Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 27.04.2005; Aktenzeichen 4 LB 63/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet.
Ausgehend von der für die streitgegenständliche Zeit maßgeblichen Rechtslage vor Änderung der §§ 91 ff. SGB VIII durch Art. 1 Nr. 49 des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) kommt der Rechtssache nicht die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.
Die Frage, „ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Zweckgleichheit im Verhältnis des Kindergeldes zu den Leistungen der Jugendhilfe im Sinne von § 93 Abs. 5 SGB VIII besteht” (Beschwerdeschrift S. 4 a.E.), bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Soweit damit generell das Verhältnis des Kindergeldes zu Jugendhilfeleistungen angesprochen ist, stellte sie sich im vorliegenden Verfahren um einen Kostenbeitrag zur Hilfe nach § 32 SGB VIII in dieser Allgemeinheit nicht. Soweit der Beklagte sinngemäß die Frage zum Verhältnis des Kindergeldes zur Hilfe zur Erziehung nach §§ 32, 91 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a SGB VIII geklärt wissen will (vgl. Beschwerdeschrift S. 5 Abs. 5) und sie auf Fälle eingrenzt, in denen „weder das eigene Einkommen des betreuenden Elternteils … noch das eigene Einkommen des Kindes … ausreichen, um das Existenzminimum des betroffenen Kindes zu bestreiten” (Beschwerdeschrift S. 4 Abs. 3), bedarf sie keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sich die Antwort bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. In dem vom Berufungsgericht herangezogenen und dem Beklagten bekannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 1998 – BVerwG 5 C 25.97 – (BVerwGE 108, 221) hat der Senat ausgeführt, dass und warum Kindergeld keine mit Leistungen zum Lebensunterhalt bei Hilfe zur Erziehung (damals nach § 34 SGB VIII) zweckgleiche Leistung im Sinne des § 93 Abs. 5 SGB VIII ist. Das gilt auch für das Verhältnis von Kindergeld und Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII. Denn hier fallen geringere Leistungen zum Unterhalt des Kindes an als bei der Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht bereits zur steuerrechtlichen Regelung des Kindergeldes in §§ 31, 62 ff. EStG in seinem dem Beklagten bekannten Urteil vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 5 C 25.02 – (Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr. 38) entschieden, dass es Zweck des Kindergeldes sei, die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes zu bewirken, bzw. Kindergeld eine Leistung zur Förderung der Familie ist, nicht aber zweckgebunden, das Existenzminimum des Kindes abzudecken (Jurisausdruck Rn. 10). Das Kindergeld ist also entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dahin gesetzlich zweckbestimmt, „dass es für die übrigen (kinderbezogenen) Belange der Familie nur dann eingesetzt werden kann, wenn es zur Deckung des Existenzminimums des Kindes nicht benötigt wird” (Beschwerdeschrift S. 7 Abs. 1). So wie im Rahmen der fortbestehenden Eltern-Kind-Kontakte auch eine Heimerziehung Raum lässt für die besondere Zweckbestimmung des Kindergeldes, zur wirtschaftlichen Entlastung von kinderbedingten Mehrkosten der allgemeinen Lebensführung beizutragen (BVerwGE 108, 221, 225), so ist das Kindergeld auch nicht enger dahin zweckgebunden, dass es insbesondere den Lebensunterhalt des Kindes während seiner Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII) decken soll.
Soweit der Beklagte unter Berufung auf Kunkel in LPK-SGB VIII, § 94 Rn. 5d die Auffassung vertritt, auch das Kindergeld könne bei den durch die auswärtige Unterbringung ersparten Aufwendungen im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 94 Abs. 2 SGB VIII berücksichtigt werden, widerspricht er zwar der gegenteiligen Auffassung des Berufungsgerichts, bezeichnet aber keinen klärungsbedürftigen Rechtssatz. Die Beschwerde zeigt nicht auf, worin die Ersparnis der Klägerin liegen soll. Denn auch vom Beklagten unbestritten verfügte die Klägerin mit dem Kindergeld selbst nur über ein monatliches Einkommen in Höhe von 270 DM, war also nicht verpflichtet, damit vorrangig das Mittagessen ihres Kindes zu finanzieren.
Zu Unrecht meint der Beklagte, § 31 EStG drücke den Gedanken aus, „dass das Kindergeld dem allgemeinen Familienlastenausgleich nur diene, soweit es nicht, wegen beengter wirtschaftlicher Verhältnisse, zu dem Bestreiten des Existenzminimums (des Kindes) benötigt werde” (Beschwerdeschrift S. 7 a.E.). Vielmehr dient das Kindergeld nach § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie, soweit es nicht „dafür” erforderlich ist, d.h. die „steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs (Fassung ab 2002: der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung)” zu bewirken (§ 31 Satz 1 EStG).
Zur Rechtslage nach Änderung der §§ 91 ff. SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (a.a.O.) sei darauf hingewiesen, dass § 94 Abs. 3 SGB VIII nunmehr bei Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses, nicht aber bei der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII) vorschreibt, dass ein Kostenbeitrag mindestens in Höhe des Kindergeldes zu zahlen ist.
Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zugelassen werden.
Die Beschwerde behauptet zwar (Beschwerdeschrift S. 4 Abs. 6 und S. 8 Abs. 3), das Berufungsurteil widerspreche dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1993 – BVerwG 5 C 8.90 – (BVerwGE 94, 326), sie zeigt aber nicht, wie es erforderlich wäre (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – BVerwG 9 B 38.04 – ≪Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 = NVwZ 2005, 447≫), auf, mit welchem Rechtssatz das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem Rechtssatz in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein soll. Der Rechtssatz des Berufungsgerichts, dass das den Eltern mit niedrigem Einkommen gewährte Kindergeld nicht im Sinne von § 93 Abs. 5 SGB VIII dem gleichen Zweck diene wie die Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII, weicht nicht vom Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts ab, dass Kindergeld eine der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz zweckidentische Leistung im Sinne von § 77 BSHG sei.
Auch soweit der Beklagte behauptet, das Berufungsgericht widerspreche „der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Forderung der konkreten Bestimmung der Zweckgleichheit im Hinblick auf die jeweilige Hilfeleistung” (Beschwerdeschrift S. 4 Abs. 7), fehlt es an einer ordnungsgemäß erhobenen Divergenzrüge. Abgesehen davon liegt eine Abweichung auch nicht vor. Denn das Berufungsgericht hat die Zweckgleichheit im Sinne des § 93 Abs. 5 SGB VIII ausdrücklich „für das vorliegende Verfahren” und damit konkret für das Verhältnis von Kindergeld zur Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe verneint (Berufungsurteil S. 7 Abs. 3 und 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel
Fundstellen