Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 01.06.2006; Aktenzeichen 1 UE 1691/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist nicht begründet. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe vorliegt.
Mit seiner Klage greift der Kläger die Entscheidung des Auswahlausschusses an, ihn nicht zur Ausbildung für den höheren Polizeivollzugsdienst (Laufbahnaufstieg) zuzulassen. Der Ausschuss hat aus den Ergebnissen der drei Abschnitte des Auswahlverfahrens den Schluss gezogen, das Leistungs- und Persönlichkeitsbild des Klägers weise deutliche Mängel auf. Die Leistungen des Klägers in den Testteilen A und B waren mit “entsprechen teilweise den Anforderungen” und “entsprechen überwiegend nicht den Anforderungen” bewertet worden. Für die Tätigkeit in der Qualifikationsverwendung hatte der Kläger die Beurteilung “für den Aufstieg geeignet” erhalten. Die Richtlinien des Hessischen Innenministeriums vom 28. Februar 2002 (Staatsanzeiger S. 2524), die das laufbahnrechtlich vorgeschriebene Auswahlverfahren näher regeln, treffen keine Aussage über die Bedeutung der Teilergebnisse für die Ermittlung und Feststellung des Gesamtergebnisses.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage – unter Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheidungsurteils – durch Beschluss gemäß § 130a VwGO abgewiesen, weil sich die ablehnende Entscheidung im Rahmen des Beurteilungsspielraums halte, der dem Auswahlausschuss gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen des hessischen Polizeivollzugsdienstes vom 18. Juli 1996 – HPolLVO – (GVBl S. 326) eingeräumt sei. Es sei sachgerecht, den Laufbahnaufstieg Bewerbern vorzubehalten, die ihre Eignung in allen Abschnitten des Auswahlverfahrens unter Beweis gestellt hätten. Dagegen habe der Kläger den Testteil B nicht bestanden. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, die Richtlinien müssten den Einfluss der Teilergebnisse auf das Gesamtergebnis generell festlegen, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf seine Rechtsprechung widersprochen.
Mit der Verfahrensrüge trägt der Kläger vor, die Berufungsentscheidung stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof habe versäumt darauf hinzuweisen, dass er den Auswahlausschuss bereits aufgrund des Beurteilungsspielraums gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 HPolLVO für berechtigt gehalten habe, dem Nichtbestehen eines der drei Teile des Auswahlverfahrens Sperrwirkung für die Zulassung zum Laufbahnaufstieg beizumessen. Daher habe der Kläger zu diesem die Berufungsentscheidung tragenden rechtlichen Gesichtspunkt im Berufungsverfahren nicht Stellung nehmen können. Mit diesem Vorbringen rügt der Kläger sinngemäß, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu den tatsächlichen Umständen des Falles, sondern auch umfassend zur Rechtslage äußern zu können. Allerdings besteht regelmäßig keine Pflicht des Gerichts, ihnen mitzuteilen, welche Rechtsauffassung es zu vertreten gedenkt. Vielmehr müssen die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich alle rechtlichen Gesichtspunkte, auf die es nach den Umständen des Falles ankommen könnte, von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen. Eine Gehörsverletzung liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, dessen entscheidungserhebliche Bedeutung auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu erkennen vermag (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫; stRspr). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn das Gericht auf eine Vorschrift oder einen Rechtssatz abstellt, der im gesamten Verfahren keine Rolle gespielt hat (Beschluss vom 20. Juni 2006 – BVerwG 3 B 91.05 – juris Rn. 2).
Davon ausgehend liegt die geltend gemachte Gehörsverletzung nicht vor. Der anwaltlich vertretene Kläger musste damit rechnen, dass der Verwaltungsgerichtshof die ablehnende Entscheidung des Auswahlausschusses aufgrund des Nichtbestehens des Testteils B als vom Beurteilungsspielraum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 HPolLVO gedeckt und generelle Vorgaben für die Ermittlung und Feststellung des Gesamtergebnisses als entbehrlich ansehen würde. Denn diese Rechtsauffassung hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Juli 2005, in dem er die Berufung begründet hat, ausführlich dargelegt. Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass seine Ausführungen mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übereinstimmten und hierfür auf ein mit Datum und Aktenzeichen angegebenes Urteil Bezug genommen. Schon deshalb kann keine Rede davon sein, der tragende rechtliche Gesichtspunkt der Berufungsentscheidung habe in dem Berufungsverfahren keine Rolle gespielt. Vielmehr hat sich ein rechtlicher Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs bereits aufgrund des Vortrags des Beklagten erübrigt.
Mit der Divergenzrüge macht der Kläger eine Abweichung der Berufungsentscheidung von dem Urteil des Senats vom 22. September 1988 – BVerwG 2 C 35.86 – BVerwGE 80, 224 geltend. Er trägt vor, der Senat habe entschieden, der Dienstherr dürfe die Entscheidung über die Auswahl von Beamten für den Laufbahnaufstieg nicht auf externe Dritte wie hinzugezogene Psychologen übertragen. Demgegenüber habe der Verwaltungsgerichtshof gebilligt, dass der Auswahlausschuss die negativen Wertungen des externen Psychologen über die Leistungen des Klägers im Testteil B ungeprüft übernommen habe.
Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellt hat. Sie ist nicht gegeben, wenn das Berufungsgericht einen solchen Rechtssatz in dem zu entscheidenden Fall übergeht oder rechtsfehlerhaft anwendet (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328; stRspr). Danach liegt die geltend gemachte Divergenz nicht vor.
In dem Urteil vom 22. September 1988 (a.a.O. S. 226 f.) hat der Senat ausgeführt:
“Der Dienstherr kann die hiernach allein ihm obliegende umfassende Eignungsbeurteilung und die ihm dabei zukommende Beurteilungsermächtigung nicht auf außenstehende Dritte übertragen. Der Dienstherr darf aber im Rahmen seiner eigenen Beurteilung unterstützend einen psychologischen Eignungstest heranziehen (vgl. Urteil des Senats vom 7. Mai 1981 – BVerwG 2 C 42.79 – Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19 = DVBl. 1982, 198; Beschluss vom 11. Februar 1983 – BVerwG 2 B 103.81 – a.a.O.) … Der Test kann auch durch außenstehende Sachverständige durchgeführt werden (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG). Für die dabei zugrunde zu legenden Anforderungen an die Bewerber sind die Vorgaben des Dienstherrn maßgeblich. Das Ergebnis der Begutachtung darf der Dienstherr nicht etwa ‘blindlings’ übernehmen. Vielmehr muss die psychologische Eignungsbegutachtung nach Ergebnis und Begründung so verständlich sein – ggf. nach zusätzlicher Erläuterung –, dass der Dienstherr sie sich zu eigen machen kann. Das ist hier in dem ‘zusammenfassenden Eindruck’ der Gutachter geschehen. Soweit sich der Dienstherr auf dieser Grundlage Ergebnisse der Begutachtung zu eigen macht, darf er sie neben etwaigen dienstlichen Beurteilungen und Berichten, ggf. Prüfungsergebnissen u.a. als Beitrag zu seinem eigenen umfassenden Eignungsurteil verwerten.”
Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser Rechtsauffassung nicht widersprochen, sondern sich ihr angeschlossen. So heißt es in den Gründen der Berufungsentscheidung (Seiten 5 unten und 6 des Beschlussabdrucks):
“Auch bei der Auswahl von Beamten für den Laufbahnaufstieg steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu, der sich auf die prognostische Feststellung der Eignung für eine erfolgreiche Teilnahme an der Ausbildung für den höheren Polizeivollzugsdienst bezieht. Unumstritten ist weiter, dass der Dienstherr berechtigt ist, die Ergebnisse psychologischer Eignungsuntersuchungen für seine eigene Urteilsbildung auszuwerten (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 22. September 1988, BVerwGE 80, 224 = NJW 1989, 1297).”
Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht die Rechtsauffassung vertreten hat, der Dienstherr, d.h. hier der Auswahlausschuss dürfe seine Verantwortung für die Beurteilung der Leistungen der Bewerber auf externe Psychologen übertragen. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass sich der Auswahlausschuss aufgrund der Berichte und Wertungen des Psychologen, der den Testteil B durchgeführt hat, ein eigenes Urteil über die Leistungen des Klägers in diesem Testteil gebildet hat (vgl. Seiten 7 unten und 8 des Beschlussabdrucks).
Nicht zu entscheiden ist, ob der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 HPolLVO durch den Verwaltungsgerichtshof rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, welche konkrete Rechtsfrage aus welchen Gründen rechtsgrundsätzlich bedeutsam sein könnte; die Beschwerdebegründung enthält hierzu keine Ausführungen (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2 GKG n.F.
Unterschriften
Albers, Dr. Kugele, Dr. Heitz
Fundstellen