Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 29 A 355.01) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 409 033,50 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Beigeladene beantragte die Rückübertragung eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks mit der Begründung, sie habe dieses durch eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG verloren. Nachdem das Vermögensamt ihren Antrag abgelehnt hatte, ordnete das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung in einem Widerspruchsbescheid an. Der dagegen gerichteten Klage der Verfügungsberechtigten hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das Grundstück sei nicht von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG betroffen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet. Das Urteil weicht nicht von den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 1.). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 2.).
1. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Daran fehlt es hier.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht ab von dem Urteil des Senats vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 47.94 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 78, S. 225 ≪230 f.≫). Wurden bei der Vermietung eines Wohngebäudes laufend Erträge erzielt, aber jahrzehntelang keinerlei Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen, beruht – nach dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – eine festgestellte Überschuldung nur dann auf nicht kostendeckenden Mieten, wenn im Zeitpunkt des Eigentumsverlustes der Zeitwert des Grundstücks zuzüglich eines angemessen vervielfachten Jahresreinertrages nicht ausreicht, um die Kosten der anstehenden unabweisbaren Instandsetzungsmaßnahmen zu decken. Der Senat hat diesen Zeitraum in dem damals entschiedenen Fall mit 20 Jahren bemessen, weil nach Ablauf dieses Zeitraums regelmäßig mit größeren Instandsetzungsmaßnahmen zu rechnen ist. Der Zeitraum von 20 Jahren ergab sich also nicht aus Besonderheiten des Einzelfalls, sondern aus einer allgemeinen Erfahrungstatsache. Dies schließt allerdings nicht aus, wegen Besonderheiten des Einzelfalls einen anderen Zeitraum zugrunde zu legen. Von diesem Urteil geht auch das Verwaltungsgericht aus. Selbst wenn es – wie die Beschwerde meint – hätte prüfen müssen, ob hier aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls ein anderer Zeitraum als 20 Jahre zugrunde zu legen ist, läge darin keine Abweichung, sondern allenfalls ein Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht ab von der Entscheidung des Senats vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – (BVerwGE 108, 281 = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1). Entgegen dem Vortrag der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, bei Prüfung der Frage, ob Mieten kostendeckend gewesen seien, könne nur Kapitaldienst für Aufbauhypotheken, nicht aber für andere dinglich gesicherte Verbindlichkeiten ertragsmindernd berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht hat bei den Ausgaben den Kapitaldienst für zwei Aufbauhypotheken berücksichtigt. Zu einem darüber hinausgehenden Kapitaldienst äußert sich das Urteil nicht. Selbst wenn es einen nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu berücksichtigenden Kapitaldienst übersehen haben sollte, läge darin nur ein Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall. Im Übrigen könnte das Urteil nicht auf einem solchen Fehler beruhen. Nach dem Vortrag der Beschwerde hätte ein weiterer Kapitaldienst i.H.v. jährlich 4 000 Mark ertragsmindernd berücksichtigt werden müssen. Da das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der jährliche Überschuss ca. 6 900 Mark betragen hat, läge auch nach Abzug dieser Summe immer noch ein Überschuss vor.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht schließlich nicht ab von dem Urteil des Senats vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – (BVerwGE 98, 87 ≪93 f.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39, S. 86 ≪S. 91 f.≫). Nach diesem Urteil sind bei Prüfung der Überschuldung dem Grundstückswert unter anderem als Verbindlichkeiten gegenüberzustellen Darlehen, die für den Erwerb der Immobilie gewährt und zweckentsprechend verwendet wurden. Berücksichtigungsfähig sind – wie die Beschwerde zutreffend ausführt – also objektbezogene Verbindlichkeiten. Davon ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. Zu Recht hat es die zu zahlende Erbschaftssteuer nicht als eine derartige objektbezogene Verbindlichkeit angesehen, denn die Erbschaftssteuer wird dem Erben als Person auferlegt. Sie ist weder ganz noch teilweise eine für den Erwerb einer zum Nachlass gehörenden Immobilie eingegangene Verbindlichkeit. Insoweit hat die Sache auch nicht die von der Beschwerde hilfsweise geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
2. Die Sache hat auch sonst keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob bei Ausschlagung einer Erbschaft, die aus mehreren bebauten Grundstücken besteht, die Prüfung der Überschuldung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG objektbezogen hinsichtlich des einzelnen Grundstücks oder im Wege der Saldierung aller in den Nachlass fallender bebauter Grundstücke vorzunehmen ist.
Diese Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden:
Nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend dargestellten und zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Prüfung, ob eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 2 VermG vorliegt, grundsätzlich für jedes einzelne Grundstück zu erfolgen. Ausnahmsweise etwas anderes gilt nur, wenn ein unbebautes Grundstück mit einem überschuldeten bebauten Grundstück eine Funktionseinheit bildet. Auch kann eine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG vorliegen, wenn Behörden die Genehmigung des Verzichts auf das Eigentum an einem überschuldeten Grundstück vom Verzicht auf weitere Grundstücke abhängig gemacht haben.
Hat dagegen ein Erbe die Erbschaft ausgeschlagen, weil hierzu ein infolge nicht kostendeckender Mieten überschuldetes Hausgrundstück gehörte und dies im Saldo zu einer Überschuldung des gesamten Nachlasses führte, kann er zwar grundsätzlich die Rückübertragung des überschuldeten Hausgrundstücks beanspruchen, nicht aber die Rückübertragung weiterer Grundstücke oder sonstiger Vermögenswerte, die er durch die Erbausschlagung verloren hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist § 1 Abs. 2 VermG nicht dahingehend erweiternd auszulegen, dass jede ökonomische Zwangssituation wiedergutzumachen ist. Auch musste der Erbe in solchen Fällen nicht die Erbschaft ausschlagen. Er hätte auch allein auf das Eigentum an dem überschuldeten Grundstück verzichten können. Erst wenn dann die Behörden entgegen der damaligen Rechtslage die Genehmigung dieses Verzichts von dem Verzicht auf ein anderes Grundstück abhängig gemacht hätten, könnte eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen