Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 29 A 57.99) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin zu 2, eine GmbH, begehrt, den Beklagten zu verpflichten, ihre Berechtigung hinsichtlich eines Grundstücks festzustellen.
1991 meldete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 2 für diese einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks an. Diesen Antrag wiederholte der Notgeschäftsführer der Klägerin zu 2 1995. Außerdem genehmigte er im Jahre 1998 den 1991 gestellten Antrag.
Der Beklagte lehnte den Antrag als verspätet mit der Begründung ab, die Anmeldung eines Restitutionsanspruchs durch einen vollmachtlosen Vertreter könne nach Ablauf der Anmeldefrist nicht rückwirkend genehmigt werden.
Die Klägerin zu 2 hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren insbesondere die Auffassung vertreten, wegen Versäumung der Anmeldefrist müsse ihr Nachsicht gewährt werden. Das Verwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.
Teilweise genügt die Beschwerde schon nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Ohne einen der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision prozessordnungsgemäß darzulegen, wird einige Male der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts lediglich die der Klägerin zu 2 gegenübergestellt. Im Übrigen beruht die Beschwerde weder auf einer Abweichung von der in ihr genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 1.), noch liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hat. Daran fehlt es hier. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG nur dann ausnahmsweise unbeachtlich, wenn sie – erstens – auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn – zweitens – durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des § 30 a VermG nicht gefährdet wird (vgl. Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39 = Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 2). Dabei ist es unerheblich, ob das staatliche Verschulden bei der für die Entscheidung über den vermögensrechtlichen Anspruch zuständigen Behörde oder einer sonstigen staatlichen Stelle liegt (vgl. Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 14). Einen davon abweichenden Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Vielmehr geht es ausdrücklich von der geschilderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus. Es verneint die erste genannte Voraussetzung für die Gewährung von Nachsicht hinsichtlich der Fristversäumung, weil es im vorliegenden Einzelfall zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG nicht auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist.
Auch soweit das Verwaltungsgericht hilfsweise ausführt, bei einer staatlichen Verwaltung der Klägerin zu 2 würde es sich nicht um dem Beklagten zurechenbares staatliches Fehlverhalten handeln, sondern um eine vermögensrechtliche Schädigung, die ihrerseits Ansprüche bzw. Rechtsfolgen nach dem Vermögensgesetz auslöse, jedoch nicht die Annahme einer besonderen Härte im Sinne der Nachsichtrechtsprechung rechtfertige, weicht das Verwaltungsgericht nicht von dem zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ab. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG unbeachtlich sein kann, wenn sie auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen ist, ist damit allein ein Fehlverhalten des Staates gemeint, der die Ausschlussfrist gesetzt hat. Dies ist die Bundesrepublik Deutschland. Fehlverhalten des von der DDR eingesetzten staatlichen Verwalters kann materielle Ansprüche nach dem Vermögensgesetz begründen, aber nicht dazu führen, dass die Ausschlussfrist des § 30 a VermG unbeachtlich ist (vgl. Beschluss vom 14. Oktober 2005 – BVerwG 7 PKH 5.05 – nicht veröffentlicht).
2. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin zu 2 auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Die Klägerin zu 2 rügt insoweit, sie habe keine Gelegenheit erhalten, zu den rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung nochmals schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag auf Schriftsatzfrist gestellt. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist aber die (erfolglose) Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneter Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 3. Juli 1992 – BVerwG 8 C 58.90 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 S. 96 ≪99≫, BVerfGE 74, 220 ≪225≫). Eine Partei, die von einer solchen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, kann sich später nicht darauf berufen, ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden (vgl. Urteil vom 6. Februar 1987 – BVerwG 4 C 2.86 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 38 S. 1 ≪2 f.≫). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör könnte hier folglich nur vorliegen, wenn die im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Schriftsatzfrist gestellt hätte. Selbst wenn das Verwaltungsgericht zu erkennen gegeben haben sollte, einen solchen Antrag abzulehnen, würde dies keine andere Beurteilung rechtfertigen.
b) Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, dass die staatliche Verwaltung fortbestanden habe und sich nunmehr damit zu befassen gehabt hätte, die Rechte der Klägerin zu 2 im vermögensrechtlichen Verfahren wahrzunehmen. Auch hätte sich dem Verwaltungsgericht die Aufklärung hinsichtlich der Untätigkeit der staatlichen Verwaltung für die Klägerin zu 2 aufdrängen müssen. Insoweit wird u.a. nicht dargelegt, warum es nach der maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts hierauf ankommen konnte. Dies hätte auch nicht dargelegt werden können; denn nach der oben dargestellten – mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden – Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es hierauf nicht an. Auch wenn die staatliche Verwaltung fortbestanden und der staatliche Verwalter es unterlassen haben sollte, Rückübertragungsansprüche anzumelden, wäre dies danach kein staatliches Fehlverhalten, das es rechtfertigen könnte, hinsichtlich der Versäumung der Ausschlussfrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG Nachsicht zu gewähren.
Soweit die Beschwerde mangelnde Aufklärung zu den Vermögensverhältnissen der R. AG rügt, macht sie der Sache nach keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht geltend, sondern meint, das Verwaltungsgericht hätte aus den ihm vorliegenden Akten nicht die notwendigen Schlüsse gezogen. Auch wird nicht dargelegt, wieso es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts darauf ankam, ob diese Aktiengesellschaft vermögenslos war oder nicht.
c) Selbst wenn man zugunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle auch eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) rügen, kann das Urteil nicht auf einem vorliegenden Verfahrensfehler beruhen. Das Verwaltungsgericht ist nicht in entscheidungserheblicher Weise von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen. Selbst wenn es zuträfe, dass das Verwaltungsgericht aus dem Akteninhalt rechtlich unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen hätte, läge darin zum einen kein Verfahrensmangel. Zum anderen legt die Beschwerde nicht dar, wieso es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts darauf ankam, ob die Klägerin zu 2 als in Auflösung befindlich oder als nicht in Auflösung befindlich fortbestand und wieso es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts darauf ankam, ob der Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 2 seit Anfang der 50er Jahre geruht hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen