Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen 11 B 7.05) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
1.1 Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die Stadt Lychen, die Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg sowie das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg nicht zum Verfahren beigeladen habe, obwohl die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) erfüllt seien. Die Rüge muss erfolglos bleiben, da sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Da ein Revisionsverfahren nur eröffnet werden kann, wenn der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel für die Entscheidung in der Hauptsache erheblich ist, muss die Entscheidungserheblichkeit in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision daher nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. In der Beschwerdebegründung ist darzulegen, dass das Gericht ohne den geltend gemachten Rechtsverstoß zu einem dem Rechtsmittelführer sachlich günstigeren Ergebnis hätte gelangen können.
Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie beschränkt sich auf Ausführungen, die belegen sollen, dass die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung der Stadt Lychen und der genannten Behörden erfüllt sind. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Beschwer der Beigeladenen aufzuzeigen. Das Institut der Beiladung soll gewährleisten, dass betroffene Dritte ihre Rechte im Verfahren wahren können. Die Beiladung Dritter bezweckt nicht etwa, Rechtspositionen eines bereits am Rechtsstreit Beteiligten zu stärken (vgl. auch Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 CN 4.01 – BVerwGE 116, 296, 306 f.). Im Übrigen sieht der beschließende Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt Lychen und die genannten Behörden in dem Rechtsstreit, der die Wirksamkeit einer vom zuständigen Landrat erteilten naturschutzrechtlichen Befreiung betrifft, notwendig beizuladen waren.
1.2 Die Beschwerde macht ferner Verstöße gegen die richterliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und gegen die Grundsätze der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend.
Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die dem Befreiungsbescheid vom 7. November 2000 beigegebene Nebenbestimmung Nr. 7 entgegen ihrer Bezeichnung als “Befristung” als auflösende Bedingung angesehen hat. Nach Ansicht der Beigeladenen ist diese Interpretation rechtsfehlerhaft und für sie nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung überraschend. Das Berufungsgericht hätte Beweis darüber erheben müssen, in welchem Sinn der beklagte Landrat und das zuständige Landesministerium die Nebenbestimmung Nr. 7 tatsächlich verstanden hätten.
Die Rüge geht ins Leere. Mit Angriffen gegen die tatrichterliche Sachverhalts-würdigung kann ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung – wenn sie denn vorlägen, wofür hier nichts ersichtlich ist – sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = DVBl 1996, 108). Die Beschwerde legt keine Besonderheiten dar, die es rechtfertigen könnten, hier von diesem Grundsatz abzuweichen.
Der in der Beschwerde anklingende Vorwurf, das Berufungsurteil stelle sich hinsichtlich der Auslegung der Nebenbestimmung Nr. 7 als unzulässiges Überraschungsurteil dar, ist zurückzuweisen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs begründet nach unbestrittener Auffassung keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188, 190). Es kann zwar in besonderen Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsansicht oder einen Aufklärungsbedarf hinzuweisen. Das gilt vor allem dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
Die Beschwerde wendet sich ferner gegen den Standpunkt des Berufungsgerichts, die Beigeladene habe bis zum Erlass des angegriffenen Urteils mit dem Bauvorhaben nicht begonnen. Die dafür u.a. erforderliche wasserrechtliche Genehmigung sei bisher nicht erteilt worden. Ausweislich der Erklärungen des Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung sei diese Genehmigung bislang noch nicht einmal beantragt worden. Die Beschwerde macht dazu geltend, dass die Beigeladene immer mit der Maßnahme habe beginnen wollen und sich um die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen – erfolglos – bemüht habe. Mit dem Bau der Steganlage und den Genehmigungsmaßnahmen sei “tatsächlich bereits im Jahre 1992, bzw. 1967 begonnen und dann nach 1990 kontinuierlich fortgefahren” worden. Dies wird mit Angaben zur Errichtung und Genehmigung des “Altbestandes” der Steganlage näher ausgeführt. Die Beigeladene rügt, das Berufungsgericht habe den nach der Aktenlage tatsächlichen Ablauf verkannt. Auch “die Teilbeantragung zur Absicherung des Altbestandes” erfülle das Erfordernis eines “Beginns” der Maßnahme.
Das Beschwerdevorbringen lässt weder einen Aufklärungsmangel noch eine Verletzung der Grundsätze richterlicher Überzeugungsbildung erkennen. In der Sache wendet sie sich dagegen, dass das Berufungsgericht zwischen der nachträglichen Legalisierung des bereits vorhandenen Zustandes durch die wasserrechtliche Genehmigung vom 9. August 2004 betreffend 74 Liegeplätze und dem Vorhaben der Errichtung einer 128 Liegeplätze umfassenden Schwimmsteganlage sowie einer Wassertankstelle, die Gegenstand der umstrittenen Befreiung sind, unterscheidet. Die Beschwerde kritisiert diesen rechtlichen Ausgangspunkt, indem sie ihre Sicht der Dinge darlegt, zeigt aber nicht auf, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsansicht Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte sehen müssen und bei der Würdigung des von ihm festgestellten und für entscheidungserheblich angesehenen Sachverhalts Grundsätze richterlicher Sachverhaltswürdigung verletzt hat. Der unsubstantiierte Vorwurf der Aktenwidrigkeit der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen enthält der Sache nach eine Kritik der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.
2. Soweit die Beschwerde den Vorwurf einer Abweichung des Berufungsurteils von der “ständigen Rechtsprechung” im Baurecht rügt, ist eine Divergenzrüge im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben revisiblen Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Eine solche Divergenz legt die Beschwerde nicht dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen