Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 26.10.1995; Aktenzeichen 3 L 153/94) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet.
Als Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte hat der Beklagte lediglich die Entscheidung des Senats vom 19. März 1992 – BVerwG 5 C 20.87 – (Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 10) bezeichnet, nicht aber dargelegt, inwiefern das Berufungsurteil von dieser Entscheidung abweichen sollte.
Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Denn der Senat hat bereits entschieden, daß nach § 85 Nr. 3 Satz 1 BSHG die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen unter der Einkommensgrenze nur verlangt werden kann, soweit der (nach §§ 28, 43 BSHG) Einsatzpflichtige Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart. Der Klärung einer weiteren Rechtsfrage bedarf es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht; denn das Berufungsgericht hat bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), daß der Kläger durch das Mittagessen in der Werkstatt für Behinderte keine Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt eingespart hat. Auch der Beklagte bestreitet nicht, daß der Kläger von seinen Eltern zu Hause kostenlose Mahlzeiten erhalten hätte, wenn und soweit er nicht in der Einrichtung beköstigt worden wäre.
Zu Unrecht meint der Beklagte, es sei grundsätzlich zu klären, “ob und inwieweit bei vorhandener eigener Leistungsfähigkeit der überörtliche Träger der Sozialhilfe vom Sozialleistungsberechtigten den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens für ersparte häusliche Aufwendungen im Rahmen der §§ 28, 43 Abs. 1, § 85 Nr. 3 BSHG beim Besuch einer WfB verlangen und das das BSHG prägende Nachrangprinzip durchsetzen kann, wenn er von seinen Eltern kostenlose Verpflegung erhält, obwohl diese ihm gegenüber aufgrund der Höhe seiner Einkünfte nicht mehr unterhaltsverpflichtet sind.” Der Beklagte hält es für nicht entscheidend, daß “der Kläger faktisch von seinen Eltern freie Kost erhält”. “Bei wirtschaftlich leistungsfähigen Hilfeempfängern, die weiterhin im Familienverbund leben,” müsse man “in erster Linie darauf abstellen, ob man von ihnen die Leistung eines Haushaltsbeitrages erwarten kann und muß.” In diesem Umfang bestehe eine wirtschaftliche bzw. häusliche Ersparnis, die der Sozialhilfeträger nach §§ 28, 43 Abs. 2, § 85 Nr. 3 BSHG berücksichtigen dürfe. Ein solches Verständnis von der für § 85 Nr. 3 BSHG maßgeblichen Ersparnis bedarf keiner Überprüfung in einem Revisionsverfahren. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, daß es für § 85 Nr. 3 BSHG nicht genügt, daß bei der gewährten Hilfe Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt normalerweise oder in einer Vielzahl von Fällen erspart werden; vielmehr müssen die Ersparnisse tatsächlich und nicht nur fiktiv (BVerwGE 40, 308 ≪310≫) und konkret bei demjenigen entstanden sein, der als (nach den §§ 28, 43 BSHG) einsatzpflichtig in Anspruch genommen wird (BVerwGE 40, 308 ≪310≫; BVerwG, Urteil vom 19. März 1992 – BVerwG 5 C 20.87 – ≪a.a.O.≫). Diese auf die tatsächliche Ersparnis abstellende Auslegung des § 85 Nr. 3 BSHG führt entgegen der Ansicht des Beklagten weder zu einem absurden Ergebnis noch zu einer nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung. Denn der Grund dafür, daß der Kläger nicht wie andere Behinderte für sein Mittagessen Eigenmittel aufwenden muß, besteht nicht darin, daß er es in der Werkstatt für Behinderte erhält, sondern darin, daß er von seinen Eltern zu Hause kostenlose Mahlzeiten erhält. Freiwillige private Zuwendungen unterliegen dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Davon, daß der Kläger – wie der Beklagte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unterstellt hat und wofür nach Lage der Dinge im Einzelfall möglicherweise auch die allgemeine Lebenserfahrung sprechen kann – aus seiner Rente ein Kostgeld entrichtet, ist das Berufungsgericht in seinen das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) gerade nicht ausgegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen