Leitsatz (amtlich)
Einwendungen gegen die mangelnde Anrechnung absolvierter Lehrgänge auf Ausbildungszeiten können nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit einer Fortbildungskommandierung geltend gemacht werden.
Tatbestand
Rz. 1
Der Antrag betrifft die Anrechnung von Vordienstzeiten nach § 41 Abs. 2 Satz 3 Soldatenlaufbahnverordnung (SLV).
Rz. 2
Der... geborene Antragsteller war 1996 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Panzerschützen ernannt worden, wurde 1997 Unteroffizier und 2000 Feldwebel. Seit 2002 ist er Berufssoldat. Mit Wirkung vom 1. April 2016 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2018 wurde er zum Leutnant befördert. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 31. März 20.. enden.
Rz. 3
Unter dem 15. März 2018 beantragte der Antragsteller zwölf Monate seiner 19-jährigen Dienstzeit zwischen der Beförderung zum Unteroffizier und der Ernennung zum Offizieranwärter auf seine Ausbildungs- und Beförderungszeit anzurechnen.
Rz. 4
Mit Bescheid vom 19. März 2018 entschied das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, den Grundlagenlehrgang für Anwärter fliegerischer Dienst/militärische Flugsicherung Modul 2-SPR und den Offizieranwärterlehrgang Heeresfliegertruppe mit sechs Monaten auf die Ausbildungs- und Beförderungszeit des Antragstellers zum Offizier des militärfachlichen Dienstes anzurechnen. Damit verkürze sich die Ausbildungszeit von regelmäßig drei Jahren auf zwei Jahre und sechs Monate, und die Beförderung zum Leutnant erfolge zum 1. Oktober 2018, sofern dann alle weiteren Voraussetzungen erfüllt seien. Der weitergehende Antrag wurde abgelehnt. Vordienstzeit werde nur anerkannt, wenn sie für die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes in der jeweiligen AVR von Nutzen sei und die Ausbildung tatsächlich verkürze.
Rz. 5
Daraufhin legte der Antragsteller mit Schreiben vom 22. März 2018 Beschwerde ein. Er habe seit der Beförderung zum Unteroffizier acht weitere, für die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe (AVR) 22703 "Flugeinsatz/Flugsicherung" notwendige Ausbildungen über insgesamt 433 Tage absolviert. Dass diese nicht angerechnet worden seien, stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Kameraden Leutnant... dar.
Rz. 6
Mit Schreiben vom 20. August 2018, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen am 23. August 2018, erhob der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde, weil innerhalb der gesetzlichen Frist noch nicht abschließend entschieden sei. Nach fast fünf Monaten sei nicht nachvollziehbar, warum eine nachgeordnete Behörde dem Bundesministerium der Verteidigung eine Stellungnahme verweigere.
Rz. 7
Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und dem Senat mit einer Stellungnahme vom 12. Oktober 2018 vorgelegt.
Rz. 8
Der Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag gestellt und sich im gerichtlichen Verfahren nicht geäußert.
Rz. 9
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Rz. 10
Über die Anrechnung von Dienstzeiten auf die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes entscheide nach § 41 Abs. 2 Satz 3 SLV und Nr. 916 der ZDv A-1340/49 die zuständige Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Anrechenbarkeit von Dienstzeiten bzw. Ausbildungen werde für den Zulassungsjahrgang 2016 in der Bereichsverfügung D2-225/0-0-5632 konkretisiert. Nach Nr. 133 der Bereichsverfügung erfolge die Anrechnung nur, wenn vor der Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes absolvierte Ausbildungsabschnitte mit den in der Bereichsverfügung festgelegten Lehrgängen bzw. zivilberuflichen Abschlüssen vollständig übereinstimmen. Zudem würden hiernach Ausbildungsabschnitte von weniger als einem Monat nicht angerechnet. Für den Antragsteller als Angehörigen der AVR 22703 "Flugeinsatz/Flugsicherheit" ergebe sich der Ausbildungsgang aus Nr. 110 i.V.m. Abschnitt 2.10 der Bereichsverfügung. Dieser Verweis sei nach Auskunft des Erlasshalters allerdings insoweit missverständlich, als dort auch die bereits in der Unteroffizier-/Feldwebelausbildung zu absolvierenden Lehrgänge angeführt seien, die aber nicht Teil der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes und daher auf diese auch nicht anrechenbar seien. Hiernach seien die von ihm angeführten Lehrgänge nicht anrechenbar, weil sie zum Teil nicht den Inhalten der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes entsprächen, zum Teil zu kurz seien und zum Teil bereits vor der Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes absolviert werden müssten. Er werde auch nicht gegenüber Leutnant... unangemessen benachteiligt. Dieser gehöre dem Zulassungsjahrgang 2015 an, während der Antragsteller zum Zulassungsjahrgang 2016 gehöre. Für den Zulassungsjahrgang des Antragstellers sei die Ausbildung grundlegend neu strukturiert worden, sodass Anrechnungsentscheidungen für die beiden Jahrgänge nicht vergleichbar seien. Die Mitteilung über die Anrechnung von Dienstzeiten sei noch keine anfechtbare truppendienstliche Maßnahme, vielmehr ein notwendiger Zwischenschritt, der einer gesonderten Umsetzungsentscheidung bedürfe.
Rz. 11
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Rz. 13
1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er eine positive Entscheidung über die von ihm beantragte Anrechnung von weiteren 433 Tagen seiner vor der Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes absolvierten Dienstzeit auf die Ausbildungs- und Beförderungszeit zum Leutnant. Da die Anrechnung nach § 41 Abs. 2 Satz 3 SLV im Ermessen des Dienstherrn liegt, richtet sich sein Antrag mithin auf Aufhebung des ablehnenden Teils der Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 19. März 2018 und Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats.
Rz. 14
2. Der Antrag ist unzulässig.
Rz. 15
Der Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 21 Abs. 1 WBO) wurde zwar zulässig als Untätigkeitsantrag gestellt, weil das Bundesministerium der Verteidigung über die Beschwerde des Antragstellers vom 22. März 2018 nicht innerhalb eines Monats entschieden hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).
Rz. 16
Er ist aber nicht statthaft.
Rz. 17
Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei.
Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u.a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 84 Rn. 26 ff. und vom 21. März 2019 - 1 WB 38.18 - juris Rn. 12).
Rz. 18
Etwas anderes gilt nur für solche, eine andere Entscheidung vorbereitenden Maßnahmen, die diese wesentlich prägen. Dies gilt beispielsweise für die Zuordnung eines Soldaten zu einer bestimmten Ausbildungs- und Verwendungsreihe, weil diese den weiteren Werdegang eines Soldaten weitgehend festlegt (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 7.18 - juris Rn. 10). Um eine Entscheidung von hiermit vergleichbarer Tragweite handelt es sich bei der Anrechnung von Vordienstzeiten nach § 41 Abs. 2 SLV nicht. Denn sowohl die Beförderung als auch die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes setzen neben der Bestimmung von Ausbildungs- und Beförderungszeiten weitere wesentliche Faktoren voraus, auf die die hier streitgegenständliche Festlegung keinen Einfluss hat. Sowohl für den Gang der weiteren Ausbildung als auch für das "ob" und "wann" der Beförderung kommt es insbesondere noch auf die von dem Soldaten im Rahmen der Ausbildung gezeigten Leistungen an. Eine Verkürzung der Ausbildungs- und Beförderungszeiten in der Folge einer Anrechnung löst keinen Automatismus hinsichtlich einer Beförderung aus und sie prägt auch den Gang der weiteren Ausbildung des Anwärters nicht entscheidend vor. Auch das Bundesministerium der Verteidigung versteht die Mitteilung über die Anrechnung von Vordienstzeiten als Zwischenschritt zur Vorbereitung einer Umsetzungsentscheidung und damit nicht als selbstständig anfechtbare truppendienstliche Maßnahme. Soweit der Senat in der Vergangenheit etwas anderes angenommen hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1996 - 1 WB 59.95 - zu § 31 Abs. 1 Satz 2 SLV in der bis zum 5. November 1997 geltenden Fassung vom 14. September 1994), hält er hieran nicht fest.
