Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht, Widerspruchsrecht des Dienststellenleiters aufgrund seines –, wenn Personalrat Beschäftigte am Arbeitsplatz aufsuchen will. Zugangsrecht, – des Personalrats zu Arbeitsplätzen der Beschäftigten aufgrund seines Informationsrechts. Informationsrecht, Zugangsrecht des Personalrats zu Arbeitsplätzen der Beschäftigten aufgrund seines –. vertrauensvolle Zusammenarbeit, Gebot der – als Grenze des Widerspruchsrechts des Dienststellenleiters
Leitsatz (amtlich)
1. Der Personalrat oder einzelne seiner Mitglieder haben das Recht auf Zugang zu Beschäftigten am Arbeitsplatz, allerdings nur im Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter.
2. Der Dienststellenleiter muß, wenn er widerspricht, daß der Personalrat Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz aufsucht, triftige Gründe geltend machen, etwa daß andernfalls eine nicht unerhebliche Störung der Ordnung und des Arbeitsablaufs zu besorgen oder daß der Besuch offensichtlich rechtsmißbräuchlich wäre; insoweit steht ihm aufgrund seines Direktionsrechts ein Widerspruchsrecht zu.
Normenkette
LPersVG RP § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 67 Abs. 1 S. 1, § 68 Abs. 1-2, § 76 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 21. Juni 1988 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten darüber, ob der Personalrat des Klinikums der Universität Mainz oder einzelne seiner Mitglieder berechtigt sind, ohne Zustimmung des Dienststellenleiters oder eines von ihm bestellten Vertreters Beschäftigte des Klinikums an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen und mit ihnen Gespräche zu führen.
Nachdem ein Mitglied des Beteiligten, des Personalrats des Klinikums der Universität Mainz, ohne vorherige Anmeldung bei der Pflegedienstleitung die Notaufnahmestation der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität Mainz aufgesucht und dort während der Dienstzeit auf Bitten eines Beschäftigten ein Gespräch mit Beschäftigten geführt hatte, wies der Antragsteller, der Präsident der Universität Mainz, den Beteiligten mit Schreiben vom 21. Mai 1985 darauf hin, daß der Personalrat oder einzelne seiner Mitglieder nicht berechtigt seien, ohne vorherige Unterrichtung des Dienststellenleiters Beschäftigte am Arbeitsplatz aufzusuchen; bei künftigen Fällen erwarte er eine vorherige Unterrichtung des Leiters der betreffenden Einrichtung. Mit Schreiben vom 8. Juli 1985 erwiderte der Beteiligte, seine Mitglieder würden sich wie bisher beim Verlassen des Arbeitsplatzes bei dem zuständigen Vorgesetzten abmelden, jedoch nicht die Erlaubnis des Dienststellenleiters für das Aufsuchen eines Beschäftigten einholen.
Daraufhin leitete der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren am 9. Oktober 1985 mit dem Antrag ein,
festzustellen, daß der Beteiligte oder einzelne seiner Mitglieder Beschäftigte des Klinikums an deren jeweiligem Arbeitsplatz nur im Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter aufsuchen dürfen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Dem Dienststellenleiter stehe kraft des von ihm ausgeübten Direktionsrechts allein das Recht zu, die Ordnung in der Dienststelle und den Fortgang des Arbeitsablaufs einschließlich des Verhaltens der Mitarbeiter während der Dienstzeit zu regeln. Der Personalrat habe solche Rechte nicht. Er könne deshalb nicht selbst über den Zugang zu den einzelnen Mitarbeitern an deren Arbeitsplatz und damit möglicherweise über Unterbrechungen der Arbeit ohne Zustimmung des Dienststellenleiters bestimmen. Zwar habe der Personalrat einen Anspruch gegenüber dem Dienststellenleiter darauf, umfassend und rechtzeitig unterrichtet zu werden (§ 68 Abs. 2 Personalvertretungsgesetz Rheinland-Pfalz – LPersVG –), und damit einen Zugangsanspruch zu Mitarbeitern an deren Arbeitsplatz, soweit dies zur sachgemäßen und sinnvollen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sei. Dieser Anspruch werde aber insbesondere durch den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit begrenzt. Dieser gebiete es dem Personalrat, sich mit seinem Anspruch auf Gewährung des Zugangs zu den Beschäftigten zunächst an den Dienststellenleiter oder einen von ihm für derartige Fälle benannten Vertreter zu wenden. Der Dienststellenleiter müsse den Zugang nur gewähren, soweit dies zur Durchführung der Personalratsaufgaben notwendig sei. Die Personalvertretung sei kein Kontrollorgan, das die Aufgabenerfüllung und den inneren Dienstbetrieb allgemein zu überwachen habe. Eine auf gegenseitigem Vertrauen und Offenheit beruhende Zusammenarbeit erfordere es, daß der Personalrat den Dienststellenleiter oder dessen Vertreter darüber unterrichte, aus welchem Anlaß und aus welchen Gründen er die Gewährung des Zugangs verlange und weshalb er dies zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halte, soweit sich die Notwendigkeit des Zugangs nicht schon aus dem Fehlen der Sprechstunden oder sonst aus der Natur der Sache selbst ergebe. Der Dienststellenleiter seinerseits sei verpflichtet, entsprechende Ersuchen wohlwollend zu behandeln. Er dürfe diese nur dann ablehnen, wenn anderenfalls eine Gefährdung der Arbeit oder des Friedens in der Dienststelle zu besorgen sei. Daran habe sich der Antragsteller im vorliegenden Fall gehalten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten. Er beantragt sinngemäß,
unter Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Mainz – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 28. April 1987 und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) – vom 21. Juni 1988 den Antrag des Antragstellers auf Feststellung, daß der Personalrat des Klinikums oder einzelne seiner Mitglieder Beschäftigte des Klinikums nur im Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter aufsuchen dürfen, abzulehnen.
Er trägt insbesondere vor, die vorherige Einholung des Einvernehmens des Dienststellenleiters führe zu möglicher Diskriminierung der hilfesuchenden Mitarbeiter, weil die Zustimmung nicht ohne Kenntnis der genauen Umstände erteilt werden könne. Die Beschreitung des Rechtsweges im Falle der Zustimmungsverweigerung führe zu einer erheblichen Verzögerung. Eilbedürftige Gespräche würden auch deshalb unmöglich gemacht, weil der Dienststellenleiter zuerst Rücksprache mit dem jeweiligen Pflegedienstleiter nehmen müsse, um sich sachkundig zu machen. Dies gelte insbesondere für den Nachtdienst (160 feste Nachtwachen in der Universitätsklinik). Während dieser Zeit fänden keine Sprechstunden statt. Personalratsmitglieder müßten deshalb häufig abends auf die Stationen gehen, um die Beschäftigten zu erreichen. In dieser Zeit sei der Dienststellenleiter aber nicht erreichbar. Im übrigen habe jeder Beschäftigte selbst Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. Unpassende Besuche von Personalratsmitgliedern müsse er in diesen Fällen von sich aus zurückweisen.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Rechtsbeschwerdeverfahren. Er hält die Rechtsauffassung der Vorgerichte für zutreffend; auch der zu entscheidende Fall biete keinen Anlaß zur Differenzierung. Das vom Dienststellenleiter auszuübende pflichtgemäße Ermessen bei der Entscheidung über die Zustimmung könne sich aber in den Fällen „auf Null reduzieren”, in denen – wie beim Nachtdienst – eine Sprechstunde nicht abgehalten werden könne.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag wie auch die Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte die Ablehnung des Antrags begehrt, sind zulässig.
Zutreffend haben die Vorinstanzen das Rechtschutzbedürfnis auch insoweit bejaht, als der Antragsteller die allgemeine Feststellung begehrt, daß der Personalrat oder seine Mitglieder Beschäftigte des Klinikums an deren jeweiligem Arbeitsplatz nur im Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter aufsuchen dürfen. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war zwar der unangemeldete Besuch eines Personalratsmitglieds in der Notaufnahmestation der Universitätsklinik am 23. April 1985. Das Interesse der Verfahrensbeteiligten beschränkt sich jedoch nicht darauf zu klären, ob der Personalrat auf dieser Station und zu bestimmten Zeiten unangemeldet und ohne Einvernehmen mit dem Antragsteller die Mitarbeiter aufsuchen darf. Der Beteiligte hat dieses Recht, unangemeldet und ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers die Besuche abzustatten, generell für sich in Anspruch genommen; der Antragsteller ist dem entgegengetreten. Bei einer Klinik mit über 3.000 Beschäftigten besteht auch ein Bedürfnis zur generellen Klärung. Es handelt sich nicht um eine hypothetische Streitfrage. Sie kann sich auch bezüglich anderer Arbeitsplätze und auch zu anderen Arbeitszeiten zwischen den Beteiligten jederzeit neu stellen.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, daß der Beteiligte oder einzelne seiner Mitglieder generell nicht berechtigt sind, Mitarbeiter des Klinikums an deren jeweiligem Arbeitsplatz ohne Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter oder dem von ihm bestellten Vertreter aufzusuchen. Allerdings muß der Dienststellenleiter, wenn er widerspricht, daß der Personalrat Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz aufsucht, triftige Gründe geltend machen, etwa daß anderenfalls eine nicht unerhebliche Störung der Ordnung und des Arbeitsablaufs oder einer Beeinträchtigung anderer wichtiger Belange der Dienststelle zu besorgen wäre oder daß der Besuch offensichtlich rechtsmißbräuchlich wäre. Faktisch steht damit dem Dienststellenleiter in diesen Fällen ein Widerspruchsrecht zu, das er nur bei Vorliegen triftiger Gründe geltend machen kann. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Das Aufsuchen des Arbeitsplatzes und das damit verbundene Gespräch mit den Beschäftigten führen dazu, daß der Arbeitsablauf in unterschiedlichem Maße je nach der Dauer der Besprechung, der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und der zu leistenden Arbeit unterbrochen wird. Damit wird in das Direktionsrecht des Dienststellenleiters eingegriffen. Kraft dessen hat der Dienststellenleiter das Recht und die Pflicht, die Ordnung in der Dienststelle und den Arbeitsablauf einschließlich des Verhaltens der Mitarbeiter während der Dienstzeit zu regeln. Dieses Recht hat allein der Dienststellenleiter; auch hinsichtlich der Art und Weise der Erledigung steht es nicht zur Disposition von Stellen, die nicht der Volksvertretung für ihr Handeln verantwortlich sind (Beschlüsse vom 11. März 1983 – BVerwG 6 P 25.80 – ≪BVerwGE 67, 61 = Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 24≫ und vom 5. Oktober 1989 – BVerwG 6 P 7.88 – ≪PersR 1989, 364≫). Der Personalrat hat keinen Anteil an dem Direktionsrecht. Er darf nicht durch einseitige Handlungen in den Dienstbetrieb eingreifen (§ 76 Abs. 2 LPersVG).
Dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters stehen das Recht und die Pflicht des Personalrates gegenüber, darüber zu wachen, daß alle in der Dienststelle tätigen Personen nach Recht und Billigkeit behandelt werden (§ 67 Abs. 1 Satz 1 LPersVG). um diesem Überwachungsauftrag nachkommen und die einzelnen im § 68 Abs. 1 LPersVG aufgeführten Aufgaben erledigen zu können, hat der Personalrat das Recht, rechtzeitig und umfassend unterrichtet zu werden (§ 68 Abs. 2 LPersVG). Voraussetzung dieses Informationsrechts ist, daß ein konkreter Bezug zu den von der Personalvertretung zu erfüllenden Aufgaben besteht. Der Anspruch beschränkt sich auf Informationen, die sie benötigt, um die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen und ihre Beteiligungsrechte rechtzeitig und uneingeschränkt wahrnehmen zu können (Beschlüsse vom 21. September 1984 – BVerwG 6 P 24.83 – ≪Buchholz 238.3 A § 68 BPersVG Nr. 5 = NJW 1985, 2845≫ und vom 27. Februar 1985 – BVerwG 6 P 9.84 – ≪Buchholz 238.3 A § 67 BPersVG Nr. 5 = DVBl. 1985, 748≫). Die Ausübung ihrer Überwachungsrechte erfordert einen breiten, jedenfalls über Konfliktfälle hinausgehenden Kenntnisstand, zumal sie auf die Vermeidung von Konflikten und damit auf die Erhaltung des Friedens in der Dienststelle abzielt (Beschluß vom 27. Februar 1985 – BVerwG 6 P 9.84 – ≪a.a.O.≫). Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, daß sich dieser Informationsanspruch nicht nur auf die Vorlage der erforderlichen Unterlagen richtet, sondern daß er sich auch auf die Gewährung des Zugangs des Personalrats zu Mitarbeitern an deren Arbeitsplatz erstreckt, soweit dies zur sachgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Personalrates notwendig ist.
Die Ausübung des Direktionsrechts des Dienststellenleiters einerseits und des Überwachungs- und Informationsrechts und damit des Zugangsrechts des Personalrats andererseits stehen unter dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 LPersVG). Dieser die Dienststellenverfassung beherrschende Grundsatz ist nicht nur bei der Auslegung der im Personalvertretungsrecht konkret normierten Verhaltensvorschriften und Beteiligungsbefugnisse zu beachten, sondern enthält ein allgemeines Verhaltensgebot für den Dienststellenleiter und den Personalrat. Ausfluß dieses Gebots ist es unter anderem, daß jede Seite es der anderen ermöglicht, die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen, und daß etwaige Meinungsverschiedenheiten in den vom Gesetz vorgesehenen Formen bereinigt werden (Beschluß vom 23. Mai 1986 – BVerwG 6 P 23.83 – ≪Buchholz 238.32 § 47 BlnPersVG Nr. 1 = PersV 1987, 196≫). Das führt im vorliegenden Fall zu folgenden Ergebnissen:
Der Dienststellenleiter kann sein Direktionsrecht nur dann ausüben, wenn er weiß, an welchem Arbeitsplatz und zu welchem Zeitpunkt Personalratsmitglieder Gespräche mit Beschäftigten führen. Deshalb ist eine vorherige Anmeldung dieser Gespräche notwendig. Er kann der ihm allein obliegenden Verantwortung für die Ordnung und den Arbeitsablauf in der Dienststelle weiterhin nur dann gerecht werden, wenn er die Möglichkeit hat, einem Besuch zu widersprechen mit der Folge, daß dieser zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht stattfindet. Voraussetzung ist allerdings, daß anderenfalls eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Direktionsrechts etwa wegen Störung der Ordnung und des Arbeitsablaufs in der Dienststelle zu besorgen wäre. Dies ist keine Behinderung oder Bevormundung des Personalrats und auch kein Widerspruch zu einem „Konzept der formalen Gleichberechtigung” im Verhältnis Dienststellenleiter/Personalrat (so Wahsner RiA 1986, 73 ≪78≫), sondern dies entspricht der unterschiedlichen verfassungs- und personalvertretungsrechtlichen Rollenverteilung innerhalb der Dienststelle. Die Prüfung, ob das Aufsuchen eines Arbeitsplatzes oder eines Beschäftigten am Arbeitsplatz zur Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe erforderlich ist, kann auch nicht allein dem Personalratsvorstand überlassen werden (so aber Wahsner a.a.O.), denn dies würde insoweit zu einer unzulässigen Übertragung der Direktionsbefugnis und -verantwortung auf die Personalvertretung führen.
Dem steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen. Dieses hat im Zusammenhang mit der Erörterung des Zutrittsrechts einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 4 LPersVG NW) unter anderem festgestellt, der Personalrat bedürfe keiner Zustimmung des Leiters der Dienststelle, bevor er im Rahmen seiner Aufgaben einzelne Arbeitsplätze betrete und Beschäftigte besuche (BAG, Urteil vom 17. Januar 1989 – 1 AZR 805/87 – ≪PersRat 1989, 138≫). Diese Ausführungen sind indessen im Zusammenhang mit der Erläuterung eines sogenannten akzessorischen Zugangsrechts der Gewerkschaften gemacht worden (§ 3 Abs. 4 LPersVG NW). Dieses besagt, daß der Personalrat sich nur in solchen Angelegenheiten der gewerkschaftlichen Unterstützung bedienen darf, die sich im Rahmen seiner ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben halten. Das Gericht hat dieses Recht wegen des „erschöpfenden Informationsrechts gegenüber dem Arbeitgeber” bejaht und festgestellt, es bestehe „kein Anlaß, wegen eines möglichen oder denkbaren Rechtsmißbrauchs prinzipiell anerkannte Rechte der Personalräte an Voraussetzungen zu binden, die geeignet sind, deren Ausübung wesentlich zu erschweren” (BAG, a.a.O.). Die hier maßgebliche Problematik des Zusammentreffens von Personalratsrechten mit dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters war nicht Gegenstand des Urteils des Bundesarbeitsgerichts.
Auch zwei weitere vom Bundesarbeitsgericht getroffene Entscheidungen beziehen sich auf anders gelagerte Sachverhalte und Rechtsfragen, die keinen unmittelbaren Bezug zur Frage eines Widerspruchsrechts des Dienststellenleiters bei Besuchen von Personalratsmitgliedern am Arbeitsplatz haben. In einem Falle ging es um die rechtliche Stellung der Jugendvertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Hierzu hat das Gericht die Auffassung vertreten, daß die Jugendvertretung mit Zustimmung des Betriebsrats die Arbeitsplätze jugendlicher Arbeitnehmer aufsuchen dürfe, ohne einen konkreten Verdacht der Nichtbeachtung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften dartun zu müssen (Beschluß vom 21. Januar 1982 – 6 ABR 17/79 – ≪AP Nr. 1 § 70 BetrVG 1972≫). In dem anderen Fall wurde entschieden, daß Betriebsratsmitglieder bei der Abmeldung vom Arbeitsplatz weder verpflichtet sind, die Namen von Arbeitnehmern anzugeben, die sie im Betrieb aufsuchen wollen, noch daß sie verpflichtet sind, generell auf die Sprechstunde des Betriebsrats zu verweisen (Beschluß vom 23. Juni 1983 – 6 ABR 65/80 – ≪AP Nr. 45 § 37 BetrVG 1972≫).
Im Hinblick auf das Informations- und Überwachungsrecht des Personalrats und das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit sind dem Widerspruchsrecht des Dienststellenleiters allerdings Grenzen gesetzt. So darf das Einvernehmen nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Personalrat zuvor die Besorgnis einer Rechtsverletzung durch Maßnahmen des Dienstherrn darlegt (Beschluß vom 27. Februar 1985 – BVerwG 6 P 9.84 – ≪a.a.O.≫). Dies wäre nicht mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Personalrats sowie der eigenverantwortlichen Wahrnehmung seiner Aufgaben zu vereinbaren. Er ist ein dienststelleninternes Organ eigener Art, das dem Dienststellenleiter unabhängig und, soweit ein Zusammenwirken beider erforderlich ist, gleichrangig gegenübersteht (Beschluß vom 12. Juni 1984 – BVerwG 6 P 34.82 – ≪Buchholz 238.3 A § 44 BPersVG Nr. 11≫). Entgegen der Meinung des Oberverwaltungsgerichts muß der Personalrat bei der Geltendmachung des Zugangsrechts nicht im einzelnen darlegen, aus welchem Anlaß er den Besuch machen will und aus welchen Gründen er dies zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Diese Angaben benötigt der Dienststellenleiter nicht zur Ausübung seines Direktionsrechts. Durch die Offenlegung der Gründe könnte auch das Vertrauensverhältnis zwischen Personalrat und Beschäftigtem gefährdet werden, der sich in einer vertraulichen Angelegenheit an den Personalrat wendet. Der vom Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1960 – BVerwG 7 P 4.59 – (ZBR 1960, 128) betraf eine andere Streitfrage, nämlich das Recht der Personalvertretung, vom Dienstherrn aus bestimmtem Anlaß die Vorlage von Listen zu verlangen. In diesem Zusammenhang wurde vom Personalrat die Darlegung verlangt, aus welchen Gründen er die Vorlage dieser Listen zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich halte. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, da der Personalrat mit seinem Besuch keine von dem Dienststellenleiter erstellten Unterlagen herausverlangt oder bestimmte Einzelheiten und Interna der Dienststelle erfahren will. Der Personalrat muß sich aus den gleichen Gründen vom Dienststellenleiter nicht darauf verweisen lassen, die Angelegenheit könne besser in einer Sprechstunde erledigt werden. Dies zu beurteilen ist allein Aufgabe des Personalrats; das Direktionsrecht des Dienststellenleiters wird dadurch nicht berührt.
Ob eine Störung des Arbeits- und Betriebsablaufs zu besorgen ist, kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten am Arbeitsplatz entschieden werden. Generelle Festlegungen sind deshalb nicht möglich. Im Hinblick darauf, daß jedes Aufsuchen am Arbeitsplatz eine Betriebsstörung sein kann, muß diese aber, um einen Widerspruch des Dienststellenleiters rechtfertigen zu können, wesentlich und für den Arbeitgeber unzumutbar sein. Ein unstubstantiierter Widerspruch mit dem pauschalen Hinweis, dadurch könnten der Arbeitsablauf und die Ordnung in der Dienststelle gestört werden, widerspräche dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Außerdem wird der Dienststellenleiter in der Regel nur eine zeitliche Verschiebung oder Beschränkung des Besuchs erreichen können (vgl. auch Schlochauer, Arbeitsleben und Rechtspflege, Festschrift für Gerhard Müller, 1981, S. 459 ff. ≪471≫).
Die Ausübung der Rechte des Personalrates wie der des Dienststellenleiters darf schließlich nicht rechtsmißbräuchlich sein. So ist es dem Personalrat beispielsweise verwehrt, Besuche zur Unzeit, unnötig und zweckwidrig durchzuführen (Schlochauer, a.a.O.); rechtsmißbräuchlich wäre es andererseits auch, wenn der Dienststellenleiter sein Widerspruchsrecht grundlos unter Inkaufnahme eines Rechtsstreits ausüben würde, um Zeit zu gewinnen. Andererseits vermag die Tatsache, daß das Einvernehmen des Dienststellenleiters möglicherweise nur durch einen Rechtsstreit und folglich mit zeitlicher Verzögerung hergestellt werden kann, einen generellen Verzicht auf das Widerspruchsrecht des Dienststellenleiters nicht zu rechtfertigen. Der Bestand eines Rechts wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß dieses letztlich nur in einem Rechtsstreit durchgesetzt werden kann.
Diese Grundsätze, wonach das Aufsuchen von Beschäftigten am Arbeitsplatz durch den Personalrat vom Einvernehmen des Dienststellenleiters abhängt, gelten auch für Zeiten, in denen der Dienststellenleiter persönlich nicht anwesend ist, etwa während des Nachtdienstes. Er kann sich, was in der Universitätsklinik auch geschehen ist, durch den Leiter der zuständigen Fachabteilung vertreten lassen (§ 11 Satz 2 LPersVG). Außerdem werden die Fälle, in denen eine vorherige Abstimmung mit dem Dienststellenleiter nicht möglich ist, praktisch nicht vorkommen. Gespräche des Personalrats mit Beschäftigten betreffen in der Regel keine unaufschiebbaren Notfälle.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Rechte des Personalrates und des Dienststellenleiters durch den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und durch das Verbot des Rechtsmißbrauchs bestimmt und begrenzt sind. Vertrauensvolle Zusammenarbeit verlangt gegenseitiges Vertrauen und gegenseitige Offenheit (Beschluß vom 26. Februar 1960 – BVerwG 7 P 4.59 – ≪a.a.O.≫). Dies erfordert auf beiden Seiten Gesprächsbereitschaft. Der Dienststellenleiter wird aus diesen Gründen einem Besuch des Personalrates nur in den seltenen Fällen der erheblichen Störung des Betriebsablaufs oder der Beeinträchtigung anderer wichtiger Belange der Dienststelle bzw. bei offensichtlichem Rechtsmißbrauch widersprechen können etwa mit dem Ziele einer Verschiebung des Besuchstermins oder Beschränkung des Besuchs.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Ernst, Dr. Seibert, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen
Haufe-Index 1214380 |
BVerwGE, 36 |
DVBl. 1990, 1245 |