Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 10.09.2008; Aktenzeichen 29 A 314.07) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. September 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.
Soweit die Beschwerde rügt, dass das Verwaltungsgericht den Restitutionsgrund des § 1 Abs. 3 VermG nicht entsprechend der gesetzlichen Vorschrift auslegt und angewendet habe, handelt es sich um eine allgemeine Urteilskritik, die nicht dem Begründungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
1. Die Zulassung der Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geboten (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Beschwerde meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Reichweite des § 1 Abs. 3 VermG fraglich sei. Die Frage, ob über eine Generalklausel in der Gewerbeverordnung 1972 die sonstige Rechtsordnung der DDR bis hin zur Verfassung “ausgehebelt” werden könne, bedürfe einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Rechtssache habe aber auch grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Kausalität zwischen der Drohung und der Erbausschlagung. Das Verwaltungsgericht habe den Klägern die in derartigen Konstellationen gewährten Beweiserleichterungen versagt.
Der Vortrag zeigt schon keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht auf, sondern bleibt in Fragen bezogen auf den Einzelfall verhaftet.
Unabhängig davon wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu klären, ob über eine Generalklausel in der Gewerbeverordnung von 1972 die sonstige Rechtsordnung der DDR bis hin zur Verfassung “ausgehebelt” werden könne. Die Beschwerde stellt insoweit keine, gerade auf die Auslegung und Anwendung einer bestimmten Norm des revisiblen Rechts gerichtete Rechtsfrage. Die Auslegung und Anwendung von DDR-Recht ist nicht revisibel (§ 137 Abs. 1 VwGO).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist überdies auch der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 VermG im Zusammenhang mit einer Erbausschlagung geklärt. Danach kann auch eine durch unlautere Machenschaften erwirkte Erbausschlagung vermögensrechtliche Ansprüche begründen (Urteil vom 31. Juli 2002 – BVerwG 8 C 32.01 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 68). Hierauf hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Ebenso geklärt ist die Frage, wann die Grundsätze des Anscheinbeweises anwendbar sind.
Was die Frage der Beweislast anbelangt, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass auch im Vermögensrecht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, grundsätzlich zu ihren Lasten geht. Dies gilt auch bei der Anwendung des § 1 VermG (Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – BVerwGE 95, 289 ≪294≫ m.w.N.). Zwar ist in bestimmten typischen Sachverhaltskonstellationen – etwa der Grundstücksveräußerung im Zusammenhang mit einem Ausreisebegehren – der Beweisnot der Geschädigten durch die Anerkennung eines Anscheinsbeweises Rechnung zu tragen mit der Folge, dass zu Gunsten der Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen eine unlautere Machenschaft und die Kausalität zwischen dieser und der Veräußerung widerlegbar vermutet wird. Über derartige, auf Erfahrungstatsachen beruhende und deshalb die “Beweiserleichterung” rechtfertigende typische Sachverhalte hinaus, ist eine generelle Umkehr der materiellen Beweislast im Rahmen des § 1 Abs. 3 VermG aber nicht gerechtfertigt (Urteil vom 26. September 1996 – BVerwG 7 C 14.95 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 88; Beschlüsse vom 18. November 1999 – BVerwG 7 B 136.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 8 und vom 12. November 2002 – BVerwG 8 B 158.02 – juris). Erfahrungstatsachen, aus denen sich im vorliegenden Fall ein typischer Geschehensablauf und damit eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität zwischen der behaupteten Ordnung und der Erbausschlagung herleiten ließe, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht ist nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 16.97 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 131), vom 23. Oktober 2007 – BVerwG 8 C 2.07 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 50) und vom 25. Juni 2008 – BVerwG 8 C 12.07 – (ZOV 2008, 216) abgewichen. Die Beschwerde versäumt es schon, einander widersprechende Rechtssätze aus den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts unter Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten. Außerdem hat das Verwaltungsgericht bereits eine Nötigung gegenüber den Klägern und deren Vater verneint. Die Frage der Ursächlichkeit dieser Drohung bezüglich der Erbausschlagung durch die Kläger stellt sich damit nicht entscheidungserheblich.
Sämtliche Divergenzrügen beziehen sich auf die Kausalität zwischen der behaupteten Drohung und der Erbausschlagung. Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 3 VermG jedoch auf zwei selbstständig tragende Begründungen gestützt. Zum einen hat es seine Entscheidung damit begründet, dass – gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorstellungen und den sie tragenden ideologischen Grundsätzen – die Drohung mit den gewerberechtlichen Konsequenzen nicht willkürlich gewesen sei, wie dies § 1 Abs. 3 VermG voraussetze. Zum anderen hat es als weitere selbstständig tragende Begründung darauf abgestellt, dass die Erbausschlagung nicht ursächlich auf die behauptete Drohung mit dem Entzug der Gewerbeerlaubnis zurückzuführen gewesen sei. Wird eine Entscheidung auf zwei selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Beschwerde grundsätzlich nur begründet sein, wenn gegen beide tragenden Begründungsalternativen ein durchgreifender Zulassungsgrund besteht (stRspr; z.B. Beschluss vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 206.96 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 35 S. 16). Daran fehlt es. Die Grundsatzrüge gegen die erste Begründungsalternative greift ebenso wenig durch wie die erhobene Verfahrensrüge (vgl. dazu unter 3.). Auf die Divergenzrügen kommt es deshalb nicht an, weil sie allein auf die zweite Begründungsalternative zielen.
3. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat keinen Erfolg.
Der Beschwerde zufolge soll das Verwaltungsgericht gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen haben, weil es die angebotenen Beweise zu den Gesprächen zwischen Herrn A… und dem Liegenschaftsdienst des Magistrats von Groß B… nicht erhoben und die Akten des Liegenschaftsdienstes des Magistrats nicht beigezogen habe. Außerdem habe das Verwaltungsgericht es unterlassen, die Leiterin des Staatlichen Notariats und den damaligen Notar zur Meldepflicht zu vernehmen, die für den Fall bestanden habe, dass Grundstückseigentümer erbrechtliche Verfügungen zu Gunsten von Mitgliedern der Familie A… getroffen haben. Das Verwaltungsgericht habe den Vortrag der Kläger ignoriert, weil es keinen Zusammenhang mit der Drohung im Jahre 1975 und der 1984 erfolgten Erbausschlagung gesehen habe. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht aufgeklärt, ob Herr A… und die Kläger nach 1975 nur noch diejenigen Erbschaften ausgeschlagen hätten, die für sie wegen Überschuldung unattraktiv gewesen seien. Stattdessen habe es diese substanzlose Verdächtigung als Grundlage seiner Annahme herangezogen.
Ob sich der Vorinstanz eine nähere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen musste, ist allein auf der Grundlage ihrer Auffassung zur materiellen Rechtslage zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich des Schädigungstatbestandes gemäß § 1 Abs. 3 VermG sowohl eine rechtswidrige Nötigung durch staatliche Stellen als auch die Kausalität eventueller staatlicher Drohungen für die maßgebliche Erbausschlagung durch die Kläger und deren Vater verneint. Hierbei handelt es sich, wie dargelegt, um zwei selbstständig tragende Begründungselemente. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Drohung mit dem Entzug der Gewerbeerlaubnis – gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorstellungen und den sie tragenden ideologischen Grundsätzen – nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt habe, kam es für das Verwaltungsgericht nicht auf die Gespräche zwischen Herrn Wilfried A… und dem Liegenschaftsdienst an. Dies gilt in gleicher Weise für die Beiziehung der Akten des Liegenschaftsdienstes. Wenn die Drohung mit dem Entzug der Gewerbeerlaubnis – wie das Verwaltungsgericht annimmt – den damaligen Rechtsvorstellungen entsprochen habe, stellt es auch keine Diskriminierung im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dar, wenn DDR-Behörden eine solche Drohung nicht gegenüber allen privaten Verwaltern, sondern nur gegenüber Herrn Wilfried A… als – wie die Kläger anführen – “damalig größtem privaten Verwalter in der DDR” ausgesprochen haben sollten. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts war daher eine Beweisaufnahme zur Frage der Kausalität staatlicher Drohungen für die erfolgte Erbausschlagung nicht angezeigt.
Was die Rüge anbelangt, der erkennende Richter sei befangen gewesen, dies hätten die Urteilsgründe offenbart, legt die Beschwerde einen Verfahrensmangel im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht ausreichend dar. Die Kläger stützen diese Rüge insbesondere auf die Bemerkung in dem Urteil (UA S. 14), die Kläger hätten die behauptete Drohung mit dem Entzug der Gewerbeerlaubnis erst “erfunden”, als deutlich geworden sei, dass der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG nicht eingreife. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht durch die Verwendung von Anführungszeichen eine Distanzierung zu dem Begriff erkennen lässt, machen die Ausführungen auf den Seiten 13 und 14 deutlich, dass es seine Schlussfolgerung auf bestimmte tatsächliche Umstände gestützt hat und diese nicht Ausdruck einer Voreingenommenheit des Richters ist. Auch aus der Sicht der Kläger kann hieraus nicht die Besorgnis der Befangenheit hergeleitet werden.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitswerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. Hauser
Fundstellen