Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 28.06.2002; Aktenzeichen 8 LB 10/02) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe sich verfahrensfehlerhaft (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) über eine rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 31. Oktober 1995 hinweggesetzt und damit gegen § 121 VwGO verstoßen. In dieser Entscheidung sei dem Kläger, einem jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 sowie § 53 Abs. 1 und 4 AuslG wegen politischer Verfolgungsmaßnahmen vor der Ausreise des Klägers zuerkannt worden. In der vorliegend angefochtenen Entscheidung, in der es um den Widerruf des Abschiebungsschutzes gehe, habe sich das Berufungsgericht von der Bewertung der Vorverfolgung des Klägers in dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts gelöst und dadurch die Bindungswirkung des früheren Urteils verletzt. Mit diesem Vorbringen ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Es ist bereits zweifelhaft, ob der behauptete Verstoß gegen die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils hier überhaupt auf einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen kann oder ob damit nicht allein ein materiellrechtlicher Fehler der Berufungsentscheidung gerügt wird. Dies bedarf indes keiner abschließenden Klärung, weil schon der behauptete Verstoß gegen die Bindungswirkung nach § 121 VwGO seinerseits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan ist. Die Beschwerde geht in diesem Zusammenhang insbesondere nur andeutungsweise auf die unterschiedlichen Streitgegenstände und die darauf bezogene umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen ein.
So setzt sich die Beschwerde nicht näher damit auseinander, dass sich ihre Rüge nicht auf die vom Berufungsgericht bejahten Voraussetzungen für den Widerruf des Abschiebungsschutzes aufgrund der veränderten politischen Verhältnisse im Kosovo gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bezieht, sondern auf die Frage, ob von dem – an sich zulässigen – Widerruf abzusehen ist, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um eine Rückkehr in sein Heimatland abzulehnen (§ 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG). Inwieweit für diese, im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung zu beurteilende Frage des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG der sieben Jahre zuvor zuerkannte Anspruch auf Abschiebungsschutz wegen Vorverfolgung des Klägers im Sinne einer Bindungswirkung nach § 121 VwGO “vorgreiflich” sein soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Der beschließende Senat hat in seiner Rechtsprechung zur Rechtskraftwirkung einzelne Begründungselemente und Vorfragen der Entscheidung prinzipiell nicht in die Rechtskraftwirkung einbezogen. Er hat dies auch für vorgreifliche Rechtsverhältnisse weitgehend abgelehnt und die Rechtskraftwirkung auf den entschiedenen Streitgegenstand begrenzt, um dem gerade im öffentlichen Recht vielfach in besonderem Maße bestehenden Bedürfnis gerecht zu werden, flexibel auf sich ändernde Verhältnisse, aber auch bei als unrichtig erkannten Vorentscheidungen reagieren zu können (vgl. z.B. Urteil vom 18. September 2001 – BVerwG 1 C 4.01 – BVerwGE 115, 111 ≪116 f.≫ = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 82 S. 10 f.; vgl. ferner Urteil vom 31. Juli 2002 – BVerwG 1 C 7.02 – Buchholz a.a.O. Nr. 85; jeweils m.w.N.). Auch die Kommentarliteratur, auf die die Beschwerde sich bezieht, spricht nicht für, sondern gegen den Rechtsstandpunkt der Beschwerde. Dort heißt es, dass in Rechtsbeziehungen mit anderem Streitgegenstand, in denen etwa tatsächliche Feststellungen als Vorfragen wiederum von Bedeutung sind, die Rechtskraft der ersten Entscheidung einer abweichenden Würdigung nicht entgegensteht (Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn. 46). Aus welchen Gründen gleichwohl die inzident getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Göttingen über die Vorverfolgung des Klägers für das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bindend sein sollen, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Richter, Beck
Fundstellen