Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 24.07.2006; Aktenzeichen 7 D 17/06.NE) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Die Antragsteller erheben den Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht sei unter Verletzung seiner Aufklärungspflichten (§ 86 Abs. 1 VwGO) und unter Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon ausgegangen, dass ein im Fall der Bebauung des Baufeldes auf dem nördlichen Nachbargrundstück erforderlich werdender Rückschnitt der auf ihrem Grundstück stehenden Eiche unschädlich sei.
Die Aufklärungsrüge muss erfolglos bleiben, weil sich dem Normenkontrollgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung nicht aufdrängen musste (vgl. hierzu allgemein Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Die Vorinstanz hat das von den Antragstellern geltend gemachte Interesse am Erhalt der in ihrem Eigentum stehenden Eiche im rechtlichen Ansatz unter zwei Gesichtspunkten gewürdigt. Sie hat zunächst den bloßen nicht mit einer nachhaltigen Schädigung der Eiche verbundenen Rückschnitt in den Blick genommen und den Rechtsstandpunkt vertreten, in diesem Fall seien keine abwägungserheblichen Belange der Antragsteller berührt, weil diese ohnehin grundsätzlich dafür Sorge zu tragen hätten, dass über die Nachbargrenze überhängende Zweige der Eiche den Nachbarn nicht beeinträchtigen.
Das Normenkontrollgericht hat ferner die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die umstrittene Änderung des Bebauungsplans den Bestand (die “Vitalität”) der Eiche in Frage stellen könnte, und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin eine solche Möglichkeit nicht erwägen musste, weil sie unwahrscheinlich sei. Eine solche Entwicklung gebe der Bebauungsplan schon deshalb nicht vor, weil das höchstzulässige Maß der baulichen Nutzbarkeit des nördlich gelegenen Nachbargrundstücks nicht ausgeschöpft werden müsse, wenn die Eiche anders nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erhalten werden könne. Diese Erwägung zielt auf die Befürchtung der Antragsteller, dass ein vom Eigentümer des Nachbargrundstücks geforderter Rückschnitt der Eichenkrone die “Vitalität” der Eiche gefährden könne.
Von seinem Rechtsstandpunkt aus hatte das Normenkontrollgericht keinen Anlass, den Sachverhalt in der von der Beschwerde bezeichneten Richtung weiter aufzuklären. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz erweist sich auch der mit der Beschwerde erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Regeln der richterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung als unbegründet.
2. Die Rüge, das Normenkontrollurteil weiche von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2004 – BVerwG 4 CN 1.03 – (DVBl 2004, 1044) und vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – (DVBl 1994, 1152) ab, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit der die Vorinstanz einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (oder des Bundesverfassungsgerichts) aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712). Einen derartigen Widerspruch im abstrakten Rechtssatz zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie erschöpft sich vielmehr insoweit in einer Kritik der vorinstanzlichen Beurteilung der Abwägungserheblichkeit der von den Antragstellern geltend gemachten Belange und in dem Vorwurf, das Normenkontrollgericht habe die rechtlichen Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung vom Bebauungsplan auf ein nachfolgendes Genehmigungsverfahren verkannt. Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt jedoch nicht vor, wenn lediglich die unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und von der Vorinstanz nicht in Frage gestellten Grundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall geltend gemacht wird.
3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich sinngemäß geklärt wissen, ob die planende Gemeinde bei ihrer Prognose, ob ein im Bebauungsplanverfahren erkannter Nutzungskonflikt im Rahmen eines nachfolgenden Baugenehmigungsverfahrens bewältigt werden kann, diejenigen baulichen Nutzungen zugrunde zu legen hat, die bei einer vollständigen Ausnutzung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen möglich sind. Die aufgeworfene Frage ist nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Sie ist auf der Grundlage des Baugesetzbuchs und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) unschwer zu beantworten.
In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt, dass grundsätzlich jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm zurechenbaren Konflikte zu lösen hat. Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen auf ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (vgl. etwa Beschluss vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – NVwZ-RR 1995, 130, 131 m.w.N.). Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung, dass die Gemeinde immer dann, wenn es sich um eine Angebotsplanung (durch Bebauungsplan) handelt, ihrer Prognose diejenigen baulichen Nutzungen zugrunde zu legen hat, die bei einer vollständigen Ausnutzung der planerischen Festsetzungen möglich sind. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener auf der Ebene der Vorhabenszulassung letztlich ungelöst bleiben.
Von diesen Erwägungen hat sich auch das Normenkontrollgericht leiten lassen. Es führt aus, dass der Bebauungsplan durch Baugrenzen auf dem nördlichen Nachbargrundstück eine überbaubare Grundstücksfläche festlege, die nicht ausgeschöpft werden müsse. Die Antragsgegnerin habe die von den Antragstellern befürchteten Auswirkungen einer Baumaßnahme bei vollständiger Ausnutzung des festgesetzten “Baufeldes” nicht in ihre Abwägung einstellen müssen, weil insoweit letztlich bei der Bauausführung sichergestellt werden könne, dass eine Gefährdung der Eiche nicht eintrete. Diese Erwägungen sind gerade auf den Fall zugeschnitten, dass die Eigentümer des nördlichen Nachbargrundstücks beabsichtigen sollten, die festgesetzten Baugrenzen vollständig auszunutzen, und damit den Erhalt der Eiche gefährden würden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen