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BVerwG Beschluss vom 08.02.1999 - 4 BN 1.99

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Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.11.1998; Aktenzeichen 8 C 10633/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 1998 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO erfüllt sind.

1. Das Normenkontrollgericht bejaht die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Fassung des 6. Änderungsgesetzes vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626). Das hiergegen gerichtete Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision.

1.1 Das Normenkontrollgericht sieht eine Rechtsverletzung als gegeben an, wenn der Antragsteller eine Verletzung des in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Abwägungsgebotes dahin geltend macht, seine privaten Belange seien in die Abwägung nicht hinreichend eingestellt worden. Mit dieser Rechtsauslegung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO befindet sich das vorinstanzliche Gericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – UPR 1999, 27 = DVBl 1999, 100). Das in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltene Abwägungsgebot besitzt drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hierzu nicht. Hiervon geht auch die Beschwerde aus.

1.1.1 Die Beschwerde hält es allerdings für klärungsbedürftig, ob die Antragsbefugnis dann gegeben ist, „wenn der zusätzliche Verkehr zu einer neu ausgewiesenen Wohnbebauung mit ca. 10 bis allenfalls 20 möglichen Wohnungen keine erhebliche Belästigung für die Anwohner der Zufahrtsstraßen verursacht, die Zufahrtsstraßen jedoch nur drei Meter breit sind, keinen Begegnungsverkehr gestatten und schon durch das Parken oder Anhalten eines einzigen Kraftfahrzeuges blockiert werden und ferner eine der Zufahrtsstraßen als öffentlicher, befahrbarer Wohnweg festgesetzt worden ist”.

Die so gestellte Frage ist unzulässig. Die Beschwerde genügt nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie wirft mit ihrem Vorbringen keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern wiederholt nur – unter Verwendung abstrahierender Worte – die einzelfallbezogene tatrichterliche Würdigung des Normenkontrollgerichts. Damit zielt die Beschwerde der Sache nach allein auf eine Rechtsprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dient indes nicht dazu, die vorinstanzlichen Entscheidung auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen.

1.1.2 Die Beschwerde hält ferner die Frage für klärungsbedürftig, ob „Erschwernisse bei der Zugänglichkeit des Grundstücks des Antragstellers, die zwangsläufig mit dem zu erwartenden, keine erheblichen Belästigungen auslösenden zusätzlichen Verkehr verbunden sind, zu einer Bejahung der Antragsbefugnis führen können”. Auch insoweit fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit.

Die Beschwerde legt einen Sachverhalt zugrunde, den das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Das vorinstanzliche Gericht hat nur ausgeführt, daß im allgemeinen ein zusätzlicher Verkehr keine erhebliche Belästigung auslöse. Die Besonderheiten des Einzelfalles verlangten aber – so ist die Entscheidungsbegründung zweifelsfrei zu verstehen – im Streitfall eine andere Würdigung (vgl. Urteilsabdruck S. 6). Eine derartige Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ist nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles rechtlich möglich. Demgegenüber unterstellt die Beschwerde mit ihrer eigenen Beurteilung, daß eine erhebliche Belästigung nicht gegeben sei.

1.2 Die Beschwerde macht geltend, das Urteil des Normenkontrollgerichts weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 – BVerwG 59, 87 = NJW 1980, 1061 ab. Das trifft nicht zu.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht. Sie wendet sich vielmehr erneut nur gegen die tatrichterliche Würdigung des Normenkontrollgerichtes. Auch in der Sache selbst ist das Vorbringen nicht begründet. Die tatrichterlichen Feststellungen, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, ergeben, daß der Antragsteller die Verletzung eines abwägungserheblichen und drittschützenden Belangs geltend macht, der weder geringwertig noch nicht schutzwürdig ist. Soweit die Beschwerde insoweit eine andere Auffassung vertritt, weist sie keinen abweichenden Rechtssatz auf, sondern verfolgt lediglich eine andere Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse.

2. Das Normenkontrollgericht beurteilt den angegriffenen Bebauungsplan im Sinne des § 215 a BauGB als rechtlich unwirksam. Der Plan sei materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 BauNVO nicht gegeben seien. Hiergegen richtete sich das Zulassungsbegehren der Beschwerde ebenfalls ohne Erfolg.

2.1 Das Normenkontrollgericht stellt fest, die Antragsgegnerin habe in ihrem Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO festgesetzt, gleichzeitig aber gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO alle Nutzungen mit Ausnahme der Wohnnutzung ausgeschlossen. In dieser Vorgehensweise sieht das Normenkontrollgericht einen Verstoß gegen § 1 Abs. 5 BauNVO. Das trifft zu. Einer weiteren Klärung in dem erstrebten Revisionsverfahrens bedarf es dazu nicht.

Die Beschwerde verwechselt in ihrem Vorbringen das Erfordernis der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets und die für eine Regelung nach § 1 Abs. 5 BauNVO erforderlichen städtebaulichen Gründe. Nach der genannten Vorschrift kann die Gemeinde im Bebauungsplan festsetzen, daß bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Hierzu sind allerdings städtebauliche Gründe erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluß vom 29. Juli 1991 – BVerwG 4 B 80.91 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 13 = NVwZ-RR 1992, 117). § 1 Abs. 5 BauNVO ermächtigt die Gemeinde dagegen nicht, außerhalb der in § 1 Abs. 2 BauNVO genannten Baugebietstypen andere Gebietstypen zu entwickeln (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 7. Juli 1997 – BVerwG 4 BN 11.97 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 22 = NVwZ-RR 1998, 416; Beschluß vom 6. Mai 1996 – BVerwG 4 NB 16.96 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 22; Beschluß vom 22. Dezember 1989 – BVerwG 4 NB 32.89 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 8 = NVwZ-RR 1990, 171; Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 N 4.86 – BVerwGE 77, 308 ≪316 f.≫). Wahrt die getroffene Festsetzung nicht die allgemeine Zweckbestimmung des Gebietscharakters, stellt sich die Frage nicht, ob die Festsetzung durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist. So liegt es hier.

Die allgemeine Zweckbestimmung des allgemeinen Wohngebietes (WA) normiert § 4 Abs. 1 BauNVO. Danach dient dieses Gebiet vorwiegend dem Wohnen. Näheres ergibt sich alsdann aus § 4 Abs. 2 BauNVO. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bebauungsplan alle Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauNVO ausgeschlossen. Damit hat sie im rechtlichen Ergebnis die Wirkung eines reinen Wohngebietes (WR) hergestellt, ohne dieses als solches festzusetzen. Mit dem festgesetzten Ausschluß ist der allgemeine Charakter des nach § 4 BauNVO zu beurteilenden Baugebietstypus eines allgemeinen Wohngebiets (WA) nicht mehr gegeben. Ist dieses Ergebnis der planerischen Festsetzung bereits inhaltlich unzulässig, kommt es nicht darauf an, ob rechtfertigende Gründe bestehen und welche Anforderungen an die Begründungspflicht zu stellen sind.

Der Beantwortung der von der Beschwerde zum Umfang der Begründungspflicht dargelegten Fragen bedarf es nicht. Das Normenkontrollgericht hat nur ergänzend erörtert, in welcher Weise sachgerechte Festsetzungen möglich wären, wenn entsprechende tatsächliche Gründe vorlägen. Tragend sind seine Erwägungen indes nicht.

2.2 Entsprechend liegt auch die von der Beschwerde geltend gemachte Abweichung nicht vor. Der von der Beschwerde angegebene Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 1991 – BVerwG 4 B 80.91 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 13 = NVwZ-RR 1992, 117 – behandelt Fragen der Planbegründung. Wie erörtert, hat hierauf das vorinstanzliche Gericht nicht entscheidungstragend abgestellt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Hien

 

Fundstellen

BauR 1999, 1435

VR 2000, 107

ZfBR 1999, 234

BRS 2000, 364

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