Rz. 19
Damit ist auch keine Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes für den Antragsteller verbunden. Denn dieser kann gegen Kommandierungen zu solchen Lehrgängen und Ausbildungsteilen, die nach seiner Auffassung anrechenbar wären, weil er bereits inhaltlich identische Ausbildungseinheiten in seiner Vordienstzeit absolviert hat, mit einem Rechtsbehelf nach der Wehrbeschwerdeordnung vorgehen. Insoweit steht ihm auch vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung. Im Rahmen eines solchen Rechtsstreites wird die Anrechenbarkeit eines konkreten Lehrganges auf die Ausbildung nach § 41 Abs. 2 Satz 3 SLV inzident überprüft, ohne dass dem Antragsteller die Bestandskraft der Entscheidung entgegengehalten werden kann (vgl. für das Ergebnis einer Potenzialfeststellung für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes: BVerwG, Beschluss vom 20. September 2011 - 1 WB 38.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 61 Rn. 38 ff.; für das Ergebnis einer Ausbildungseignungsuntersuchung: BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2019 - 1 WB 35.18 - juris Rn. 16).
Rz. 20
3. Der Antrag wäre im Übrigen unbegründet.
Rz. 21
Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat mit der Entscheidung vom 19. März 2018 mit Recht die Anrechnung von über sechs Monaten hinausgehender Vordienstzeiten auf die Ausbildungs- und Beförderungszeit zum Leutnant abgelehnt. Der Antragsteller hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Anrechnung auch der von ihm konkret bezeichneten Lehrgänge.
Rz. 22
Nach § 41 Abs. 2 Satz 3 SLV steht die Anrechnung von Dienstzeiten, die vor der Zulassung zur Laufbahn des militärfachlichen Dienstes liegen, im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 ≪27≫ und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Soweit der Dienstherr für die Ausübung des Ermessens allgemeine Regelungen etwa in Zentralen Dienstvorschriften vorgegeben hat, sind diese im Rahmen des Gebotes der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich maßgeblich, soweit im Übrigen der gesetzliche Rahmen nicht überschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 1 WB 28.15 - juris Rn. 29 m.w.N.).
Rz. 23
Hier hat der Dienstherr die sein Ermessen leitenden Grundsätze für die Ausbildung der Offiziere des militärfachlichen Dienstes des Zulassungsjahrgangs 2016 in der Bereichsverfügung D2-225/0-0-5632 in allgemeiner Form festgelegt. In Nr. 133 dieser Bereichsverfügung ist festgehalten, dass eine Anrechnung zum einen voraussetzt, dass die vor der Zulassung absolvierten Ausbildungen mit den in der Bereichsverfügung für die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe vorgesehenen Lehreinheiten übereinstimmen und dass Ausbildungsabschnitte von weniger als einem Monat Dauer nicht angerechnet werden. Da diese Grundsätze am Ziel der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes ausgerichtet sind und einer praktikablen Handhabung der Anrechnungsmöglichkeit dienen, sind sie sachgerecht und überschreiten das Organisationsermessen des Dienstherrn nicht.
Rz. 24
Hiernach unterschreiten die vom Antragsteller in seiner Beschwerde angeführten Ausbildungen zum Teil die Mindestdauer von einem Monat, ab der eine Anrechnung möglich ist. Zum Teil sind die angeführten Ausbildungseinheiten inhaltlich nicht mit ähnlichen Ausbildungen für Offizieranwärter der AVR 22703 "Flugeinsatz/Flugsicherheit" identisch oder betreffen Gegenstände, die nur in den der Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes vorgelagerten Lehreinheiten behandelt werden. Der Antragsteller hat gegen die auf die einzelnen von ihm angeführten Lehrgänge bezogenen Erläuterungen des Bundesministeriums der Verteidigung keine Einwände vorgebracht. Bedenken sind auch nicht ersichtlich.
Rz. 25
Unter Bezugnahme auf eine sich aus den Bereichsverfügungen für die Ausbildung der Offiziere des militärfachlichen Dienstes des Zulassungsjahrgangs 2015 (D2-225/0-0-5631) und des Zulassungsjahrgangs 2016 (D2-225/0-0-5632) ergebende grundlegende Neustrukturierung hat das Bundesministerium der Verteidigung auch erläutert, dass es sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung des Antragstellers und des von ihm angeführten Kameraden hinsichtlich der Anrechnung einzelner Lehrgänge gibt. Ungleichbehandlungen verletzen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG nur dann, wenn sie wesentlich gleiche Sachverhalte betreffen. Hieran fehlt es aber, wenn die Ausbildungen zweier Offizieranwärter auf der Grundlage unterschiedlich aufgebauter Ausbildungen erfolgen.
Rz. 26
Ermessensfehler der angegriffenen Bescheide sind damit nicht dargetan oder ersichtlich.
Fundstellen