Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 08.07.2013; Aktenzeichen 10 A 662/12) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2013 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 37 440 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde führt zur Zurückverweisung an die Vorinstanz (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Allerdings ist die Revision nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht hat als Voraussetzung für die städtebauliche Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) einer bauplanerischen Festsetzung nach § 1 Abs. 5 BauNVO gefordert, dass eine städtebauliche Begründung angeführt werden könne, die sich aus der jeweiligen Plansituation ergebe und die Abweichungen von den in der Baunutzungsverordnung vorgegebenen Gebietstypen durch hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinwohlbelange in nachvollziehbarer Weise rechtfertigt (UA S. 10). Die Beschwerde sieht hierin eine Abweichung von dem Senatsurteil vom 27. März 2013 (BVerwG 4 C 13.11 – BVerwGE 146,137 Rn. 9). Danach betrifft die städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Hierfür ist das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB maßgeblich. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden.
Ob hierin eine Divergenz liegt, kann offenbleiben. Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts würde auf einer Divergenz jedenfalls nicht beruhen (§ 144 Abs. 4 VwGO analog, vgl. Beschluss vom 13. Juni 1977 – BVerwG 4 B 13.77 – BVerwGE 54, 99 ≪101≫). Das Oberverwaltungsgericht stützt den von ihm gebildeten Rechtssatz auf das Senatsurteil vom 26. März 2009 (BVerwG 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 Rn. 18). Das Senatsurteil vom 27. März 2013 (a.a.O. Rn. 12) erläutert dieses Urteil dahin, dass – etwa ein Planungskonzept -nicht solche planerischen Festsetzungen in einem Bebauungsplan rechtfertigen könne, die von vornherein nicht geeignet seien, das gesetzte städtebauliche Ziel zu fördern. Ein solcher Fall liegt hier vor: Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kam es dem Rat der Stadt Köln allein darauf an, das Fernmeldeamt zu erweitern und zu sichern (UA S. 11). Ziel des Ausschlusses bestimmter Nutzungsarten sei es, eine Erweiterung des Fernmeldeamtes zu ermöglichen (UA S. 11). Auch die Beschwerde sieht als Ziel der Bauleitplanung an, die flächenmäßige Ausdehnung des Fernmeldeamtes zu sichern. Das Oberverwaltungsgericht verneint zutreffend die städtebauliche Erforderlichkeit der getroffenen Festsetzungen im Hinblick auf dieses Ziel. Denn zu dem angestrebten Planungsziel kann die nach der Art der Nutzung unterscheidende planerische Festsetzung nichts beitragen, jedenfalls dann nicht, wenn für einen tatsächlichen oder vermuteten Ansiedlungsdruck durch bestimmte Nutzungen nichts ersichtlich ist. Der Ausschluss von einzelnen Nutzungsarten bei weiterer Zulassung anderer Nutzungen ist nicht dazu geeignet, eine „flächenmäßige” Erweiterung des Fernmeldeamtes zu sichern. Damit fehlt es aber auch nach Maßgabe des Senatsurteils vom 27. März 2013 (a.a.O.) an der städtebaulichen Erforderlichkeit für die vom Oberverwaltungsgericht beanstandete Festsetzung.
2. Die Beschwerde macht aber zu Recht einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend. Diesen nimmt der Senat nach § 133 Abs. 6 VwGO zum Anlass, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob die Unwirksamkeit von Ziffer 1 der textlichen Festsetzung zur Unwirksamkeit des Bebauungsplanes insgesamt führt. Für den Fall einer vollständigen Unwirksamkeit hat es das Vorhaben nach den planungsrechtlichen Regelungen für den unbeplanten Innenbereich für zulässig gehalten. Insoweit hat es seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht genügt. Allerdings verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein rechtskundig vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (Beschluss vom 20. Dezember 2012 – BVerwG 4 B 20.12 – BRS 79 Nr. 73 Rn. 6). Etwas Anderes gilt, wenn sich dem Tatsachengericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste. So liegt es hier.
Dem angegriffenen Urteil sind weder Feststellungen zum Umgriff der nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks noch zu deren Eigenart zu entnehmen mit Ausnahme der Mitteilung, das Grundstück liege „in der Kölner Innenstadt in unmittelbarer Nähe zum Neu-markt” (UA S. 12). Die nähere Umgebung sei nicht als „faktisches Wohngebiet” zu qualifizieren. Auch das Protokoll des Ortstermins vom 29. April 2013 und die dort gefertigten Fotos bieten keinen Anhaltspunkt, dass die Umgebungsbebauung über das Vorhabengrundstück hinaus in Augenschein genommen worden ist. Die damit vorliegenden Feststellungen reichen nicht aus, um die planerische Zulässigkeit des Vorhabens zu beurteilen. Entsprechend lässt sich dem Urteil schon nicht entnehmen, ob es hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einen Fall nach § 34 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BauGB annehmen möchte. Zu den weiteren Merkmalen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verhält es sich gar nicht. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich in dieser Situation eine weitere Sachaufklärung aufdrängen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Külpmann
Fundstellen