Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 29.07.1999; Aktenzeichen 5 S 1916/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 66 600 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger erstrebt die Erteilung eines Bauvorbescheids über die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von zwei Wohngebäuden. Das Landratsamt des beklagten Landes hat den Antrag abgelehnt. Das Vorhaben liege im Außenbereich und beeinträchtige Belange der Landschaftspflege und die natürliche Eigenart der Landschaft und deren Aufgabe als Erholungsgebiet. Die auf Erteilung des Bauvorbescheids gerichtete Verpflichtungsklage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der Beschwerde erstrebt der Kläger die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sie in allen Punkten den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Jedenfalls ist sie unbegründet.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimißt.
a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, was unter einem Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zu verstehen ist. Abzustellen ist auf die tatsächlich vorhandene Bebauung. Den Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung bilden ausschließlich die äußerlich erkennbaren, mit dem Auge wahrnehmbaren Gegebenheiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – BVerwG 4 C 40.87 – und Beschluß vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 B 238.96 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 138 und 186). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung versteht sich von selbst, daß ein Bereich, der nach seinem tatsächlichen Erscheinungsbild unbebaut ist, nicht allein deshalb, weil er im Flächennutzungs- oder in einem Landschaftsplan als Baugebiet dargestellt ist, die Merkmale eines Bebauungszusammenhangs aufweist.
b) Grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht mit der Bemerkung auf, das Berufungsgericht habe bei der Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich versäumt, die gesamten örtlichen Gegebenheiten zu würdigen. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß sich nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen läßt, wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verläuft. Insoweit bedarf es vielmehr einer Beurteilung aufgrund einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 – BVerwG 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236; Beschluß vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 11.97 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 328). Die Prüfung, ob das Berufungsgericht diesen Erfordernissen gerecht geworden ist, ließe keine Erkenntnisse erwarten, die über den anhängigen Rechtsstreit hinausweisen, da sie voraussetzungsgemäß einzelfallbezogen vorzunehmen wäre.
c) Der Senat hätte in dem erstrebten Revisionsverfahren keinen Anlaß, zum Begriff des Ortsteils umfassender Stellung zu nehmen, als er dies im Urteil vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 4 C 7.98 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 193) bereits getan hat. Für die rechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob die Bebauung, durch die der vom Berufungsgericht als Außenbereich qualifizierte Geländestreifen eingerahmt wird, die Merkmale eines Ortsteils oder einer Splittersiedlung aufweist. Auch im Rahmen eines Ortsteils kann der Bebauungszusammenhang unterbrochen sein, wenn die aufeinanderfolgende Bebauung nicht mehr den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20, und vom 19. September 1986 – BVerwG 4 C 15.84 – BVerwGE 75, 34).
d) Ebensowenig vermag die Frage, ob ein befestigter Parkplatz oder ein Tennisplatz geeignet ist, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen. Denn auch sie ist auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht mehr klärungsbedürftig. Unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fallen nur Bauwerke, die genügendes Gewicht besitzen, um der näheren Umgebung ein bestimmtes Gepräge zu verleihen. Hierzu gehören befestigte Stell- oder Tennisplätze nicht, da ihnen die maßstabsbildende Kraft fehlt (vgl. zu befestigten Stellplätzen BVerwG, Urteile vom 14. September 1992 – BVerwG 4 C 15.90 – und vom 17. Juni 1993 – BVerwG 4 C 17.91 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 152 und 158, und zu befestigten Reitplätzen BVerwG, Beschluß vom 6. März 1992 – BVerwG 4 B 35.92 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 149). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß es sich bei ihnen um bauliche Anlagen im Sinne des § 29 BauGB handelt.
e) Ebenfalls keiner Klärung bedarf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob ein früher vorhandenes Gebäude geeignet sein kann, einen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Der Senat hat mehrfach klargestellt, daß die Feststellung, ob ein Bebauungszusammenhang besteht, anhand der tatsächlich vorhandenen Bebauung zu treffen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 31.66 – BVerwGE 31, 22, und vom 14. Januar 1993 – BVerwG 4 C 19.90 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Ein beseitigtes Gebäude hat am Bebauungszusammenhang nur solange teil, wie nach der Verkehrsauffassung mit seiner Wiedererrichtung zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 1986 – BVerwG 4 C 15.84 – a.a.O., und vom 27. August 1998 – BVerwG 4 C 5.98 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190). Wie diese Zeitspanne zu bemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und läßt sich nicht anhand abstrakter Maßstäbe beurteilen.
f) Der anhängige Rechtsstreit würde den Senat auch nicht dazu nötigen, der Frage nachzugehen, wieweit die Baufreiheit verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Es unterliegt keinen rechtlichen Zweifeln, daß § 34 BauGB eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist, die zur Folge hat, daß für die Zulassung eines Vorhabens kein Raum ist, wenn die in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
g) Einen Zulassungsgrund zeigt die Beschwerde auch mit der Frage nicht auf, ob ein Vorhaben, das den Darstellungen des Flächennutzungsplans entspricht, öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen kann. Wie aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB zu ersehen ist, liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht. Diese Regelung läßt nicht den Umkehrschluß zu, daß ein insoweit plankonformes Vorhaben ohne weiteres zulassungsfähig ist. Jeder einzelne der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ist unabhängig davon, ob er durch andere noch verstärkt wird, für sich genommen geeignet, eine Zulassung zu verhindern. Eine Beeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift läßt sich nicht dadurch kompensieren, daß bestimmte öffentliche Belange für das Vorhaben streiten. Das hat der Senat bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1968 – BVerwG 4 C 18.66 – Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 17; Beschluß vom 4. Juli 1990 – BVerwG 4 B 103.90 – NVwZ 1990, 962). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung der Korrektur oder der Fortentwicklung bedürfen sollte.
h) Welche Fragen sich an das Tatbestandsmerkmal der Entstehung einer Splittersiedlung knüpfen, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerde räumt selbst ein, daß sich der Senat auch hierzu mehrfach geäußert hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1967 – BVerwG 4 C 25.66 – BVerwGE 27, 137, und vom 3. Juni 1977 – BVerwG 4 C 37.75 – BVerwGE 54, 73). Das Berufungsgericht hat in Anknüpfung an diese Rechtsprechung dargelegt, daß die Vorhaben des Klägers die vorhandene Bebauung nicht organisch fortsetzen, sondern sie zusammenhanglos ausufern lassen würden, und berechtigten Anlaß zu der Befürchtung gäben, daß eine Zulassung eine negative Vorbildwirkung hätte. Die Beschwerde beschränkt sich auf den Hinweis, daß sie diese Einschätzung nicht teile. Das genügt nicht, um einen Revisionszulassungsgrund aufzuzeigen.
i) Das erstrebte Revisionsverfahren wäre nicht geeignet, zur Verfeinerung der begrifflichen Unterscheidung zwischen Splittersiedlung und Streusiedlung beizutragen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß der Außenbereich grundsätzlich von allen Baulichkeiten freigehalten werden soll, die einer gesunden Siedlungsstruktur zuwiderlaufen. Der Tatbestand der Zersiedelung ist nur dann nicht erfüllt, wenn sich die Streubebauung im Außenbereich als herkömmliche Siedlungsform darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1967 – BVerwG 4 C 25.66 – a.a.O.; Beschluß vom 25. März 1986 – BVerwG 4 B 41.86 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 112). Die Beschwerde legt nicht dar, zu welchen weiteren Erkenntnissen der anhängige Rechtsstreit Gelegenheit bieten könnte. Ob eine Streubebauung dem Herkommen entspricht, läßt sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise bestimmen, sondern ist von Fall zu Fall anhand der jeweiligen regionalen Besonderheiten zu ermitteln.
2. Die Divergenzrüge genügt nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, mit welchem abstrakten Rechtssatz die Vorinstanz sich in Widerspruch zu der Rechtsauffassung gesetzt haben soll, die der Senat im Urteil vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 4 C 7.98 – (a.a.O.) vertreten hat. Sie stellt selbst nicht in Abrede, daß das Berufungsgericht dem rechtlichen Ansatz des Senats gefolgt ist. Sie bemängelt lediglich, daß es aus dem Urteil vom 3. Dezember 1998 nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen habe, die nach ihrer Ansicht geboten gewesen wären. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
3. Auch die Aufklärungsrüge greift aus formellen Gründen nicht durch.
Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb das Berufungsgericht hätte ermitteln müssen, wie weit die Boccia-Bahn und der Tennisplatz vom Grundstück des Klägers entfernt sind. Ermittlungen in dieser Richtung brauchten sich dem Tatrichter nicht aufzudrängen, da es von seinem materiellrechtlichen Standpunkt aus auf diese Maße nicht ankam. Ebensowenig waren die von der Beschwerde zitierten Erklärungen des Bürgermeisters und das vom Kläger eingeleitete Petitionsverfahren erörterungsbedürftig. Denn auch sie spielten für die materiellrechtliche Beurteilung keine Rolle. Das Berufungsgericht hatte auch keinen Anlaß, die Ortsbesichtigung auf weitere Gemeindeteile zu erstrecken. Der Kläger macht selbst nicht geltend, einen entsprechenden förmlichen Antrag gestellt zu haben. Sieht ein anwaltlich vertretener Beteiligter von einem Beweisantrag ab, so bedarf es besonderer Darlegung, weshalb sich dem Gericht eine (weitere) Beweisaufnahme gleichwohl hätte aufdrängen müssen. Hieran läßt es das Beschwerdevorbringen fehlen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Berkemann, Halama
Fundstellen
BauR 2000, 1171 |
ZfBR 2000, 426 |
BRS 2000, 455 |
KomVerw 2000, 369 |
FuBW 2000, 854 |
FuNds 2001, 459 |