Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.11.2008; Aktenzeichen 9 B 19.08) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 119,40 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 3
a) Die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Rechtsansicht, die Inanspruchnahme einer Vorhalteleistung setze voraus, dass ein wirksamer Anschluss- und Benutzungszwang nicht nur aufgrund einer rückwirkenden Regelung, sondern „bereits aus damaliger Sicht” bestanden habe, mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vereinbar sei, lässt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren schon deswegen nicht stellen, weil Art. 19 Abs. 4 GG eine Rechtsweggarantie gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt darstellt und sich daher nur die Klägerin, nicht aber der Beklagte, der als Amtsdirektor Teil der öffentlichen Gewalt ist, auf dieses Grundrecht berufen könnte. Abgesehen davon erfüllt die Beschwerde auch nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Behauptung der Beschwerde, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts führe dazu, dass eine tatsächliche gerichtliche Kontrolle nicht stattfinde, ist nicht nachvollziehbar. Der vorliegende Rechtsstreit wie auch das von dem Beklagten in Bezug genommene, das Nachbargrundstück der Klägerin betreffende Parallelverfahren OVG 9 B 17.08 zeigen, dass Rechtsschutz unabhängig davon möglich ist, ob eine Inanspruchnahme der Schmutzwasserbeseitigungsanlage verneint oder – wie im Parallelverfahren – bejaht wird. Die weiteren Ausführungen des Beklagten gehen nicht auf die formulierte Frage ein, sondern stellen Angriffe gegen die nach Ansicht der Beschwerde unzutreffende Rechtsanwendung durch die Vorinstanz dar. Darauf kann eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden.
Rz. 4
b) Auch mit der sinngemäßen Frage, ob bei einem unwirksamen Benutzungs- und Gebührenschuldverhältnis ein ausgleichsbedürftiger öffentlich-rechtlicher Bereicherungsanspruch für Vorhalteleistungen des Abwasserverbandes entsteht, wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargetan.
Rz. 5
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (vgl. etwa § 12 BBesG), denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. Urteil vom 12. März 1985 – BVerwG 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85 ≪88≫, vom 30. November 1990 – BVerwG 7 A 1.90 – BVerwGE 87, 169 ≪172≫, vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 56.93 – BVerwGE 100, 56 ≪59≫ und vom 18. Januar 2001 – BVerwG 3 C 7.00 – BVerwGE 112, 351 ≪353 f.≫). Ausnahmen davon hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich dann anerkannt, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (vgl. Urteil vom 12. März 1985 a.a.O.).
Rz. 6
Dass der vorliegende Fall Gelegenheit zur Weiterentwicklung dieser Grundsätze bietet, wird von der Beschwerde nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Zwar liegt zu der konkret aufgeworfenen Frage keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Nicht jede bislang noch nicht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschiedene Fallkonstellation rechtfertigt aber die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sich die Frage nicht auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. Beschluss vom 16. November 2007 – BVerwG 9 B 36.07 – Buchholz 316 § 62 VwVfG Nr. 17 Rn. 11). An einer entsprechenden Darlegung fehlt es hier. Der Beklagte zeigt nicht auf, dass es für die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage noch weiterer grundsätzlicher Klärungen zu Inhalt und Umfang des öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruchs bedarf. Es genügt insoweit nicht, darauf hinzuweisen, dass für die streitgegenständliche Konstellation noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege und der Fall dazu dienen könne, „die bisherige Rechtsprechung zur Bestimmung des „Erlangten” im Sinne der bereicherungsrechtlichen Grundsätze zu konkretisieren” (Beschwerdeschrift S. 10). Hinzu kommt, dass die Beschwerde von einer tatsächlichen Inanspruchnahme von Vorhalteleistungen durch die Klägerin ausgeht. Dagegen hat das Oberverwaltungsgericht dies mit der Begründung verneint, eine Inanspruchnahme von Vorhalteleistungen setze voraus, dass das auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser in dem Bewusstsein gesammelt wurde, dass es jederzeit bei Entleerungsbedarf der öffentlichen Einrichtung überlassen werden konnte, musste und sollte. Habe hingegen aus damaliger Sicht kein Anschluss- und Benutzungszwang bestanden und habe der Betroffene die Entleerung seiner Abwassersammelgrube unterlassen oder durch ein privates Unternehmen durchführen lassen, so könne von einer Inanspruchnahme der Vorhalteleistungen keine Rede sein. Soweit der Beklagte dies in seiner Beschwerdebegründung als nicht einleuchtend kritisiert und bemängelt, es könne „keinen Unterschied machen, ob Entsorgungsleistungen oder Vorhalteleistungen in Anspruch genommen werden” (Beschwerdebegründung S. 9), formuliert er keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Grundsatzfrage. Er setzt lediglich seine Rechtsansicht vom Vorliegen einer Inanspruchnahme einer Vorhalteleistung an die Stelle derjenigen des Oberverwaltungsgerichts. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf setzt aber voraus, dass die Rechtsfrage selbst – so wie sie entschieden worden ist – von grundsätzlicher Bedeutung ist und nicht erst die Rechtsfrage, die sich stellen würde, wenn die Rechtssache anders entschieden worden wäre (Beschluss vom 29. Juni 1992 – BVerwG 3 B 102.91 – Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17 S. 6).
Rz. 7
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs.2 Nr. 2 VwGO als Divergenzrevision zuzulassen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte abgewichen ist.
Rz. 8
Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung weder ausdrücklich noch konkludent den von der Beschwerde sinngemäß formulierten Rechtssatz zugrunde gelegt, die Sachdienlichkeit einer Klageänderung sei auch dann gegeben, wenn die geänderte Klage wegen fehlender Einlegung eines Widerspruchs gegen den in das Klageverfahren einbezogenen weiteren Bescheid unzulässig sei. Es hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin durch Erhebung des Widerspruchs „zunächst die Bestandskraft des endgültigen Heranziehungsbescheides vermieden und damit die Klage auch nicht auf eine Klage gegen einen bestandskräftigen Bescheid umgestellt” habe (UA S. 7). Lediglich die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach erfolgter Klageänderung hat das Oberverwaltungsgericht für nicht erforderlich und die Rücknahme des Widerspruchs zugleich mit der Klageänderung deshalb für unschädlich erachtet. Ein Widerspruch zu dem von der Beschwerde zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1980 (BVerwG 6 C 39.80) besteht daher nicht. Darauf, dass das Revisionsgericht nur ein eingeschränktes Überprüfungsrecht besitzt, wenn es um die Frage geht, ob in der Vorinstanz zu Recht die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit einer Klageänderung bejaht wurden (vgl. zuletzt Beschluss vom 25. Juni 2009 – BVerwG 9 B 20.09 – juris Rn. 6), ist daher nur ergänzend hinzuweisen.
Rz. 9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Nolte, Domgörgen, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen