Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 28.02.2020; Aktenzeichen 14 PS 8/19) |
VG Braunschweig (Beschluss vom 08.10.2019; Aktenzeichen 5 A 104/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2020 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 30. April 2018 ist auch teilweise rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 21 der Verwaltungsakte bezieht.
Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I
Rz. 1
In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger Auskunft über die beim... zu seiner Person gespeicherten Daten.
Rz. 2
Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten im Februar 2018 aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom 30. April 2018 verweigert. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren auf Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Ob der Beklagte die begehrte Auskunft zu Recht verweigert habe, lasse sich nur in Kenntnis des Akteninhalts beurteilen. Aufgrund der Sperrerklärung und wegen des Antrages des Klägers seien die Hauptsacheakten dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung vorzulegen, ob die Verweigerung der Vorlage rechtmäßig sei.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 28. Februar 2020 hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig sei, soweit sie sich auf Blatt 14 der Verwaltungsakte bezieht. Im Übrigen sei sie rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Rz. 4
Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Blatt 21 der Verwaltungsakte bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
Rz. 5
1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch das Verwaltungsgericht - zulässigen Antrag des Klägers das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 30. April 2018 differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft.
Rz. 6
a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.
Rz. 7
Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen der Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 14).
Rz. 8
b) Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, Blatt 21 der Verwaltungsakte ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für dieses Blatt ist nämlich nicht ersichtlich, dass Weigerungsgründe ihre ungeschwärzte Vorlage ausschließen. Dass ein Satz aus dem Entwurf des Auskunftsbescheids vom 22. Januar 2018 gestrichen wurde, ergibt sich aus dem Vergleich des Entwurfs und des Bescheids und es ist auch in der Sperrerklärung selbst angeführt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Kenntnis des Inhalts des in Rede stehenden Satzes der Geheimhaltung bedürftige Informationen über die Arbeitsweise des Beklagten betrifft.
Rz. 9
Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Weitere Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 18 und vom 29. November 2016 - 20 F 10.16 - juris Rn. 12).
Rz. 10
c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die einzelnen Aktenstücke abgewogen, dabei die Möglichkeit von Teilschwärzungen geprüft und so eine Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.
Rz. 11
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsteller obsiegt nur in geringem Umfang, weil über die vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts bereits als rechtswidrig erkannten Schwärzungen hinaus nur die Schwärzung eines weiteren Satzes nicht durch Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt ist.
Fundstellen
RDV 2021, 47 |
ZD 2020, 659 |