Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 01.09.2005; Aktenzeichen 1 KN 109/05) |
Tenor
Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. September 2005 werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 125 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützten Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Beigeladene möchte in dem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob das Wort “Gesetzesänderung” in § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB jede planungsrechtlich relevante Gesetzesänderung (hier: Änderungen des Landesplanungsrechts) erfasst oder ob damit nur Änderungen des BauGB gemeint sind.
Auf die Klärung dieser Frage sind sinngemäß auch die von der Antragsgegnerin unter II.2.2 und 2.3 ihrer Beschwerdebegründung bezeichneten Fragen gerichtet.
Die Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der entstandenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten. Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB werden Verfahren nach diesem Gesetz, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 – BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) in das Baugesetzbuch eingefügt. Zuvor enthielt das Baugesetzbuch für jede seiner Änderungen gesonderte Überleitungsvorschriften. Da diese Überleitungsvorschriften unübersichtlich, teilweise auch durch Zeitablauf überflüssig geworden waren, sollten sie durch eine offen formulierte Generalklausel in § 233 BauGB abgelöst werden (vgl. BTDrucks 13/6392, S. 74). § 233 Abs. 1 BauGB sollte – anders als die bisherigen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs und als z.B. die Überleitungsvorschrift in § 23 Abs. 1 ROG – die Anwendbarkeit nicht nur des BauROG, sondern auch der künftigen Änderungsgesetze zum Baugesetzbuch auf vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung förmlich eingeleitete Verfahren regeln (vgl. Bielenberg/Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 233 Rn. 1 – Stand August 2002; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 233 Rn. 1 – Stand August 2003; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage 2005, § 233 Rn. 1). Aus diesem Grund trifft § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Übergangsregelung für Verfahren nach dem Baugesetzbuch, die vor dem Inkrafttreten “einer” und nicht nur einer bestimmten Änderung des Baugesetzbuchs förmlich eingeleitet worden sind. Die Auswirkungen einer Änderung des Landesplanungsrechts auf laufende Verfahren nach dem Baugesetzbuch regelt § 233 Abs. 1 BauGB nicht.
2. Die Beigeladene bezeichnet weiter als rechtsgrundsätzlich die Frage,
auf welchen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans abzustellen ist, wenn nach Satzungsbeschluss Änderungen des Landesplanungsrechts in Kraft getreten sind und der beschlossene Bebauungsplan zwar mit der ursprünglichen, nicht aber mit der geänderten Fassung des Landesplanungsrechts im Einklang steht.
Die von der Antragsgegnerin unter II.1 (S. 8 der Beschwerdebegründung), II.1.1, 1.2, 2.1, 3.1 bis 3.3, 4.1 und 4.2 formulierten Rechtsfragen beschäftigen sich ebenfalls mit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Gültigkeit eines Bebauungsplans und die Erfüllung des Anpassungsgebots des § 1 Abs. 4 BauGB. Die genannten Fragen lassen sich, soweit sie in dem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären, auf der Grundlage des Gesetzes und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantworten.
Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne – also auch die Bebauungspläne (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB) – den Zielen der Raumordnung anzupassen. Diese Pflicht zur Anpassung endet nicht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung. Bauleitpläne sind den gültigen Zielen der Raumordnung anzupassen, unabhängig davon, wann diese in Kraft getreten sind. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 17. September 2003 – BVerwG 4 C 14.01 – BVerwGE 119, 25 ≪39 f.≫) liegt der Regelungszweck des § 1 Abs. 4 BauGB in der “Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz” zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung. Die Pflicht zur Anpassung zielt nicht auf “punktuelle Kooperation”, sondern auf dauerhafte Übereinstimmung der beiden Planungsebenen. Die Gemeinde ist – unter dem Vorbehalt der materiellrechtlichen und zeitlichen Erforderlichkeit im Einzelfall – zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung nicht nur verpflichtet, wenn sie Bauleitpläne aus eigenem Entschluss und allein aus städtebaulichen Gründen aufstellt oder ändert; sie muss auch dann planerisch aktiv werden, wenn allein geänderte oder neue Ziele der Raumordnung eine Anpassung der Bauleitpläne erfordern (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003, a.a.O.). Widersprechen die Festsetzungen eines Bebauungsplans einem geltenden Ziel der Raumordnung, so ist es erforderlich, diesen Bebauungsplan zu ändern oder aufzuheben. Hat ein Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit eines Bebauungsplans zu entscheiden, ist maßgebend für die Vereinbarkeit des Bebauungsplans mit § 1 Abs. 4 BauGB der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Widerspricht der Bebauungsplan einem in diesem Zeitpunkt geltenden Ziel der Raumordnung, und ist damit der Spielraum, den die Landesplanung bei der Ausgestaltung der in dem Ziel der Raumordnung enthaltenen Vorgaben einräumt, überschritten, ist der Plan gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht – wie die Antragsgegnerin meint (Frage II.2.1) – aus § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Für die Anpassung an die Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB gilt § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB weder unmittelbar noch entsprechend. Das ergibt sich ebenfalls ohne weiteres aus der Rechtsprechung des Senats. Der Standort, den der Gesetzgeber den Zielen der Raumordnung und Landesplanung in der Bauleitplanung zuweist, ist nicht im Abwägungsprogramm zu suchen; er ist diesem vielmehr, wie bereits durch die Stellung des § 1 Abs. 4 BauGB im Gesamtregelungszusammenhang dokumentiert wird, rechtlich vorgelagert (vgl. Beschluss vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 20.91 – BVerwGE 90, 329 ≪332≫; Urteil vom 30. Januar 2003 – BVerwG 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351 ≪356≫).
Die Antragsgegnerin meint außerdem, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Senats vom 18. September 2003 – BVerwG 4 CN 20.02 – (BVerwGE 119, 54) ab. In diesem Urteil hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass Verstöße gegen das Zielanpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB zu den Mängeln gehören, die in einem ergänzenden Verfahren ausgeräumt werden können. Das Oberverwaltungsgericht geht nach Auffassung der Antragsgegnerin davon aus, dass der Widerspruch zum Anpassungsgebot zur “Nichtigkeit” des Bebauungsplans führe. Sinngemäß ergebe sich daraus der Rechtssatz, dass der Verstoß eines Bebauungsplans gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB immer zur dauerhaften Unwirksamkeit führe. Diesen Schluss lässt das angefochtene Urteil schon deshalb nicht zu, weil das Oberverwaltungsgericht – anders als im gegen den Bebauungsplan Nr. 2 gerichteten Normenkontrollverfahren des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (1 KN 108/05 = BVerwG 4 BN 56.05) den Begriff “Nichtigkeit” nicht verwendet, sondern sowohl im Tenor als auch in den Gründen (UA S. 19 f.) die Unwirksamkeit des Bebauungsplans feststellt. Im Übrigen war die Frage, ob die Unvereinbarkeit des Bebauungsplans mit der Zielfestlegung in C 1.6 03 Satz 11 LROP II 2002 in einem ergänzenden Verfahren ausgeräumt werden kann, nicht entscheidungserheblich.
3. Die Beigeladene möchte in dem Revisionsverfahren weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob es mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in Gestalt der kommunalen Planungshoheit vereinbar ist, wenn Regelungen des Landesplanungsrechts es allen Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums ausnahmslos untersagen, bestimmte Handelseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) auf ihrem Gemeindegebiet anzusiedeln.
Die Antragsgegnerin thematisiert mit ihren Fragen III.4.1 bis 4.4 und 4.6 ebenfalls, welche Anforderungen an strikte, ausnahmslose landesplanerische Zielvorgaben zur Wahrung der Selbstverwaltungsgarantie zu stellen sind.
Die Frage, ob es den Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums ausnahmslos untersagt werden darf, Hersteller-Direktverkaufszentren anzusiedeln, würde sich in dem Revisionsverfahren so nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Landesplanungsrecht des Landes Niedersachsen dahin ausgelegt, dass der Plansatz C 1.6 03 Satz 11 LROP 2002 zwar eine strikte Bindung für Hersteller-Direktverkaufszentren vorsieht, das Zielabweichungsverfahren (§ 11 Abs. 1 NROG) aber davon abweichende Lösungsmöglichkeiten eröffnet (vgl. UA S. 44).
Dass es, jedenfalls wenn die Möglichkeit der Zielabweichung besteht, mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar sein kann, Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums durch eine landesplanerische Zielfestlegung zu untersagen, die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren im Wege der Bauleitplanung zu ermöglichen, ist nicht zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwGE 90, 329 ≪335≫; Urteil vom 15. Mai 2003 – BVerwG 4 CN 9.01 – BVerwGE 118, 181 ≪185≫; Beschluss vom 7. Februar 2005 – BVerwG 4 BN 1.05 – NVwZ 2005, 584) steht Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht prinzipiell entgegen. Das Grundgesetz gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze. Die Gemeinde ist landesplanerischen Zielvorgaben jedoch nicht einschränkungslos ausgesetzt. Sie ist, soweit für sie Anpassungspflichten begründet werden, in den überörtlichen Planungsprozess einzubeziehen. Auch materiellrechtlich setzt die kommunale Planungshoheit der Landesplanung Grenzen. Schränkt die Landes- oder Regionalplanung die Planungshoheit einzelner Gemeinden ein, so müssen überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen; der Eingriff in die Planungshoheit muss gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein (vgl. BVerwGE 118, 181 ≪185≫). Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwGE 119, 25 ≪41≫) ein überörtliches Interesse, das eine Beschränkung der Planungshoheit rechtfertigen kann. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt; sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und – in unterschiedlicher Gestalt – mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden. Gehen die städtebaulichen Auswirkungen von Hersteller-Direktverkaufszentren insbesondere wegen der Größe dieser Betriebe, der Zentrenrelevanz ihres Kernsortiments und der Reichweite ihres Einzugsbereichs über die Auswirkungen der üblichen Formen des großflächigen Einzelhandels hinaus, kann es gerechtfertigt sein, sie einer im Vergleich zum sonstigen großflächigen Einzelhandel strengeren Sonderregelung zu unterwerfen und planerisch nur in Oberzentren an städtebaulich integrierten Standorten zuzulassen. Eine solche Zielfestlegung schließt es zwar für das gesamte Gebiet einer Gemeinde, die nicht Oberzentrum ist, aus, die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren planerisch zuzulassen; da die Zielfestlegung lediglich eine eng umgrenzte Nutzungsart ausschließt, verbleibt der Gemeinde jedoch substanzieller Raum für eine anderweitige Bauleitplanung. Im vorliegenden Fall sind der Plangeber und ihm folgend das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Hersteller-Direktverkaufszentren besondere raumstrukturelle, die zentralörtliche Gliederung gefährdende Auswirkungen haben (vgl. UA S. 28 f., 37). An diese tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in dem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Ausgehend hiervon zeigen die Beschwerdeführerinnen nicht auf, dass die dargelegten, in der Senatsrechtsprechung bereits geklärten Anforderungen an Beschränkungen der kommunalen Planungshoheit durch Ziele der Raumordnung in dem Revisionsverfahren in verallgemeinerungsfähiger Weise präzisiert oder fortentwickelt werden könnten.
Das angefochtene Urteil weicht auch nicht – wie die Beigeladene geltend macht – von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2003 – BVerwG 4 CN 9.01 – (BVerwGE 118, 181) ab. In dieser Entscheidung hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass die dem Träger der Regionalplanung durch Landesgesetz auferlegte Verpflichtung, in einem Regionalplan regional bedeutsame Infrastrukturvorhaben gebietsscharf auszuweisen, mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) vereinbar ist, wenn diese Ausweisung durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Es ist nicht – wie die Beigeladene meint – davon ausgegangen, dass ein Eingriff des Plangebers in die kommunale Planungshoheit “schon dann gerechtfertigt ist, wenn er den Eingriff aus politischen Erwägungen für zweckmäßig hält, ohne dass die materielle Erforderlichkeit der Einschränkung der Planungshoheit geprüft werden muss”. Das Oberverwaltungsgericht hatte keinen Zweifel daran, dass die im Plansatz C 1.6 03 Satz 11 – LROP 2002 getroffene Regelung erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit von Innenstädten, Stadtteilzentren und Ortskernen zu schützen. Dass ein entsprechendes Ziel mit Ausnahmevorbehalt in gleicher Weise wie ein striktes Ziel geeignet gewesen wäre, die zentralörtliche Gliederung zu schützen, macht die Beschwerde selbst nicht geltend. Einen Spielraum für politische Zweckmäßigkeitserwägungen hat das Oberverwaltungsgericht dem Verordnungsgeber lediglich bei der landesplanerischen Abwägung eingeräumt.
4. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage,
ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) durch das in § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG formulierte Abwägungsgebot verpflichtet ist, bereits verfestigte Planungen einer Gemeinde und die daraus resultierenden Rechtspositionen eines privaten Vorhabenträgers in seine Abwägung einzubeziehen,
lässt sich, soweit sie sich in dem Verfahren stellen würde, beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin unter III.1.1 bis 1.4, 2.2, 3.1, 3.2 und 4.5 bezeichneten Fragen, die ebenfalls die Folgen einer weitgehend geförderten gemeindlichen Bauleitplanung für die raumplanerische Abwägung thematisieren.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. UA S. 33 f.) ist bei der Aufstellung des Ziels C 1.6 03 Satz 11 des LROP II 2002 das landesrechtlich geregelte Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Antragsgegnerin hat in diesem Verfahren zu der vorgesehenen Zielfestlegung Stellung genommen; die Stellungnahme ist mit ihr erörtert worden. Der Verordnungsgeber hat die vorgetragenen Bedenken – auch die der Antragsgegnerin – gegen die Sonderregelung für Hersteller-Direktverkaufszentren bewertet und abgewogen; dabei war ihm die planungsrechtliche Situation der Antragsgegnerin bekannt (vgl. UA S. 34). Die Beschwerdeführerinnen meinen, der Verordnungsgeber habe nicht nur die generellen Einwendungen gegen die Sonderregelung für Hersteller-Direktverkaufszentren, sondern auch die von der Antragsgegnerin bereits beschlossenen Bauleitpläne zur Ansiedlung des von der Beigeladenen geplanten Designer-Outlet-Centers in der Abwägung berücksichtigen müssen. Insoweit zeigen sie einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf jedoch nicht auf. Nach der Rechtsprechung des Senats kann und muss der Planer bei der Abwägung nicht “alles” berücksichtigen; unbeachtet bleiben können u.a. betroffene Interessen, die – sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang – nicht schutzwürdig sind, z.B. weil sich deren Träger vernünftigerweise darauf einstellen müssen, dass “so etwas geschieht” (vgl. Beschluss vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87 ≪102 f.≫, Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215 ≪219≫; Beschluss vom 20. September 2005 – BVerwG 4 BN 46.05 – juris). Hiervon ist der Sache nach auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen – falls seine Ausführungen nicht ohnehin so zu verstehen sind, dass es annimmt, der Verordnungsgeber habe die ihm bekannte “besondere planungsrechtliche Situation” (UA S. 34) bei der Antragsgegnerin durchaus gesehen und gewürdigt und lediglich nicht ausdrücklich in seine Begründung einbezogen. Es hat bezogen auf die Planungen der Antragsgegnerin für Vertrauensschutz keinen Raum gesehen (vgl. UA S. 44 f.), weil die Antragsgegnerin von den Änderungen des LROP 2002 nicht unvorbereitet getroffen worden sei. Die Fortschreibung und Präzisierung der entsprechenden Planaussage des LROP 1994, deren Zielqualität bei Aufstellung der Bauleitpläne streitig gewesen sei (vgl. UA S. 15), durch Satz 11 des LROP 2002 sei das Ergebnis einer langjährigen und durch politische Beschlüsse vorbereiteten verordnungsrechtlichen Entscheidung (vgl. UA S. 45). An diese tatsächlichen Feststellungen und deren tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in dem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Warum es bei einer solchen Ausgangslage abwägungsfehlerhaft sein sollte, in der Zielfestlegung von einer Ausnahme für während der Zielaufstellung weitgehend geförderte Planungen einer Gemeinde abzusehen, legen die Beschwerdeführerinnen nicht dar. Sie zeigen auch nicht auf, warum die Beigeladene auf den Bestand der Planungen der Antragsgegnerin hätte vertrauen dürfen. Der Beigeladenen waren die maßgebend durch ihr Vorhaben veranlassten (vgl. UA S. 15) Pläne zur Änderung des LROP 1994 ebenfalls bekannt.
Die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Abweichung von den Senatsbeschlüssen vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 20.91 (a.a.O.) und vom 7. März 2002 – BVerwG 4 BN 60.01 – (Buchholz 406.13 § 5 ROG Nr. 3) liegt nicht vor. Der Senat hat in diesen Beschlüssen den Rechtssatz aufgestellt, dass von der Gemeinde im Anhörungsverfahren vorgebrachte Einwendungen zur Kenntnis zu nehmen und, sofern ihnen nicht Rechnung getragen wird, als “Rechnungsposten” in die Überlegungen der Landesplanungsbehörde einzustellen und bei der Entscheidung zu erwägen sind (vgl. BVerwGE 90, 329 ≪335≫). Die Gemeinde muss im Verfahren zur Aufstellung von Zielen der Raumordnung zu einem Zeitpunkt und in einer Form eingeschaltet werden, die gewährleisten, dass ihre Bedenken und Anregungen in den Entscheidungsprozess einfließen können (vgl. Beschluss vom 7. März 2002 a.a.O.). Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Es ist davon ausgegangen, dass der Verordnungsgeber die Einwendungen der Antragsgegnerin auch bezüglich der Planungen für das Vorhaben der Beigeladenen zur Kenntnis genommen und erwogen hat, diesen Planungen jedoch nicht Rechnung tragen musste, weil die Beteiligten auf deren Bestand nicht vertrauen durften.
5. Die von der Beigeladenen ausdrücklich und der Antragsgegnerin sinngemäß (Frage III.2.1) aufgeworfene Frage,
ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) im Rahmen der Abwägung die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausprägung derartiger Einrichtungen als “private Belange” nach § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG berücksichtigen muss,
wäre in dem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausrichtung von Hersteller-Direktverkaufszentren im Rahmen der Abwägung berücksichtigt. Er ist davon ausgegangen, dass die Ansiedlungsersuchen sich vorrangig auf Standorte auf der “grünen Wiese” in der Nähe von Autobahnanschlüssen oder -raststätten, in der Nähe touristischer Zentren sowie in Zwischenlagen von großen Verdichtungsräumen richten. Dorthin sollten Käuferschichten aus einem Einzugsbereich von bis zu 200 km oder bis zu zwei Autostunden angezogen werden. Zur Attraktivitätssteigerung würden die Zentren durch Gastgewerbe, Freizeiteinrichtungen und traditionellen Einzelhandel abgerundet (vgl. UA S. 28 f.). Der Verordnungsgeber hat mithin nicht verkannt, dass die Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren typischerweise versuchen, ihr Vorhaben außerhalb von Oberzentren zu verwirklichen. Er hat jedoch – vom Oberverwaltungsgericht unbeanstandet – dem öffentlichen Interesse am Schutz der zentralörtlichen Gliederung gegenüber dem privaten Interesse der Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren, derartige Einzelhandelsbetriebe an für diese spezielle Verkaufsform besonders geeigneten Standorten zu errichten, den Vorrang gegeben. Inwiefern diese Abwägung in rechtsgrundsätzlicher Weise fehlerhaft sein sollte, zeigen die Beschwerden nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Halama, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen