Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 09.06.1999; Aktenzeichen 7 A 1834/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt einen Vorbescheid für die Errichtung von insgesamt 26 Wohnungen in mehreren Gebäuden sowie 33 Kraftfahrzeugstellplätzen auf einem etwa 3 300 m² großen Grundstück an der Landstraße 101 in K. Auf dem Grundstück befindet sich der „Hardthof” mit vier Gebäuden, die nicht genutzt werden. Südwestlich im Anschluß an eine Freifläche mit etwa 80 m Breite an der Landstraße schließt sich die Ansiedlung Hardt an. Nordöstlich an den „Hardthof” im Anschluß an eine Freifläche von etwa 70 m Straßenbreite folgen bis zur Gemeindegrenze 6 bis 8 Wohnhäuser sowie auf dem Gebiet der Nachbargemeinde weitere Gebäude. Die von der Klägerin beabsichtigte Wohnbebauung soll auf den Freiflächen südwestlich und nordöstlich des „Hardthofs” errichtet werden. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos mit der Begründung, es handele sich um ein Vorhaben im Außenbereich, das im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB öffentliche Belange beeinträchtige. Mit der Beschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht sei bei der Annahme, die von der Klägerin beabsichtigte Bebauung lasse im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten, von im einzelnen benannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Das trifft nicht zu.

1.1 Die Beschwerde sieht eine Abweichung von dem Urteil vom 3. Juni 1977 – BVerwG 4 C 37.75 – (BVerwGE 54, 73; BauR 1977, 398; BRS 32 Nr. 75) darin, daß das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, „ob das Ergebnis der Zulassung der Bebauung im Zusammenhang mit der in der Umgebung bereits vorhandenen Bebauung überhaupt eine Splittersiedlung darstellt”.

Das Berufungsgericht hat die Bebauung auf dem „Hardthof” als von der Außenbereichsfläche umfaßt und „inselartig in sie eingelagert”, und damit als Splittersiedlung im Außenbereich, angesehen. Es hat ferner die 6 bis 8 Wohnhäuser an der Gemeindegrenze als „Ausuferung der Bebauung” aus der Nachbargemeinde „heraus in den Außenbereich” und damit in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1998 – BVerwG 4 C 7.98 – (DVBl 1999, 249; DÖV 1999, 340; NVwZ 1999, 527; BauR 1999, 232) ebenfalls nicht als Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB angesehen. Für die Ansiedlung Hardt hat das Berufungsgericht offengelassen, ob sie die Qualität eines Ortsteils hat.

Die Beschwerde meint offenbar, durch die Bebauung der Freiflächen südwestlich und nordöstlich des „Hardthofs” entstehe eine zusammenhängende Bebauung entlang der Landstraße 101 von der Ansiedlung Hardt – diese einschließend – bis zur Gemeindedegrenze unter Einschluß der dort vorhandenen 6 bis 8 Gebäude. Daß eine solche Betrachtungsweise geboten wäre, ergibt sich aus der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Die Beschwerde interpretiert diese Entscheidung falsch, wenn sie meint, die Verfestigung einer Splittersiedlung sei als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu mißbilligenden städtebaulichen Entwicklung nicht „zu befürchten”, wenn aus einer vorhandenen Ansammlung von Gebäuden, die kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil sind, durch Bebauung der Zwischenräume ein solcher Ortsteil entstehe. Ein solcher Rechtssatz läßt sich auch sonst der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen. Im Gegenteil hat das Bundesverwaltungsgericht nie einen Zweifel daran gelassen, daß es bei Beantwortung der Frage, ob eine Ansammlung von Gebäuden einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil oder eine Splittersiedlung darstellt, stets nur auf das Vorhandene ankommt (Urteil vom 6. November 1968 – BVerwG 4 C 31.66 – BVerwGE 31, 22; DVBl 1970, 72; BRS 20 Nr. 36; Beschluß vom 19. September 1974 – BVerwG 4 B 37.74 – Buchholz 406.11 § 34 Nr. 44; Urteil vom 26. November 1976 – BVerwG 4 C 69.74 – NJW 1977, 1978; BRS 30 Nr. 34). Selbst die Ausweitung eines Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu mißbilligenden Entwicklung öffentliche Belange (Urteil vom 25. Januar 1985 – BVerwG 4 C 29.81 – DÖV 1985, 832; NVwZ 1985, 747; BauR 1985, 427; BRS 44 Nr. 87). Dies gilt erst recht für ein Vorhaben, durch das unter Auffüllung von Freiflächen zwischen Splittersiedlungen erst ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil entstehen oder ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil durch Bebauung eines Zwischenraums zu einer vorhandenen Splittersiedlung erweitert würde.

1.2 Das Berufungsgericht hat gemeint, das Vorhaben lasse auch deshalb die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten, weil „die den Übergang zum Wald prägenden Wiesenflächen sowohl westlich als auch östlich des Hardthofs in Tiefe der vorgesehenen Bebauung ihres Charakters beraubt” würden. Darin sieht die Beschwerde eine Abweichung von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts; danach dürften nur siedlungsstrukturelle Merkmale zur Konkretisierung des Tatbestands des „Befürchtens” der Verfestigung einer Splittersiedlung herangezogen werden. Die Beschwerde übersieht dabei jedoch, daß das Berufungsgericht die Wiesenflächen als „außenbereichstypische Landschaftselemente” angesehen hat, die eine gliedernde Funktion haben, indem sie die vorhandenen Siedlungselemente deutlich trennen (UA S. 8). Diese Funktion gehe durch eine „Ausuferung” der vorhandenen Bebauung in diese Flächen hinein verloren. Daß dies ein siedlungsstruktureller und nicht ein ausschließlich landschaftspflegerischer oder -gestalterischer Gesichtspunkt ist, der übrigens im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB Bedeutung haben könnte, liegt auf der Hand.

1.3 Die Beschwerde sieht eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 1977 (a.a.O.) sowie von dem Beschluß vom 24. Februar 1994 – BVerwG 4 B 15.94 -(ZfBR 1994, 151; UPR 1994, 231) darin, daß das Berufungsgericht das „Befürchten-Lassen” der Verfestigung einer Splittersiedlung „allein” daraus abgeleitet habe, daß sich die hinzukommende Bebauung, nämlich mehrere Gebäude mit insgesamt 26 Wohnungen sowie 33 Kraftfahrzeugstellplätze, nicht deutlich in den Bestand der vorhandenen Splittersiedlung unterordne. In den genannten Entscheidungen sei dieses Merkmal nur als ein Beispiel des „Befürchtens” einer Splittersiedlung genannt worden. Dem ist entgegenzuhalten: Abgesehen davon, daß der vom Berufungsgericht entschiedene Fall offensichtlich das Beipiel geradezu in klassischer Weise bestätigt, geht die Rüge schon deshalb fehl, weil das Berufungsgericht nicht „allein”, wie die Beschwerde meint, auf dieses Merkmal abgestellt hat. Selbst wenn es das getan hätte, könnte das der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. In Wirklichkeit liegt mit der beabsichtigten Bebauung der Freiflächen südwestlich und nordöstlich des „Hardthofs” nämlich – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – kein Fall der Verfestigung, sondern ein Fall der Erweiterung einer Splittersiedlung vor, für den das genannte einschränkende Merkmal der deutlichen Unterordnung nicht gilt. Das rügt indes die Beschwerde wohlweislich nicht.

2. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

2.1 Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig die Frage, „ob ein Vorhaben siedlungsstrukturell auch dann unerwünscht ist, wenn es dazu führt, vorhandene Siedlungssplitter … in den … im Zusammenhang bebauten Ortsteil der Ansiedlung Hardt … einzubeziehen”. Die Frage ist, wie schon oben unter Nr. 1.1 ausgeführt, aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres zu verneinen.

2.2 Die Beschwerde sieht als klärungsbedürftig an, unter welchen Voraussetzungen im Anschluß an die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 1976 – BVerwG 4 C 69.74 – (NJW 1977, 1978; Buchholz 406.11 § 34 Nr. 58; BRS 30 Nr. 34) und vom 3. Juni 1977 (a.a.O.) und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Gebot der planerischen Zurückhaltung ein Erfordernis der Binnenkoordination eines Vorhabens als ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB angesehen werden kann, wenn das Vorhaben, nämlich hier neun Reihenhäuser südwestlich sowie ein Doppelhaus und fünf weitere Reihenhäuser nordöstlich des „Hardthofs”, geteilt und in jeweils getrennten Teilschritten ausgeführt werden kann. Damit bezeichnet die Beschwerde eine Frage, die nur den konkreten Fall betrifft und vom Berufungsgericht unter tatsächlicher Würdigung der konkreten Gegebenheit entschieden worden ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist damit nicht dargetan.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Lemmel, Heeren

 

Fundstellen

BauR 2000, 1175

ZfBR 2000, 425

BRS 2000, 511

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge