Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 18.10.2013; Aktenzeichen 10 D 4/11.NE) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin beimisst.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 – BVerwG 7 B 45.10 – juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines regelhaften Verbotstatbestandes sind erforderlich, um landesplanerische Aussagen, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, insgesamt als Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 (Abs. 1 Nr. 2) ROG, § 1 Abs. 4 BauGB qualifizieren zu können.”
Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist zu unbestimmt formuliert, weil sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist. Der Senat könnte sie daher nur in der Art eines Lehrbuches beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens. Außerdem ist die Frage nicht dem revisiblen Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) zuzuordnen. Das Oberverwaltungsgericht hat in Auslegung des Regionalplans Münsterland (im Folgenden: Regionalplan) festgestellt, dass es sich bei der Randnummer 115 des Regionalplans, wonach sich zur Verwirklichung der landesplanerisch angestrebten Schwerpunktbildung die Siedlungsentwicklung der Gemeinden grundsätzlich auf den Flächen zu vollziehen hat, die im Regionalplan als Siedlungsbereiche dargestellt sind, um ein Ziel der Raumordnung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt (UA S. 12). Den Planaussagen in den Randnummern 115 und 172 mangele es weder an der für die Annahme einer abschließenden Abwägung erforderlichen Regelungsdichte noch seien diese nicht hinreichend bestimmt. Aus diesen Regelungen ergäben sich in Verbindung mit den zeichnerischen Darstellungen des Regionalplans hinreichend bindende Vorgaben für die Bauleitplanung der Gemeinden im Sinne eines Ziels der Raumordnung (UA S. 13). An diese Auslegung des Regionalplans wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden, da der Regionalplan dem irrevisiblen Landesrecht angehört (§ 137 Abs. 1 VwGO) und damit gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO einer revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist (Urteile vom 10. November 2011 – BVerwG 4 CN 9.10 – Buchholz 406.14 § 3 ROG 1998 Nr. 4 Rn. 8, vom 20. November 2003 – BVerwG 4 CN 6.03 – BVerwGE 119, 217 ≪228≫ = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 161 = juris Rn. 38 und vom 18. September 2003 – BVerwG 4 CN 20.02 – BVerwGE 119, 54 ≪57≫ = juris Rn. 25; Beschlüsse vom 1. Juli 2005 – BVerwG 4 BN 26.05 – ZfBR 2005, 807 = juris Rn. 5 und vom 28. Dezember 2005 – BVerwG 4 BN 40.05 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 123 Rn. 11). Ob eine Planaussage bestimmt genug ist, um Zielqualität zu besitzen, ist zwar vom Bundesrecht her zu beurteilen, das auf den Zielbegriff nicht nur im Raumordnungsgesetz (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG), sondern auch in der für die Bauleitplanung bedeutsamen Vorschrift des § 1 Abs. 4 BauGB abhebt (vgl. Urteil vom 18. September 2003 a.a.O.; siehe auch Beschluss vom 31. März 2011 – BVerwG 4 BN 18.10 – BRS 78 Nr. 9 Rn. 8). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht gerügt, so ist jedoch näher darzulegen, inwieweit der bundesrechtliche Maßstab seinerseits entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 21. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 266.94 – NVwZ 1995, 601 = juris Rn. 6, vom 9. Oktober 1997 – BVerwG 6 B 42.97 – Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 8 = juris Rn. 8 m.w.N., vom 30. Juni 2003 – BVerwG 4 B 35.03 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26 = juris Rn. 4, vom 28. Dezember 2005 a.a.O., vom 14. Juni 2012 – BVerwG 4 B 22.12 – BauR 2012, 1788 = juris Rn. 2 und vom 10. Juni 2013 – BVerwG 4 B 6.13 – BauR 2013, 1671 = juris Rn. 10). Einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf die Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, § 1 Abs. 4 BauGB oder zu den Anforderungen an die Bestimmtheit hierauf bezogener Regelungen eines Regionalplans zeigt die Beschwerde aber nicht auf. In der Sache beschränkt sie sich vielmehr auf eine inhaltliche Kritik an der rechtlichen Würdigung des Oberverwaltungsgerichts. Hiermit lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage nicht begründen. Das gilt in gleicher Weise für die von der Beschwerde weiter formulierte Frage, ob es neben Zielen mit RegelAusnahme-Struktur auch Grundsätze mit Regel-Ausnahme-Struktur gibt und wie sich beide unterscheiden.
Unabhängig davon ließe sich die Frage nach der „Bestimmtheit eines regelhaften Verbotstatbestandes” auch nicht allgemeinverbindlich in einem Revisionsverfahren klären. Ob ein Ziel hinreichend bestimmt ist, hängt davon ab, welchen materiellen Gehalt es hat. Bereits aus der Formulierung muss sich ergeben, dass es sich um eine die gesetzliche Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB begründende Handlungsanweisung mit Letztentscheidungscharakter und nicht um eine Anregung oder Abwägungsdirektive handelt, die einer weiteren abwägenden Konkretisierung und Ausformung durch die untere Planungsebene zugänglich ist (Beschluss vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 20.91 – NVwZ 1993, 167 = juris Rn. 23; s.a. Urteile vom 22. Juni 2011 – BVerwG 4 CN 4.10 – BVerwGE 140, 54 = Buchholz 406.14 § 3 ROG 1998 Nr. 3 und vom 16. Dezember 2010 – BVerwG 4 C 8.10 – BVerwGE 138, 301 = Buchholz 406.14 § 3 ROG 1998 Nr. 2 = juris Rn. 10, 13 f.). Es kommt damit maßgeblich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an.
Auch die weitere Frage, ob
„landesplanerische Ziele verhältnismäßig und mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 GG vereinbar (sind), wenn sie die Baulandausweisung zur Eigenentwicklung von Ortsteilen bis 2 000 Einwohnern nur zu Gunsten von bereits im Ortsteil wohnenden Personen („Ansässigen”) zulassen, nicht aber z.B. für die am Ort Berufstätigen oder für ehemals Ortsansässige, die nach Ausbildung/Studium/Arbeitsplatzwechsel oder zur Unterstützung ihrer Eltern an den Ort zurückkehren wollen?”,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sofern sie sich überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lässt, betrifft sie die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Regionalplans, mithin irrevisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO; vgl. oben). Vorstehende Frage wird nicht deshalb zu einer solchen des revisiblen Rechts, weil die Beschwerde insofern auf Art. 28 Abs. 1 GG abhebt, denn der Beschwerde kann nicht entnommen werden, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte bundesrechtliche Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; vgl. oben).
Überdies ist in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt (vgl. Urteil vom 15. Mai 2003 – BVerwG 4 CN 9.01 – BVerwGE 118, 181 ≪184 f.≫ = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 133 = juris Rn. 13 ff.; Beschlüsse vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 20.91 – BVerwGE 90, 329 ≪335≫ = juris Rn. 19, vom 7. Februar 2005 – BVerwG 4 BN 1.05 – NVwZ 2005, 584 = juris Rn. 9 und vom 8. März 2006 – BVerwG 4 B 75.05 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 124 Rn. 16), dass Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung nicht prinzipiell entgegen steht. Das Grundgesetz gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze. Die Gemeinde ist landesplanerischen Zielvorgaben jedoch nicht einschränkungslos ausgesetzt. Sie ist, soweit für sie Anpassungspflichten begründet werden, in den überörtlichen Planungsprozess einzubeziehen. Auch materiellrechtlich setzt die kommunale Planungshoheit der Raumordnung Grenzen. Schränkt die Landes- oder Regionalplanung die Planungshoheit einzelner Gemeinden ein, so müssen überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen; der Eingriff in die Planungshoheit muss gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein (vgl. Urteil vom 15. Mai 2003 a.a.O.). Einen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Decker
Fundstellen
Haufe-Index 6718675 |
ZfBR 2014, 479 |