Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 23.04.2018; Aktenzeichen 12 LB 1/16) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 01.12.2015; Aktenzeichen 19 A 24/15) |
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde des Antragstellers, die sich gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht richtet, hat keinen Erfolg. Sie ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie zwar statthaft (1.), aber nicht rechtzeitig erhoben worden ist (2.).
Rz. 2
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft. Gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG kann die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht selbstständig durch Beschwerde angefochten werden. Wie sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Tenors und der Entscheidungsgründe ergibt, hat das Oberverwaltungsgericht die Rechtsbeschwerde in dem angegriffenen Beschluss nicht zugelassen. Die anderslautende Rechtsmittelbelehrung ist offensichtlich irrtümlich erteilt worden (vgl. den Beschluss des Senats vom heutigen Tag in der Sache 5 P 7.18, mit dem über die Rechtsbeschwerde des Antragstellers entschieden worden ist).
Rz. 3
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht rechtzeitig erhoben worden.
Rz. 4
a) Die Nichtzulassungsbeschwerde war gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG innerhalb der Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses einzulegen.
Rz. 5
Entgegen der Auffassung der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 3 ff.) gilt trotz der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, die das Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss erteilt hat, für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG. Die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG stellt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Rechtsmittel, sondern einen Rechtsbehelf dar, für den § 9 Abs. 5 ArbGG nicht gilt (vgl. BAG, Beschlüsse vom 1. April 1980 - 4 AZN 77/80 - BAGE 33, 79 ≪80 ff.≫, vom 9. Juli 2003 - 5 AZN 316/03 - AP Nr. 49 zu § 72a ArbGG 1979, vom 8. Juli 2008 - 3 AZB 31/08 - NZA-RR 2008, 540 und vom 22. Juli 2008 - 3 AZN 584/08 ≪F≫ - BAGE 127, 180 Rn. 17).
Rz. 6
Der Senat ist mit dem Bundesarbeitsgericht der Auffassung, dass sich ein Rechtsmittel im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG wegen des mit ihm verknüpften Devolutiveffekts dadurch auszeichnet, dass es die Überleitung der Streitsache, also des Streitgegenstandes, einschließlich der mit ihr im Zusammenhang stehenden Nebenentscheidungen im Umfang der Anfechtung in die höhere Instanz bewirkt und insoweit zu einer Überprüfung der Sachentscheidung führt. Dies ist bei der Nichtzulassungsbeschwerde im Sinne des § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG nicht der Fall, weil es bei ihr allein um die Frage geht, ob das Rechtsmittel in dem beschriebenen Sinn überhaupt zugelassen werden kann (vgl. BAG, Beschlüsse vom 1. April 1980 - 4 AZN 77/80 - BAGE 33, 79 ≪80 ff.≫, vom 9. Juli 2003 - 5 AZN 316/03 - AP Nr. 49 zu § 72a ArbGG 1979 m.w.N., vom 8. Juli 2008 - 3 AZB 31/08 - NZA-RR 2008, 540 und vom 22. Juli 2008 - 3 AZN 584/08 ≪F≫ - BAGE 127, 180 Rn. 17 m.w.N.; zustimmend Mikosch, in: GK-ArbGG, Stand Dezember 2018, § 72a Rn. 3 m.w.N. und Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 72a Rn. 7, jeweils m.w.N.). Der Senat folgt im Einklang mit dem Bundesarbeitsgericht nicht der daran im Schrifttum geäußerten Kritik, die insbesondere darauf abstellt, dass - wie ein Blick auf andere prozessuale Zusammenhänge zeige - ein Rechtsmittel auch auf die Überprüfung einer Nebenentscheidung beschränkt sein könne und es nicht ungewöhnlich sei, dass ein Rechtsmittel nicht zur vollen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung führe (vgl. Frohner, BB 1980, 1164 ≪1165≫, Prütting, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 9 Rn. 26 und Weth, in: Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 16 und Bader, in: GK-ArbGG, Stand Dezember 2018, § 9 Rn. 88, jeweils m.w.N.). Dies steht der auf § 9 Abs. 5 Satz 4 und § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG bezogenen Erwägung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen. Soweit der Antragsteller einwendet, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei schon deshalb fehlerhaft, weil auch die Rechtsmittel der Berufung und der Revision im Fall der Teilanfechtung der vorinstanzlichen Entscheidung nicht zur Überleitung der vollständigen Streitsache in die höhere Instanz führten, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil es für die Annahme eines Rechtsmittels ausreicht, dass der Streitgegenstand in dem angefochtenen Umfang vom Devolutiveffekt erfasst wird. Hier ist nicht zu entscheiden, wie die Fallgestaltung zu beurteilen wäre, wenn mit Blick auf § 9 Abs. 5 Satz 2 ArbGG der Hinweis gegeben wird, ein Rechtsmittel sei nicht gegeben, aber nicht auf eine statthafte Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen wird (vgl. BAG, Beschluss vom 1. April 1980 - 4 AZN 77/80 - BAGE 33, 79).
Rz. 7
Die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG greift entgegen der Auffassung der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 4 f.) auch nicht deshalb ein, weil das Oberverwaltungsgericht über die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde und damit irrtümlich über ein eigentlich nicht statthaftes Rechtsmittel belehrt hat. Voraussetzung für den Lauf der Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG ist die fehlerhafte Belehrung über ein an sich statthaftes Rechtsmittel, nicht über einen an sich statthaften Rechtsbehelf.
Rz. 8
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG eingelegt worden. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wurde den Prozessvertretern des Antragstellers ausweislich des in der Gerichtsakte (Beiakte I Bl. 275) befindlichen Empfangsbekenntnisses am 10. August 2018 zugestellt. Die Frist endete damit am 10. September 2018, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde aber erst am 8. Oktober 2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Rz. 9
3. Dem Beschwerdeführer ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92 Abs. 2 i.V.m. § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 233 ZPO zu gewähren. Der diesbezügliche Antrag ist zulässig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 ZPO), aber unbegründet.
Rz. 10
Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist nach § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die Nichtzulassungsbeschwerde fristgemäß einzulegen. Gemäß § 233 Satz 2 ZPO wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
Rz. 11
aa) Die Vermutung eines Fehlens des Verschuldens gemäß § 233 Satz 2 ZPO greift hier trotz der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung nicht zugunsten des Beschwerdeführers ein.
Rz. 12
Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in Fällen, in denen die Fristversäumung auf Fehlern des Gerichts - wie einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung - zumindest mitberuht, mit besonderer Fairness zu handhaben sind (vgl. BAG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 - NJW 2005, 3515 ≪3516 f.≫). Gleichwohl rechtfertigt eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nicht stets die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung. Erweist sich die Rechtsmittelbelehrung als offenkundig falsch und ist sie deshalb nicht geeignet, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken, ist die Fristversäumung trotzdem als schuldhaft anzusehen (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 - NJW 2005, 3515 ≪3516 f.≫; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 6 P 18.10 - Buchholz 251.95 § 61 MBGSH Nr. 2 Rn. 18 f.). Dies gilt auch nach Inkrafttreten des § 233 Satz 2 ZPO am 1. Januar 2014. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschuldet, wenn diese offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 534/17 - MDR 2018, 420 Rn. 7). Gemessen daran war die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nicht unverschuldet.
Rz. 13
Die Rechtsmittelbelehrung in dem angegriffenen Urteil war offenkundig falsch und daher nicht einmal ansatzweise geeignet, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken. Der Irrtum des Prozessvertreters des Antragstellers war weder unvermeidbar noch nachvollziehbar und daher verständlich (vgl. BAG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 - NJW 2005, 3515 ≪3516 f.≫; BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 6 P 18.10 - Buchholz 251.95 § 61 MBGSH Nr. 2 Rn. 18 f.; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 534/17 - MDR 2018, 420 Rn. 7). Das Oberverwaltungsgericht hat im Tenor ausdrücklich die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und außerdem im letzten Satz der Gründe ausgeführt, dass Gründe, die Rechtsbeschwerde gemäß § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, nicht vorlägen. Daran schließt sich die Rechtsmittelbelehrung unmittelbar an, so dass der Widerspruch zu der eindeutigen Entscheidung des Gerichts über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu übersehen ist. Dies hätte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers bei Anfertigung der Rechtsbeschwerdeschrift am 7. September 2018 erkennen müssen.
Rz. 14
bb) Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargelegt, dass er aus anderen Gründen ohne sein Verschulden oder ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde gehindert gewesen wäre.
Rz. 15
(1) Das gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Fristversäumnis sei nicht vorwerfbar, weil es auf die Kumulation mehrerer Sonderfälle zurückzuführen sei, nämlich den Umstand, dass für Personalvertretungssachen das Arbeitsgerichtsgesetz und nicht die Verwaltungsgerichtsordnung gelte, die Rechtsmittelbelehrung des Oberverwaltungsgerichts fehlerhaft gewesen sei und es hier um eine Nichtzulassungsbeschwerde gehe, die nach der rechtsfehlerhaften Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Rechtsmittel sein solle (Wiedereinsetzungsantrag S. 3 f., 5).
Rz. 16
Das Fristversäumnis ist verschuldet, wenn der Beteiligte oder sein Prozessvertreter die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Wenn ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner Aufgaben, der er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er insbesondere den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde anhand des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung eigenverantwortlich prüft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2012 - 5 B 37.12 - juris Rn. 5 m.w.N.) und im Rahmen der Ausgangskontrolle insbesondere durch Organisation einer zuverlässigen Fristenkontrolle und Führung eines Fristenkalenders dafür sorgt, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht (vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 614/15 - NJW 2016, 2522 Rn. 20 m.w.N.). Danach war es Sache des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers, seinen Fristenkalender so einzurichten, dass in Personalvertretungssachen den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und dem Umstand Rechnung getragen wird, dass anders als nach der VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung nicht die Jahresfrist gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG auslöst. Dass er diese Rechtsprechung für falsch hält, entbindet ihn nicht davon, sie im Rahmen der ihm im Hinblick auf die Einhaltung der Fristen obliegenden Sorgfaltspflicht gleichwohl in Rechnung zu stellen.
Rz. 17
(2) An einem dem Beschwerdeführer zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten fehlt es auch nicht im Hinblick auf dessen Vortrag, er habe seiner stets zuverlässig arbeitenden hervorragenden Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten am 6. September 2018 die Weisung erteilt hat, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten. Diese sei angewiesen, in Verwaltungsrechtssachen die Fristen für Rechtsmittel-/Rechtsbehelfsangelegenheiten jeweils so zu notieren, wie diese in der Rechtsmittel-/Rechtsbehelfsbelehrung ausgewiesen seien. Diese Anweisung gehe zurück auf die verwaltungsgerichtlichen Vorschriften, nach denen im Falle einer falschen Rechtsmittel-/Rechtsbehelfsbelehrung gegebenenfalls mindestens die Jahresfrist gelte und deshalb der Belehrung gefolgt werden könne, da ein Fristversäumnis (erg.: auch im Falle einer fehlerhaften Belehrung) grundsätzlich nicht zu befürchten sei. Die Mitarbeiterin habe die Weisung dahin missverstanden, dass das in der Rechtsmittelbelehrung ausgewiesene Rechtsmittel eingelegt werden sollte. Da nicht absehbar gewesen sei, ob er selbst wegen eines Gerichtstermins am 7. September 2018, dem Tag des Fristablaufs, noch rechtzeitig vor Büroschluss in die Praxis zurückkehren würde, habe seine Mitarbeiterin die vorbereitete Rechtsbeschwerde seinem Vertreter, dem Rechtsanwalt Dr. V. unter Hinweis auf seine Weisung zur Unterschrift vorgelegt. Dieser habe die Entscheidungsabschrift kurz auf die ausgewiesene Rechtsmittelbelehrung hin überprüft und die Rechtsbeschwerde unterschrieben, die dann beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht worden sei (Anlage 1 zum Wiedereinsetzungsantrag S. 1, Wiedereinsetzungsantrag S. 6).
Rz. 18
Das Fristversäumnis beruht hier nicht darauf, dass das Fristende als solches verkannt wurde - sowohl die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde als auch die eingelegte Rechtsbeschwerde sind innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses einzulegen (§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 2 Satz 1 bzw. § 92 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG) -, sondern darauf, dass innerhalb der Frist nur ein nicht statthaftes Rechtsmittel eingelegt wurde.
Rz. 19
Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zwar zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - NJW 2012, 1591 Rn. 30 m.w.N.). Insbesondere darf auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich die Entscheidung darüber überlassen werden, ob und gegebenenfalls welcher Rechtsbehelf eingelegt werden soll. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf Richtigkeit und Vollständigkeit und insbesondere auch daraufhin überprüfen, ob der richtige Rechtsbehelf gewählt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - NJW 2012, 1591 Rn. 30 m.w.N.). Auch bei einem so wichtigen Vorgang darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss. Dann müssen jedoch ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - NJW 2012, 1591 Rn. 31 m.w.N.). Dies hat der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt.
Rz. 20
Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers durfte hier auf eine persönliche Überprüfung der Ausführung seiner Weisung durch seine Fachangestellte nicht verzichten. Er hatte keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass seine Mitarbeiterin seine Anweisung richtig umsetzt. Seiner anwaltlichen Erklärung zufolge hat die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte die Weisung, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, deshalb "bei der Fristenbesprechung dahin verstanden, dass das in der Rechtsmittelbelehrung ausgewiesene Rechtsmittel (erg.: also die Rechtsbeschwerde) eingelegt werden solle", weil die Notierung der Fristen von den Rechtsmittelbelehrungen ausgeht, denen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gefolgt werden könne, weil "im Falle einer falschen Rechtsmittel-/behelfsbelehrung gegebenenfalls mindestens die Jahresfrist gilt" (Anlage 1 des Wiedereinsetzungsantrags S. 1). Diese Verfahrensweise genügt jedenfalls bei Nichtzulassungsbeschwerden in Personalvertretungssachen, in denen das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren Anwendung findet, nicht den Anforderungen an eine verantwortliche Büroorganisation, weil nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG für Rechtsbehelfe nicht gilt (BAG, Beschluss vom 1. April 1980 - 4 AZN 77/80 - BAGE 33, 79). Der Prozessbevollmächtigte hätte deshalb, um sicherzustellen, dass seine Weisung auch richtig verstanden und befolgt wird, seine Mitarbeiterin auf diesen Umstand hinweisen und ihr erklären müssen, dass sie sich nicht - wie in den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in der Kanzlei üblich - ausschließlich auf die Rechtsmittelbelehrung verlassen kann. Das hat er jedoch nicht dargetan, sondern sich im Gegenteil dahin eingelassen, dass ihm die zitierte Rechtsprechung im Zeitpunkt der Weisung nicht bekannt gewesen sei, er vielmehr von den Üblichkeiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, also davon ausgegangen sei, das eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung die Monatsfrist außer Kraft und die Jahresfrist in Lauf setzen würde (Anlage 1 des Wiedereinsetzungsantrags S. 1 f.).
Rz. 21
Weder der Prozessbevollmächtigte noch sein Vertreter innerhalb der Sozietät haben die Anfertigung der Rechtsmittelschrift hinreichend sorgfältig überprüft. Der Prozessbevollmächtigte selbst war nach den Erklärungen aller Beteiligten an der Anfertigung nicht beteiligt, weil seine rechtzeitige Rückkehr ins Büro am Tag des Fristablaufs nicht gewährleistet war. Sein Vertreter, dem die Fachangestellte die Rechtsmittelschrift deshalb vorlegte, verließ sich auf die Angabe der Fachangestellten, die Rechtsmittelschrift entspreche der Weisung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers (Wiedereinsetzungsantrag S. 6, Anlage 2 sowie Anlage 3 S. 1 zum Wiedereinsetzungsantrag), und überprüfte diese allenfalls daraufhin, ob sie mit der Rechtsmittelbelehrung in dem angegriffenen Beschluss übereinstimmt (Wiedereinsetzungsantrag S. 6 sowie Anlage 2 zum Wiedereinsetzungsantrag). In Anbetracht des Umstandes, dass eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung in Verfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz nicht immer dazu führt, dass zumindest die Jahresfrist gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG in Lauf gesetzt wird, genügte er damit den Sorgfaltsanforderungen nicht.
Rz. 22
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 13129768 |
öAT 2019, 154 |