Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 06.07.2004; Aktenzeichen 7 K 1711/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 6. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger beanspruchen die Feststellung ihrer Berechtigung nach § 16 Abs. 1 InVorG für ein Grundstück, das im Jahr 1968 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Anspruch genommen worden war. Die Beklagte lehnte den Rückübertragungsantrag ab und stellte die Entschädigungsberechtigung der aus den Klägern zu 1 bis 6 bestehenden Erbengemeinschaft hinsichtlich der von den DDR-Stellen registrierten Entschädigungsforderung fest. Das Verwaltungsgericht hatte die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage zunächst mit der Begründung abgewiesen, das Grundstück sei nicht von einer Schädigungsmaßnahme betroffen gewesen. Nachdem dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen worden war (Beschluss vom 7. Oktober 2003 – BVerwG 7 B 68.03 –), wies das Verwaltungsgericht die Klage erneut ab, weil vermögensrechtliche Schädigungstatbestände nicht erfüllt seien. Mit der Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Weder beruht das angefochtene Urteil auf den gerügten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), noch kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dadurch verletzt, dass es – wie die Kläger meinen – wesentliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hätte. Soweit dieser Vorwurf im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG erhoben wird, geht er ersichtlich fehl. Das Verwaltungsgericht befasst sich auf Seite 9 seines Urteils ausdrücklich mit den Einwänden der Kläger, es tritt ihnen lediglich nicht bei. Im Übrigen betrifft die gesamte dortige Erörterung im Zusammenhang mit der Bedeutung der in mehreren “Schnellheftern” angeführten weiteren Grundstücke eine für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerhebliche Hilfserwägung (“selbst wenn”), auf der das angefochtene Urteil nicht beruht. Denn das Verwaltungsgericht hat maßgeblich auf die Verhältnisse des “konkret betroffenen Grundstücks … P.… straße 9 – 11” abgestellt und deshalb die “Entschädigungsbeträge der übrigen im Aufbaugebiet belegenen Grundstücke P.… straße 13 und 15 sowie Q.… straße 9 und 11” für unerheblich gehalten (vgl. UA S. 8).
b) Soweit mit der Beschwerde der gleiche Vorwurf gegen die Begründung für die Ablehnung einer unlauteren Machenschaft gemäß § 1 Abs. 3 VermG erhoben wird, ergibt sich auch insoweit aus den Ausführungen auf Seite 11 des angefochtenen Urteils, dass das Verwaltungsgericht sich mit den Einwänden der Kläger zur unzulässigen “Vorratsplanung”, zur Einschätzung der Bebauungsplanung als bloßen Vorwand und zur Bedeutung des Schreibens von Rechtsanwalt Dr. N.… vom 27. Februar 1967 auseinander gesetzt, sie aber in der Sache nicht für richtig gehalten hat. Das gilt auch für den Einwand verfassungs- und völkerrechtswidrigen Handelns durch die DDR-Behörden, wie die Erwähnung dieses Arguments der Kläger auf Seite 6 des angefochtenen Urteils zeigt. Mehr verlangt das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht. Soweit nicht jedes rechtliche Argument der Kläger in dem Urteil im Einzelnen abgehandelt wird, lässt dies angesichts dessen nicht den Schluss zu, das Gericht habe das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen.
c) Der eher beiläufige Hinweis, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei von “sachfremden Erwägungen” getragen, bezeichnet keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO. Eine Verfahrensrüge hätte dieses Vorbringen nur dann zum Gegenstand, wenn Denkfehler o.ä. mit Blick auf die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse geltend gemacht würden. Das ist nicht der Fall. Vielmehr soll damit – wie sich aus dem Zusammenhang ergibt – ersichtlich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründet werden. Ein derartiges Vorbringen ist nicht geeignet, die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zu begründen.
2. Der von den Klägern aufgeworfenen Frage,
ob im Rahmen des § 1 Abs. 3 VermG ein Verstoß gegen Völkerrecht zu beachten ist,
kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
a) Die Beschwerde stellt mit dieser Frage zunächst auf die Qualifizierung der Rechtswidrigkeit der DDR-Maßnahme – also auf deren Völkerrechtswidrigkeit – ab. Nach ständiger Rechtsprechung ist die bloße Rechtswidrigkeit einer Maßnahme – unabhängig von der Art der Rechtsnorm, gegen die sie verstößt – für sich allein noch nicht geeignet, die Handlung als unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG zu qualifizieren. Vielmehr ist die auch nach DDR-Recht bestehende Rechtsfehlerhaftigkeit der Entziehungsmaßnahme eine Tatbestandsvoraussetzung für eine Schädigung nach § 1 Abs. 3 VermG (vgl. Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108 S. 324 ≪328≫). Voraussetzung für einen auf § 1 Abs. 3 VermG gestützten Rückübertragungsanspruch ist aber darüber hinaus, dass die als unlautere Machenschaft zu bewertende Maßnahme zielgerichtet den Verlust des zu restituierenden Vermögenswertes bezweckt hat (Urteil vom 27. Juli 1995 – BVerwG 7 C 12.94 – BVerwGE 99, 82 ≪84 f.≫). Das gilt auch bei der angeblichen Verletzung von Vorschriften über das Enteignungsverfahren (Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – a.a.O., S. 326). Einen solchen zielgerichteten Eigentumszugriff hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Nach Aktenlage kann davon auch nicht ausgegangen werden; auch die Beschwerde macht das nicht geltend. Der aufgeworfenen Frage fehlt somit unter diesem Blickwinkel sowohl die Klärungsbedürftigkeit als auch die Klärungserwartung.
b) Soweit die Beschwerde mit ihrer Fragestellung auf die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens der Bundesrepublik Deutschland abstellt, wirft sie ebenfalls keine grundsätzlich bedeutsame Frage auf. Sie wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die im Rahmen der Erörterung des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG erfolgte Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Bundesrepublik sei für die etwaige Vorenthaltung einer festgesetzten, aber tatsächlich nicht ausgezahlten Entschädigung durch DDR-Behörden nicht in Form einer Verpflichtung zur Rückübertragung des Grundstücks “haftbar” (UA S. 6). Diese Auffassung entspricht jedoch – wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt hat – der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach muss die Bundesrepublik Deutschland auch mit Blick auf das Völkerrecht für eine nach DDR-Recht rechtswidrige Vorenthaltung einer festgesetzten Entschädigung nur durch Nachzahlung der ausstehenden Entschädigungsforderung, nicht aber durch Rückgängigmachung der Enteignung einstehen (vgl. Beschluss vom 1. Juli 1999 – BVerwG 7 B 2.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 5 S. 16 und Beschluss vom 24. Februar 1998 – BVerwG 7 B 42.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 139 S. 420; s. jetzt § 1 des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes vom 10. Dezember 2003 ≪BGBl I S. 2471, 2473≫). Die Beschwerde trägt nichts vor, was zu einer erneuten Vertiefung dieser Frage im Rahmen eines Revisionsverfahrens Anlass geben könnte.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 4 sowie § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen