Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 24.07.2007; Aktenzeichen 6 UE 3108/05.A) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde, mit der ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rüge, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei hinsichtlich des auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Verpflichtungsausspruchs nicht i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen versehen, greift nicht durch. Es trifft allerdings zu, dass die Berufungsentscheidung keine Ausführungen zu dem Regelausschlussgrund für selbstgeschaffene Nachfluchtgründe bei Asylfolgeanträgen gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG (i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950, in Kraft seit 1. Januar 2005) enthält. Daraus folgt indes noch nicht, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt.
a) Für Beschlüsse – dazu zählen auch urteilsvertretende Beschlüsse nach § 130a VwGO – gilt § 122 VwGO. Demzufolge ist § 117 VwGO, der den notwendigen Inhalt des Urteils beschreibt und hierbei in Abs. 2 Nr. 4 und 5 den Tatbestand und die Entscheidungsgründe erwähnt, auf Beschlüsse nicht ausdrücklich anwendbar. Gleichwohl ist anerkannt, dass auch Beschlüsse – über die Vorschrift des § 122 Abs. 1 VwGO hinaus – den jeweils durch ihre Funktion bedingten inhaltlichen Anforderungen zu entsprechen haben. Insbesondere müssen Beschlüsse, durch die über eine Berufung entschieden wird, erkennen lassen, welche Überlegungen für die richterliche Überzeugungsbildung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht maßgeblich gewesen sind (Beschluss vom 17. Februar 1998 – BVerwG 1 B 252.97 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 21 m.w.N.). Zum einen sollen die Beteiligten über die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen unterrichtet werden und zum anderen soll dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht ermöglicht werden.
Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund – und damit zugleich ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO – vor, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr zu erfüllen vermögen. Das ist nach der Rechtsprechung allerdings nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. Beschluss vom 3. April 1990 – BVerwG 9 CB 5.90 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 31). Der “grobe Formmangel” (vgl. Beschluss vom 13. Juni 1988 – BVerwG 4 C 4.86 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 80) liegt m.a.W. immer dann vor, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. etwa Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 117 Rn. 22).
Demgegenüber greift § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (Beschluss vom 5. Juni 1998 – BVerwG 9 B 412.98 – NJW 1998, 3290 = Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32). Die Lückenhaftigkeit der von dem Gericht schriftlich niedergelegten Gründe kann allerdings dann anders zu beurteilen sein, wenn die Entscheidung auf “einzelne Ansprüche” oder “einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel” überhaupt nicht eingeht (vgl. BGHZ 39, 333 ≪337≫). Auch das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder selbständige Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, jedoch nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (Beschluss vom 5. Juni 1998 – BVerwG 9 B 412.98 – a.a.O.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Die Beschwerde wendet sich im Kern nur dagegen, dass die Begründung des Berufungsgerichts zu dem Anspruch des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG inhaltlich unvollständig ist, weil sie sich mit dem Regelausschlussgrund des § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht auseinandersetzt. Sie rügt damit letztlich die möglicherweise sachliche Fehlerhaftigkeit der ergangenen Entscheidung, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift nicht oder jedenfalls nicht erkennbar in die Prüfung einbezogen worden sei. Damit ließe sich der behauptete Verfahrensmangel – oder ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs allgemein – allenfalls dann begründen, wenn der Beschwerdeführer im gerichtlichen Verfahren hierzu erhebliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel (vgl. § 146 ZPO) geltend gemacht hätte, welche das Berufungsgericht zu einer Auseinandersetzung hiermit gezwungen hätten. Das ist indessen weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
2. Mit dem Vorbringen, es sei unklar, was mit dem Regel-Ausnahmeverhältnis in § 28 Abs. 2 AsylVfG gemeint sei, bezeichnet die Beschwerde keine in dem hier angestrebten Revisionsverfahren grundsätzlich klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung der Vorschrift, die das Berufungsgericht seinerseits nicht in den Blick genommen hat. Das Berufungsgericht hat zu den von der Beschwerdebegründung angeführten möglichen Maßstäben zur Abgrenzung von Regel- und Ausnahmefall keine Feststellungen getroffen. Eine Rechtsfrage entzieht sich jedoch der Klärung in dem wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache angestrebten Revisionsverfahren, wenn sie sich erst aufgrund einer weiteren Sachaufklärung nach einer etwaigen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht stellen könnte (Beschlüsse vom 5. September 1996 – BVerwG 9 B 387.96 und 6. Juni 2006 – BVerwG 6 B 27.06 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 12 und 35).
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Dr. Mallmann, Richter, Prof. Dr. Kraft
Fundstellen