmehr in der Art eines zulassungsfreien oder bereits zugelassenen Rechtsmittels gegen die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall. Sie geht dabei von den Bestimmungen der Richtlinie des Bundesministeriums der Verteidigung für die Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten vom 11. Juli 2002 (PSZ I 1 Az. 16-32-00/28, – im Folgenden: Richtlinie –) und der hierzu ergangenen Erläuterungen des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. August 2010 (– im Folgenden: Erläuterungen –) aus. Die Frage, ob die rechtlichen Vorgaben im konkreten Fall auf den vom Gericht festgestellten Sachverhalt zutreffend angewendet worden sind – hier die Handhabung der Richtlinie und der Erläuterungen –, begründet aber nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Bei einer wohlwollenden Auslegung lassen sich der Beschwerdebegründung jedoch einige Fragen entnehmen, denen der Kläger rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Diese rechtfertigen die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht.
a) Auf der Grundlage der Richtlinie vom 11. Juli 2002 sieht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob es mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist, dass das freigestellte Mitglied der Personalvertretung nach Nr. 2.2.2 der Erläuterungen erst dann einzuweisen/zu befördern ist, sobald ein nächstes (nicht freigestelltes) Mitglied der Referenzgruppe für eine Einweisung/Beförderung heran steht und soweit keine Hinderungsgründe in der freigestellten Person vorliegen.
Diese Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantwortet werden, dass diese Vorgehensweise mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang steht.
Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SBG und § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG darf die Freistellung eines Soldaten von seiner dienstlichen Tätigkeit wegen der Mitgliedschaft in der Personalvertretung nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen. Auf welche Weise der Dienstherr dies sicherstellt, ist grundsätzlich ihm überlassen (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010 – BVerwG 2 C 11.09 – Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15 zum Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 GG).
Geht man, wie die Beschwerde, von der Richtlinie und den ergänzenden Erläuterungen aus, wird der vom Dienst freigestellte Soldat durch das in Nr. 2.2.2 der Erläuterungen geregelte System in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG beim ersten tatsächlichen Beförderungsverfahren berücksichtigt, in dem er nach seinem Rangplatz hätte ausgewählt werden können. Stellte man entsprechend den Überlegungen der Beschwerde bereits auf den Zeitpunkt der Beförderung eines vor dem freigestellten Mitglied der Personalvertretung eingereihten Soldaten ab, hätte diese Verfahrensweise eine Bevorzugung des freigestellten Soldaten zur Folge. Er würde zu einem Zeitpunkt befördert, in dem er nach seinem fiktiven Leistungsstand nicht hätte ausgewählt werden können. Eine derartige Privilegierung ginge rechtlich unzulässig über das Verbot der Benachteiligung eines freigestellten Soldaten hinaus.
b) Sinngemäß stellt die Beschwerde die weitere Frage, ob es der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB ausschließt, dass ein freigestellter Soldat in einem Verfahren auf Beförderung und Bewilligung von Schadensersatz die Rechtswidrigkeit der Bildung der Referenzgruppe (Zeitpunkt, einbezogene Soldaten sowie konkrete Reihung der Soldaten) rügen kann, wenn er sich in einem Personalgespräch mehrere Jahre zuvor nach eingehender Information durch den Dienstherrn und in Kenntnis aller Umstände mit der Bildung dieser Referenzgruppe zu diesem Zeitpunkt, mit diesen Soldaten und in der konkreten Reihung einverstanden erklärt und hiergegen keinen Rechtsbehelf erhoben hat.
Auch diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Urteils des Oberverwaltungsgerichts beantworten.
§ 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht gilt (Papier, in: Münchner Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2013, § 839 Rn. 329 f.). Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen und dem Betroffenen dadurch die missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen hoheitlichen Akt mit den ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber diesen zu dulden und dafür zu liquidieren (BGH, Urteil vom 15. November 1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17 ≪22≫). Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (BGH, Urteil vom 29. März 1971 – III ZR 98/69 – BGHZ 56, 57 ≪63≫).
Dieser Rechtsgedanke ist in der Rechtsprechung zum öffentlichen Dienstrecht sowohl auf Schadensersatzansprüche von Beamten wegen schuldhafter Verletzung ihres aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruchs (Urteile vom 25. August 1988 – BVerwG 2 C 51.86 – BVerwGE 80, 123 ≪124≫ = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 28. Mai 1998 – BVerwG 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29 ≪31≫ = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40, vom 17. August 2005 – BVerwG 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99 ≪101 ff.≫ = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28, vom 25. Februar 2010 – BVerwG 2 C 22.09 – BVerwGE 136, 140 ≪143≫ = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 S. 26 und vom 26. Januar 2012 – BVerwG 2 A 7.09 – BVerwGE 141, 361 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 53 jeweils Rn. 15) als auch auf entsprechende Ansprüche von Soldaten (Beschluss vom 22. Dezember 2011 – BVerwG 2 B 71.10 – juris Rn. 4) angewendet worden.
§ 839 Abs. 3 BGB betrifft unmittelbar den Anspruch auf Schadensersatz. Für den vorrangig geltend gemachten Anspruch auf Beförderung und Einweisung in eine entsprechende Planstelle ist hinsichtlich der Bildung der Referenzgruppe und der Reihung der darin einbezogenen Hauptleute der Gesichtspunkt der Verwirkung maßgeblich. Auf diesen Aspekt hat das Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu § 839 Abs. 3 BGB der Sache nach abgestellt („nach Jahr und Tag”, UA S. 13). Es hat sowohl auf den erheblichen zeitlichen Abstand zwischen dem Personalgespräch vom Oktober 2006 und der Stellung des Antrags auf Einweisung in eine Planstelle nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO erst im Dezember 2010 als auch auf den Umstand abgehoben, dass die festgelegte Referenzgruppe über Jahre hinweg Grundlage der beruflichen Förderung von freigestellten Soldaten ist und im konkreten Fall für die berufliche Entwicklung des Klägers im Zeitraum seit dem Jahr 2006 bis zum Ende seiner Freistellung am 31. Mai 2012 maßgeblich war.
Der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht einschließlich des öffentlichen Dienstrechts anwendbar. Dieser Einwand setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 2 C 23.95 – BVerwGE 102, 33 ≪36≫ = Buchholz 237.95 § 10 S-HLBG Nr. 2 S. 4 m.w.N.; Beschluss vom 29. Oktober 2008 – BVerwG 2 B 22.08 – juris Rn. 4). Danach kann ein Beamter oder Soldat sowohl sein materielles Recht auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung seiner dienstlichen Beurteilung als auch das prozessuale Klagerecht (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 32, 305 ≪308 ff.≫; BVerwG, Urteil vom 13. November 1975 – BVerwG 2 C 16.72 – BVerwGE 49, 351 ≪358≫ = Buchholz 237.1 Art. 118 BayBG Nr. 1 S. 5) oder auch seinen Anspruch auf Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung verwirken (Urteil vom 13. November 2008 – BVerwG 2 C 11.07 – Buchholz 449.4 § 30 SVG Nr. 1 Rn. 21 ff.).
Diese Grundsätze gelten auch für einen freigestellten Soldaten, der trotz detaillierter Erläuterung der für sein berufliches Fortkommen maßgeblichen Referenzgruppe erst nach Ablauf von mehreren Jahren geltend macht, diese Referenzgruppe sei verspätet sowie in personeller Hinsicht bereits im Grundsatz und in der Reihung fehlerhaft gebildet worden. Nach den insoweit nicht angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Kläger im Oktober 2006 nach eingehender Information durch die Beklagte in Kenntnis aller Umstände mit der Bildung der Referenzgruppe zu dieser Zeit, mit diesen Soldaten und in dieser Reihung einverstanden erklärt. Aus diesem Verhalten konnte die Beklagte berechtigterweise den Schluss ziehen, der Kläger werde die ihm erläuterte Referenzgruppe als Grundlage für die während seiner Freistellung zu treffenden Personalentscheidungen nicht mehr in Frage stellen.
Im Hinblick auf das zur Wahrung der eigenen Interessen gebotene Vorgehen eines freigestellten Soldaten gegen den Zeitpunkt der Bildung der Referenzgruppe, gegen ihre personelle Zusammensetzung sowie gegen die Reihung der einbezogenen Soldaten ist auch die Behandlung seines Begehrens durch die Bundeswehr unerheblich. Ist das Beschwerdeverfahren erfolglos durchlaufen worden, muss und kann der freigestellte Soldat – zumutbar – gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Bildung der Referenzgruppe in Anspruch nehmen, weil diese nach der Konzeption der Beklagten für seine weitere berufliche Förderung maßgeblich ist. Der in der Beschwerdebegründung aufgeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2013 (– BVerwG 1 WB 56.12 –) befasst sich mit der insoweit nicht vergleichbaren Frage, ob ein Soldat beanspruchen kann, dass ihm der Dienstherr die Ergebnisse einer Perspektivkonferenz offenlegt, die lediglich der Vorbereitung von Verwendungsentscheidungen dient.
Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand der Beschwerde, der Kläger hätte aufgrund seiner letzten dienstlichen Beurteilung – und damit vor der auf ihrer Grundlage vorgenommenen Nachzeichnung – befördert werden müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger auf eine förderliche Verwendung auf der Grundlage seiner letzten tatsächlichen dienstlichen Beurteilung verzichtet und ausschließlich auf eine Förderung aufgrund der Nachzeichnung auf der Basis der für ihn gebildeten Referenzgruppe gesetzt. Aus diesem Verhalten konnte die Beklagte berechtigterweise folgern, der Kläger werde nicht mehr beanspruchen, auf der Basis seiner letzten tatsächlichen dienstlichen Beurteilung aus dem Zeitraum vor der Bildung der Referenzgruppe förderlich verwendet zu werden.
c) Die Frage, ob der Beklagten oder der Verwaltung der Bundeswehr wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz jede ihrer Behauptungen zu glauben ist, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Denn das Gesetz bestimmt in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausdrücklich, dass das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung schließt damit die Bindung an starre Beweisregeln aus.
d) Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Beweiserhebung als bloßer Ausforschungsbeweis zu bewerten ist, begründet nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Frage ist in der Rechtsprechung bereits geklärt (Beschlüsse vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10 f. und vom 28. Mai 2013 – BVerwG 7 B 46.12 – juris Rn. 6). Die korrekte Anwendung dieser Grundsätze ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine der richtigen Rechtsanwendung im Einzelfall.
e) Einzelfragen zur Anwendung der Richtlinie für die Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten und den hierzu ergangenen Erläuterungen im konkreten Einzelfall begründen ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen zu befassen. Dagegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫ m.w.N.).
aa) Hiernach hat das Oberverwaltungsgericht nicht dadurch das Recht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, dass es im Urteil auf tatsächliches und rechtliches Vorbringen des Klägers zu Umständen nicht eingegangen ist, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen des Klägers zur Rechtmäßigkeit der Bildung der für seinen weiteren beruflichen Aufstieg maßgeblichen Referenzgruppe, zum gebotenen Zeitpunkt der Beförderung des Klägers sowie zu vorliegenden Beurteilungserkenntnissen aus dem Zeitraum bis Ende September 2006.
bb) Auch soweit der Kläger rügt, das Oberverwaltungsgericht habe den Zeitpunkt der Einweisung des auf der Rangstelle 8 geführten Soldaten in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO unrichtig bewertet und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, genügt das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn es wird nicht dargelegt, welches konkrete Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren das Oberverwaltungsgericht übergangen hat.
cc) Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, dass der Dienstposten, auf den der auf Rangplatz 10 gelistete Offizier versetzt wurde, kein NATO-Dienstposten war und insbesondere einen Nachweis von Englischkenntnissen entsprechend SLP nicht erforderte, verletzt den Kläger nicht in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ablehnung eines Beweisantrags kann den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör nur dann verletzen, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 – 1 BvR 158/78 – BVerfGE 50, 32 ≪36≫; BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 1999 – BVerwG 9 B 264.99 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 3 S. 5). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag wegen Unerheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache abgelehnt. Dies ist ein allgemein anerkannter Grund für die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags (Urteil vom 24. März 1987 – BVerwG 9 C 47.85 – BVerwGE 77, 150 ≪157≫; stRspr). Maßgeblich ist dabei die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts. Das Oberverwaltungsgericht hat hinsichtlich der Fallgestaltung, dass die Auswahl des Hauptmanns mit Ranglistenplatz 10 rechtswidrig gewesen sein sollte, für die dann eintretende Situation ausschließlich auf die Zahl der Förderungen und den konkreten Ranglistenplatz des Klägers (Nr. 9) abgehoben.
dd) Das Vorbringen des Klägers zur tatsächlichen Anzahl der sog. „Zahlfälle” hat das Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen. Dass es dem Vortrag des Klägers inhaltlich nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör dar.
ee) Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass das Oberverwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers abgelehnt hat, zum Beweis der Tatsache, dass in Bezug auf die auf den Rangplätzen 6, 7, 11 und 12 gereihten Offiziere der Referenzgruppe des Klägers Angebote auf förderliche Verwendungen nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO unterbreitet worden sind und sog. Zahlfälle vorliegen, die Personalakten dieser vier Offiziere beizuziehen und diese urkundenbeweislich zu verwerten. Hinsichtlich des Hauptmanns auf dem Rangplatz Nr. 7 ist das Oberverwaltungsgericht entsprechend der Angabe der Beklagten im Beschwerdebescheid vom 18. Februar 2013 von einem „Zählfall” ausgegangen. In Bezug auf die Hauptleute auf den Rangplätzen 6, 11 und 12 hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, es handele sich insoweit um einen sog. Ausforschungsbeweis.
Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung nicht dar, dass dieser anerkannte Ablehnungsgrund hier nicht vorliegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.
Die gebotene Substantiierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Das Substantiierungsgebot verlangt vielmehr, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Zwar darf sich ein Beteiligter insoweit mit einer Vermutung begnügen, wenn, wie hier, die zu beweisende Tatsache nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fällt (Beschluss vom 19. Oktober 2011 – BVerwG 8 B 37.11 – ZOV 2011, 264 Rn. 13). Wenn die Gegenseite aber der aufgestellten Vermutung mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Vielmehr muss sich der Beteiligte mit dieser Erklärung auseinandersetzen und hat greifbare Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass seine Vermutung entgegen der Erklärung der Gegenseite doch zutrifft. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten „ins Blaue hinein” aufrechterhaltenen Behauptung muss das Gericht nicht nachgehen (Beschluss vom 25. Januar 1988 – BVerwG 7 CB 81.87 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).
Der Vertreter der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung angegeben, der auf Rangplatz 7 gereihte Offizier sei ein solcher „Zählfall” gewesen, weitere Fälle hat er ausdrücklich verneint. Aus der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger mit diesen konkreten Angaben des Beklagtenvertreters auseinandergesetzt und in der mündlichen Verhandlung gegenteiliger Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Behauptungen genannt hat.
Mit dem Vorbringen des Klägers zu einem möglichen Angebot einer förderlichen Verwendung an den auf Rangplatz 6 gereihten Hauptmann hat sich das Oberverwaltungsgericht inhaltlich befasst. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Personalgesprächs des auf Rangplatz 6 gereihten Offiziers mit Vertretern der Bundeswehrverwaltung genügt das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es ist nicht Aufgabe des über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidenden Gerichts, die Akten des gerichtlichen Verfahrens daraufhin zu überprüfen, in welchem Schriftsatz der Kläger eine bestimmte Behauptung aufgestellt hat.
b) Dem Beschwerdevorbringen ist auch kein Verstoß des Berufungsgerichts gegen die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu entnehmen.
Die Darlegung eines solchen Verstoßes setzt voraus, dass die für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen bezeichnet werden. Ferner muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme weiterer Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr bemängelt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne solches Hinwirken des Beteiligten von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Welche Aufklärungsmaßnahmen die Tatsachengerichte ergreifen, haben sie auf der Grundlage ihrer materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zu entscheiden. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, auf die es nach seiner Rechtsansicht für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (Urteil vom 28. Juli 2011 – BVerwG 2 C 28.10 – BVerwGE 140, 199 Rn. 25).
Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts musste nicht weiter aufgeklärt werden, zu welchem Zeitpunkt der Kläger zur Förderung heranstand.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 1, § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG a.F. Der Wert des Schadensersatzantrages ist gemäß § 52 Abs. 6 GKG nicht zusätzlich anzusetzen.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Hartung, Dr. Kenntner
Fundstellen