Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 15.06.2004; Aktenzeichen 7 K 1864/00) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 262 573,94 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Rückübertragung eines Grundstücks, das ursprünglich mit zwei Mietswohnhäusern und einem so genannten Hausmeisterhaus bebaut war. Im 2. Weltkrieg wurden die beiden Mietswohnhäuser bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Das Grundstück gelangte aufgrund von 1959 ausgesprochenen Erbausschlagungen in Volkseigentum. Der Kläger meint, es liege insbesondere eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG vor. Die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob sie dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt. Jedenfalls weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht von der in der Beschwerde angesprochenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 1.). Ebenso wenig liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).
Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen solchen abstrakten Rechtssatzwiderspruch benennt (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Ob die Beschwerde dem genügt, kann dahinstehen. Jedenfalls weicht die erstinstanzliche Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG dreierlei voraus: Erstens müssen für das bebaute Grundstück in der Zeit vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterdeckung muss zweitens zu einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung geführt haben. Drittens muss die Überschuldung wesentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen sein (vgl. u.a. Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7, S. 17).
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht füge diesen drei Voraussetzungen eine vierte hinzu. Es fordere, dass ein Grundstückseigentümer eigene Mittel, die nicht aus den Mieteinnahmen gekommen seien, in das bebaute Grundstück investiert habe. Dies trifft nicht zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht eine Vermutung dafür, dass eine festgestellte Überschuldungslage auf nicht kostendeckenden Mieten beruht. Diese Vermutung kann allerdings dann erschüttert sein, wenn das Grundstück bereits vor Gründung der DDR überschuldet war oder wenn der Eigentumsverlust so frühzeitig erfolgt ist, dass die Mietenpolitik der DDR darauf keinen erheblichen Einfluss mehr nehmen konnte (vgl. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪283≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 3). Derartige Zweifel an der Kausalität nicht kostendeckender Mieten für die (unmittelbar bevorstehende) Überschuldung sind aber dann nicht berechtigt, wenn das Grundstück trotz dieser Umstände noch lange Zeit im gebrauchsfähigen Zustand erhalten werden konnte, was nur dadurch geschehen konnte, dass der Eigentümer erhebliche private – nicht aus Mieteinnahmen herrührende – Mittel investierte (vgl. Urteil vom 26. Juni 2002 – BVerwG 8 C 27.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 24 S. 97 ≪98≫). In diesem Zusammenhang ist also bedeutsam, ob der Eigentümer private Mittel in das Wohngrundstück investiert hat.
Von dieser Rechtsprechung geht auch das Verwaltungsgericht aus. Es fügt den drei oben genannten Voraussetzungen des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 2 VermG – entgegen dem Vortrag der Beschwerde – keine vierte hinzu. Ob es die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im vollen Umfang zutreffend auf den vorliegenden Einzelfall angewandt hat, ist für die Beantwortung der Frage, ob eine Divergenz vorliegt, ohne Bedeutung.
Ob eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) wird, kann ebenfalls dahinstehen; denn jedenfalls liegt der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor.
Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen zur Höhe der noch offenen Darlehen getroffen, übersieht sie, dass nach der maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts es dahinstehen konnte, ob das Grundstück 1958 überschuldet war. Schon deshalb bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen. Im Übrigen führt das Verwaltungsgericht aus, ob die eingetragenen Grundpfandrechte noch in einer insgesamt den Einheitswert übersteigenden Höhe valutierten, sei nicht mehr festzustellen.
Bei Prüfung der Kausalität der Niedrigmietenpolitik für die Kostenunterdeckung ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, Altbelastungen hätten mindestens teilweise noch bestanden. Insoweit führt die Beschwerde weder aus, ob sie meint, auch diese Feststellung sei in verfahrensfehlerhafter Weise getroffen worden, noch legt sie dar, wieso sich dem Verwaltungsgericht insoweit weitere Ermittlungen aufdrängen mussten, obwohl sie von dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger – ausweislich der Sitzungsniederschrift (VG-Aktenblatt 221 f.) – nicht beantragt worden sind.
Entgegen den Behauptungen der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, wieviel Miete vor den Erbausschlagungen gezahlt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen