Verfahrensgang

VG Berlin (Aktenzeichen 22 A 230.96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 876 110 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich eines Grundstücksteils von ca. 400 qm Größe als unzulässig abgewiesen hat, wird kein Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht. Ansonsten beruht das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht auf einer Abweichung von einer in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1. Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht weiche ab von im Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113, S. 344) aufgestellten Rechtssätzen. Dabei verkennt sie aber den Inhalt der in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätze. Danach ist eine manipulative Enteignung anzunehmen, wenn die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen oder wenn die Manipulation darin besteht, dass der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluss also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung begründen sollte. Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht für die Annahme eines solchen Tatbestands nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – a.a.O. S. 346). Anschließend wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe im dort vorliegenden Einzelfall in Anwendung dieser Grundsätze und Maßstäbe die Inanspruchnahme von Grundstücken zu Recht als manipulative Enteignung gewertet, weil es für diese offenkundig keine Rechtsgrundlage gegeben habe. Dies wird damit begründet, dass nicht nur ein versehentliches Unterbleiben einer an sich nach DDR-Recht möglichen Inanspruchnahme der Grundstücke vorgelegen habe. Vielmehr habe während der Durchführung der Baumaßnahmen zu keiner Zeit eine Rechtsgrundlage bestanden, auf die eine Enteignung hätte gestützt werden können. Für die später erfolgte Enteignung allein zum Zweck der nachträglichen Sicherung bereits verausgabter Haushaltsmittel habe es offenkundig keine Rechtsgrundlage gegeben (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – a.a.O. S. 347 f.).

Entgegen der Auffassung der Beschwerde enthält das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts also nicht den Rechtssatz, eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG liege allgemein vor, wenn erst nach Vollendung einer Baumaßnahme (bzw. nach Tätigung einer Investition) nach dem Aufbaurecht enteignet wurde. Ebenso wenig hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, eine Enteignung nach dem Aufbaurecht der DDR sei nur zulässig gewesen, wenn ein dringender Bedarf für eine Baumaßnahme bestanden habe. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des verwaltungsrechtlichen Urteils ausgeführt, für eine Einrichtung für Bedürfnisse des DDR-Ministerrats und zur Wohnungsversorgung politischer Funktionsträger habe eine Rechtsgrundlage gefehlt. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass eine Enteignung möglicherweise über die Bestimmungen der Aufbauverordnung hinaus zulässig war, wenn ein Rechtsträger von Volkseigentum ein Grundstück für die Durchführung von Baumaßnahmen dringend benötigte (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 25.96 – a.a.O. S. 347).

Einen von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Selbst wenn es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in vollem Umfang zutreffend auf den vorliegenden Einzelfall angewandt haben sollte, läge darin keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,

ob und wann zugunsten einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) eine Enteignung nach der Aufbauverordnung in Berlin zulässig war und inwieweit ein etwaiger Verstoß bzw. Missbrauch dieser Bestimmungen auf unlautere Machenschaften bei der Enteignung schließen lässt.

Weiter hält sie für klärungsbedürftig die Frage,

inwieweit eine Enteignung zum Zwecke der Durchführung von Baumaßnahmen möglich gewesen ist, die schon aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit dem staatlichen Verwalter möglich gewesen wären oder ob Enteignungen nur dann zulässig waren, wenn das Grundstück für die Durchführung von Baumaßnahmen dringend benötigt wurde.

Die Beschwerde meint auch, grundsätzlich zu klären sei,

ob ein manipulativer Vorgang angenommen werden muss, wenn die Enteignung für den beabsichtigten Nutzungszweck nicht erforderlich gewesen ist, die Bebauung bereits erfolgt war und die Enteignung erst nachträglich betrieben worden ist.

Wann eine Enteignung nach dem DDR-Recht zulässig war, bestimmt sich nach deren irrevesiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO; vgl. Beschlüsse vom 6. Juli 1999 – BVerwG 7 B 107.99 – n.v. – zum AufbauG der DDR und vom 14. September 2001 – BVerwG 7 B 70.01 – n.v. – zum VerteidigungsG). Die Frage, wann eine unter Verstoß gegen DDR-Recht erfolgte Enteignung eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wird durch die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet. Einem darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

Schließlich hält die Beschwerde für klärungsbedürftig die Frage, ob eine unlautere Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) schon deshalb vorliegt, weil der Enteignungsbescheid einer in der DDR lebenden (Mit-)Eigentümerin nicht zugestellt wurde.

Diese Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Bescheid der in der DDR lebenden Miteigentümerin nicht zugestellt wurde. Aus der Tatsache, dass sich in den – vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen – Altakten kein Zustellungsnachweis befindet, ergibt sich dies nicht zwingend. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass eine Verletzung von Vorschriften über das Enteignungsverfahren nur dann den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt, wenn die handelnde Behörde bewusst gegen die jeweiligen Verfahrensvorschriften verstoßen hatte, um den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – BVerwGE 104, 186 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108 und Beschluss vom 20. August 2001 – BVerwG 8 B 136.01 – nicht veröffentlicht).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI668020

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge