Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 05.07.2007; Aktenzeichen 4 L 229/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 723,19 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Beschwerde die Frage auf,
“inwieweit der vom Oberverwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz, dass es bei Beurteilung der Frage, ob eine Anlage bereits endgültig hergestellt gewesen ist oder nicht, nicht allein auf den Willen des damaligen Planungsträgers im Zeitpunkt der Herstellung der Anlage abzustellen ist, sondern vielmehr hinzukommen muss, dass dieser Wille auch noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kommunalabgabengesetzes am 15. Juni 1991 fortbestand; weil es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde bzw. des Verbandes stehe, unter Berücksichtigung seines Entwässerungskonzeptes zu bestimmen, ob die von ihm übernommene Abwasserbeseitigungsanlage provisorischen Charakter trägt und damit eine Beitragserhebung nach § 6 Abs. 1 KAG LSA rechtfertigt, gegen (Bundes-)Verfassungsrecht, namentlich gegen das Rückwirkungsverbot bzw. das Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), verstößt.”
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft zunächst Vorschriften des Landesrechts, dessen Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann.
Der für eine Grundsatzrüge erforderliche Bezug zum Bundesrecht ergibt sich nicht daraus, dass die Beschwerde eine Verletzung von Normen des Grundgesetzes rügt. Denn die Zulassung der Grundsatzrevision ist nur gerechtfertigt, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht jedoch dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 6 B 11.96 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Einen solchen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf, wenn sie sich auf die Rüge beschränkt, eine nachträgliche “Zurückstufung” der in den 1920er Jahren hergestellten Abwasserbeseitigungsanlage in ein Provisorium verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Ohnehin geht die Beschwerde insoweit von einem unzutreffenden Verständnis der bundesrechtlichen Vorgaben für das hier in Rede stehende kommunale Beitragsrecht aus. Denn wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist, gibt das Bundesrecht für ein allgemeines, das Landesbeitragsrecht bindendes Prinzip der Einmaligkeit der Beitragsheranziehung, das die Beschwerde ihrer Kritik an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde legt, nichts her. Etwas anderes gilt zwar für die Erschließungsbeitragspflicht, die für ein Grundstück bezogen auf die erstmalige Herstellung einer bestimmten Erschließungsanlage nur einmal entsteht. Dies hat jedoch seine Ursache in der Notwendigkeit einer Abgrenzung des bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts vom landesrechtlichen (Straßenausbau-)Beitragsrecht. Das Erschließungsbeitragsrecht überschreitende Schlüsse, die für die Auslegung des hier in Frage stehenden Landesrechts maßgeblich sein könnten, lassen sich daraus jedoch nicht ziehen (Urteil vom 26. Februar 1992 – BVerwG 8 C 70.89 – Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 376 S. 26 f.; Beschluss vom 10. September 1998 – BVerwG 8 B 102.98 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 40 S. 10 f.).
2. Soweit die Beschwerde eine Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rügt, fehlt es bereits an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Darlegung eines derartigen Zulassungsgrundes (vgl. hierzu Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Die Beschwerde nennt zwar Rechtssätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Rückwirkungsverbot (Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66 u.a. – BVerfGE 30, 367) sowie zum Willkürverbot und zum Gebot des rechtlichen Gehörs (Beschluss vom 17. Dezember 1998 – 2 BvR 1556/98 – NJW 1999, 1387) aufgestellt hat. Sie legt aber keine davon abweichenden Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts dar, sondern kritisiert lediglich eine unzureichende Anwendung dieser Grundsätze in der angefochtenen Entscheidung. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts genügt aber nicht den Anforderungen an eine Divergenzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Dem Erfolg der weiteren, auf eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 – BVerwG 9 C 5.06 – (KStZ 2007, 214) gestützten Divergenzrüge steht entgegen, dass diese Entscheidung zu Fragen des bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrechts, nicht hingegen zu solchen des hier einschlägigen landesrechtlichen Beitragsrechts ergangen ist, so dass der angebliche Widerspruch von Rechtssätzen jedenfalls nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift erfolgt sein kann (vgl. zu dieser Anforderung Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
3. Auch die erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), mit denen die Beschwerde Verstöße gegen die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht, greifen nicht durch.
a) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft eine weitere Sachverhaltsermittlung zu der vom Kläger unter Beweis gestellten, entscheidungserheblichen Frage abgelehnt, ob vor Inkrafttreten des KAG-LSA bereits eine endgültig hergestellte Abwasseranlage bestanden habe. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die entsprechende Behauptung des Klägers als wahr unterstellt. Eine solche Wahrunterstellung ist nicht zu beanstanden, wenn die Behauptung aus der rechtlichen Sicht des Gerichts unerheblich ist (vgl. etwa Beschluss vom 31. Januar 2002 – BVerwG 7 B 92.01 – juris Rn. 9 – in Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 318 insoweit nicht abgedruckt). Das war hier der Fall, weil es nach Auffassung des Gerichts für die Frage, ob die in den 1920er Jahren hergestellte Abwasseranlage eine dauerhafte Entsorgungsmöglichkeit bietet, maßgeblich auf den – insoweit ablehnenden – Willen des Planungsträgers zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG-LSA im Jahr 1991 ankommt. Dass sich das Oberverwaltungsgericht nicht an seine eigene Wahrunterstellung gehalten hätte und deswegen seine Amts-ermittlungspflicht verletzt hätte (vgl. hierzu Beschluss vom 20. Juli 1989 – BVerwG 7 B 31.89 – juris Rn. 18), legt die Beschwerde nicht dar und lässt sich auch den Gründen der angegriffenen Entscheidung nicht entnehmen.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich auch nicht dadurch gegen seine Pflicht zur Sachverhaltserforschung verstoßen, dass es – wie die Beschwerde meint – den tatsächlichen Willen des Planungsträgers im Jahr 1991 nicht hinreichend aufgeklärt hätte. Die Aufklärungspflicht des Gerichts bezieht sich nämlich stets nur auf Sachverhalte, auf die es nach seiner eigenen sachlich-rechtlichen Auffassung ankommt (vgl. etwa Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 58 m.w.N.). Insoweit ist den Entscheidungsgründen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 9 f.) zu entnehmen, dass das Gericht als pflichtgemäße Ermessensbetätigung des Planungsträgers zur Bestimmung des Standards für die endgültige Herstellung einer Abwasserbeseitigungsanlage eine übergeordnete und grundsätzliche Entscheidung fordert, die in erster Linie im Entwässerungskonzept der Gemeinde zum Ausdruck kommt. Auf dieser Grundlage kann es im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerde nicht darauf ankommen, ob der Beklagte im Jahr 1999 Grundstücke zu “Verbesserungsbeiträgen” herangezogen hat, weil sich aus der – möglicherweise fehlerhaften – Ausführung seines Beitragsrechts in Einzelfällen keine Rückwirkungen auf die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts maßgeblichen Grundentscheidungen des Beklagten ergeben können. Deswegen kann aus der Nichtbehandlung dieses Gesichtspunktes im Rahmen der Entscheidungsgründe mangels sonstiger Anhaltspunkte auch nicht der Schluss gezogen werden, das Oberverwaltungsgericht habe insoweit dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs, dessen Verletzung die Beschwerde möglicherweise rügen will, nicht hinreichend Rechnung getragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte
Fundstellen