Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzinteresse, Wegfall des – bei Beendigung des Dienstverhältnisses eines Angestellten, bei dessen Einstellung das Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt worden sein soll

 

Leitsatz (amtlich)

Das Rechtsschutzinteresse für die von der Personalvertretung beantragte Feststelluung der Zulässigkeit und Beachtlichkeit der Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung eines Angestellten wegen Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG entfällt mit der Beendigung des Dienstverhältnisses.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; BPersVG § 77 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 10.05.1988; Aktenzeichen CB 1/86)

VG Köln (Entscheidung vom 19.12.1985; Aktenzeichen PVB 22/85)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 10. Mai 1988 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Schreiben vom 18. Januar 1985 teilte der Bundesminister der Finanzen, der Beteiligte, dem bei ihm gebildeten Hauptpersonalrat, dem Antragsteller, mit, daß von 75 Bewerbern um zwei Referentenstellen beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Berlin vier Bewerber in die engere Auswahl einbezogen worden seien. Die Bewerber Klaus-Michael B. und Uwe T. würden zur Einstellung vorgeschlagen. Es werde um Zustimmung hierzu und zur Eingruppierung nach Vergütungsgruppe III BAT gebeten. Nach Besprechungen am 7. und 13. Februar 1985 verweigerte der Antragsteller mit Schreiben vom 7. März 1985 die Zustimmung zur Einstellung des Bewerbers B. mit der Begründung, der Mitbewerber H. sei wesentlich besser qualifiziert; die Einstellung des Bewerbers Dipl.-Kaufmann B. verstoße daher gegen Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 BBG. Der Beteiligte teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. April 1985 mit, die angeführten Gründe gegen die Einstellung des Bewerbers B. fielen nicht unter die in § 77 Abs. 2 BPersVG normierten Verweigerungsgründe. Das Bundesaufsichtsamt sei deshalb ermächtigt, Herrn B. als Angestellten einzustellen.

Daraufhin hat der Antragsteller das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet; er hat geltend gemacht, nach dem vorgetragenen Sachverhalt habe sich der Beteiligte bei der Ausübung des ihm zustehenden Auswahlermessens nicht an die Grenzen des Art. 33 Abs. 2 GG gehalten. Er hat beantragt festzustellen, daß der Beteiligte bei der Einstellung des Angestellten Klaus-Michael B. sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe.

Der Beteiligte hat die Ablehnung des Antrages beantragt und geltend gemacht, die Zustimmungsverweigerung vom 7. März 1985 sei unbeachtlich, weil die damit vorgetragenen Gründe das Vorliegen eines Verweigerungsgrundes im Sinne des § 77 Abs. 2 BPersVG nicht als möglich erscheinen ließen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag am 19. Dezember 1985 mit der Begründung abgelehnt, der Beteiligte habe bei der Einstellung des Angestellten B. das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht verletzt. Der Antragsteller habe die Frist von 14 Arbeitstagen (§ 82 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG a.F.), innerhalb derer er die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich habe verweigern können, versäumt; er habe die Zustimmungsverweigerung vom 7. März 1985 um einen Monat zu spät erklärt.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht am 10. Mai 1988 zurückgewiesen. Es hat sich der Auffassung des Verwaltungsgerichts angeschlossen.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er eine unzutreffende Anwendung der §§ 69 Abs. 2 Sätze 3 und 5, 82 Abs. 2 Satz 2 BPersVG rügt. Er macht im wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sei die zwischen ihm und dem Beteiligten getroffene Vereinbarung, wonach die Fiktion der Zustimmung bei Überschreiten der Frist des § 69 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 82 Abs. 2 Satz 2 BPersVG nicht eintreten solle, wirksam. Er erwartet für den Bereich des Personalvertretungsrechts eine „den praktischen Erfordernissen in gleicher Weise wie dem Grundgedanken des Personalvertretungsgesetzes” entsprechende Entscheidung.

Der Antragsteller beantragt, die Beschlüsse des Fachsenats vom 10. Mai 1988 und der Fachkammer vom 19. Dezember 1985 aufzuheben und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er macht geltend, er sei mit dem Antragsteller der Ansicht, daß die Vereinbarung, wonach die Fiktion der Zustimmung bei Überschreiten der genannten Frist nicht eintreten sollte, rechtswirksam und praxisgerecht sei. Die Rechtsbeschwerde sei jedoch deshalb zurückzuweisen, weil die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers in der Sache unbeachtlich gewesen sei.

Eine Rückfrage des Gerichts hat ergeben, daß der Angestellte B., bei dessen Einstellung nach der Auffassung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrecht verletzt worden sein soll, zum 31. Januar 1989 bei dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ausgeschieden ist. Der Antragsteller und der Beteiligte haben jedoch geltend gemacht, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag sei weiterhin gegeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das für die vom Antragsteller begehrte Feststellung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist fortgefallen. Der Antrag ist dadurch unzulässig geworden.

Da der Angestellte, bei dessen Einstellung der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt haben soll, zum 31. Januar 1989 und damit während des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus dem Dienst bei dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ausgeschieden ist, ist der Vorgang, der zur Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Verfahrens mit dem Ziel der Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung des Angestellten geführt hat, damit abgeschlossen. Im Falle von Auseinandersetzungen zwischen Personalrat und Dienststelle über die beiderseitigen Rechte und Pflichten bedürfen aber beide Seiten nur dann und so lange des gerichtlichen Schutzes, als die begehrte Entscheidung noch rechtliche Auswirkungen haben kann. Das ist dann der Fall, wenn der tatsächliche Vorgang, der den Streit ausgelöst hat, zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgeschlossen ist. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesarbeitsgerichts dem Antragsteller nach Abschluß des auslösenden Vorganges ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Klärung der aufgetretenen personalvertretungsrechtlichen Streitfrage auch dann zuzubilligen, wenn sich der Vorgang erfahrungsgemäß wiederholen wird oder wenn (in anderem Zusammenhang) tatsächliche Vorgänge mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, in denen sich die gleiche Rechtsfrage wiederum stellen wird (vgl. Beschluß vom 12. Februar 1986 – BVerwG 6 P 25.84 – ≪Buchholz 238.3 A § 83 BPersVG Nr. 31≫; BAG, Beschluß vom 29. Juli 1982 – 6 ABR 51/79 – ≪AP § 83 ArbGG 1979 Nr. 5≫). In letzterem Falle muß allerdings nach der neueren Rechtsprechung des Senats der Antrag entsprechend modifiziert worden sein (vgl. Beschluß vom 5. Oktober 1989 – BVerwG 6 P 2.88 – ≪Buchholz 250 § 19 BPersVG Nr. 5≫). Dagegen fehlt es an dem in jedem Abschnitt des gerichtlichen Beschlußverfahrens – also auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz – erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn der Vorgang, der das Verfahren ausgelöst hat, abgeschlossen ist und nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich ein gleichartiger Vorgang wiederholen wird oder daß sich die streitig gewesene Rechtsfrage den Verfahrensbeteiligten in anderem Zusammenhang in gleicher Weise erneut stellen wird. Unter diesen Voraussetzungen würde eine gleichwohl ergehende gerichtliche Entscheidung weder die ursprüngliche personalvertretungsrechtliche Auseinandersetzung beenden, noch würde sie ein über diese Auseinandersetzung hinausgehendes, konkretes Bedürfnis nach Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter personalvertretungsrechtlicher Befugnisse befriedigen. Eine solche Entscheidung hätte nur noch die Bedeutung einer gutachtlichen Äußerung zu der anfänglich aus einem konkreten Vorgang erwachsenen, mit dessen Beendigung aber „abstrakt” gewordenen Rechtsfrage, zu deren Abgabe die Gerichte nicht berufen sind.

Hiervon ausgehend kann im vorliegenden Fall eine Sachentscheidung zu der Frage, ob der Beteiligte bei der Einstellung des Angestellten B. das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat, nicht mehr ergehen. Der Antragsteller hat diese Feststellung nämlich im wesentlichen mit der Begründung begehrt, der Angestellte B. sei anderen, besser qualifizierten Bewerbern gegenüber unter Verletzung des dem Beteiligten zustehenden Auswahlermessens und unter Verstoß der ihm durch Art. 33 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen im Auswahlverfahren und bei der Einstellung aufgrund persönlicher Beziehungen als Sohn der früheren Präsidentin des Bundesaufsichtsamts bevorzugt worden. Ob die dafür vorgetragenen Anhaltspunkte zutreffend sind und ob sich daraus im Sinne des § 77 Abs. 2 BPersVG ein Recht des Personalrats ergeben hat, seine Zustimmung zu der vom Beteiligten beabsichtigten Einstellung dieses Bewerbers zu verweigern, bedarf angesichts der besonderen Umstände dieses Falles keiner über den abgeschlossenen Einzelfall hinausgehenden Klärung. Wegen dieser Umstände, die nach der Meinung des Antragstellers Anlaß für die Beschäftigung des Angestellten B. gegeben haben, ist nicht zu erwarten, daß für die Verfahrensbeteiligten die sachliche Problematik einer Zustimmungsverweigerung wegen einer angeblich beabsichtigten Bevorzugung aufgrund naher Verwandtschaft zu einem (früheren) Präsidenten des Amtes nochmals auftreten wird, dies auch nicht in anderem Zusammenhang. Zu den begrenzten Möglichkeiten der Mitbestimmung des Personalrats bei Auswahlentscheidungen in Personalangelegenheiten hat der Senat im übrigen mehrfach grundsätzlich Stellung genommen; er hat dabei darauf hingewiesen, daß die Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme unbeachtlich ist, wenn nach der dafür gegebenen Begründung die in § 77 Abs. 2 BPersVG enumerativ aufgeführten Verweigerungsgründe von vornherein nicht gegeben sind; das ist insbesondere der Fall, wenn der Personalrat die von der Dienststelle getroffene Auswahlentscheidung mit der Begründung angreift, der berücksichtigte Bewerber sei für die vorgesehene Tätigkeit weniger geeignet als andere Bewerber (vgl. insbesondere Beschluß vom 27. März 1990 – BVerwG 6 P 34.87 – ≪Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 10 = NVwZ 1990, 974≫ mit weiteren Nachweisen). Für eine weiterführende Klärung dieser im vorliegenden Fall nur theoretischen Rechtsfrage hat der Antragsteller kein rechtlich geschütztes Interesse.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Dr. Eckstein, Ernst, Dr. Seibert, Albers, Dr. Vogelgesang

 

Fundstellen

ZBR 1991, 151

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