Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 22.04.2008; Aktenzeichen 21 A 3234/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. April 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 280,09 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe ist gegeben.
1. a) Der Beklagte hält sinngemäß die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die durch Zustellung eines Urteils in Gang gesetzte Rechtsmittelfrist nicht weiterläuft oder erneut in Gang gesetzt wird, wenn das Urteil während des Laufes der Rechtsmittelfrist vom erstinstanzlichen Gericht zwecks Berichtigung zurückgefordert und der Partei nach Berichtigung in Abwesenheit des Prozessvertreters erneut übersandt wird. Der Beklagte wirft diese Frage vor dem Hintergrund auf, dass das Berufungsgericht seine Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen hat, die Berufungsbegründung sei mit einem Tag Verspätung beim Oberverwaltungsgericht eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Beklagten nicht gewährt werden.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht; sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt.
Sowohl die – vom Beklagten eingehaltene – einmonatige Frist zur Einlegung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung als auch die zweimonatige Frist zu deren Begründung werden in Lauf gesetzt, indem der Partei das “vollständige Urteil” zugestellt wird (§ 124a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Vollständig in diesem Sinne ist ein Urteil auch dann, wenn die Urteilsausfertigung geringfügige Unrichtigkeiten aufweist. In diesem Fall hat das Berichtigungsverfahren nach § 118 VwGO auf den Fristablauf grundsätzlich keinen Einfluss (Beschluss vom 24. Mai 1996 – BVerwG 3 C 55.96 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ Nr. 23). Etwas anderes gilt etwa dann, wenn erst durch die Berichtigung klargestellt wird, dass eine Beschwer vorliegt, oder dann, wenn der Beteiligte bei Rückforderung der Urteilsausfertigung zwecks Berichtigung nicht erkennen konnte, in welchem Umfang eine Berichtigung vorgenommen würde (Beschluss vom 24. Mai 1996 a.a.O. m.w.N.). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Rechtsmittelfrist erneut in Gang gesetzt wird, wenn erst die berichtigte Fassung des Urteils die Partei in die Lage setzt, sachgemäß über die Frage der Einlegung des Rechtsmittels und dessen Begründung zu entscheiden.
Hier liegt weder ein solcher noch ein vergleichbarer Fall vor. Das Verwaltungsgericht hat das dem Beklagten am 25. Oktober 2007 zugestellte Urteil durch Beschluss vom 23. November 2007 berichtigt, nachdem es beide Parteien mit Verfügung vom 6. November 2007 darauf hingewiesen hatte, es sei beabsichtigt, die versehentliche Auslassung im Tenor des Urteils vom 24. Oktober 2007 gemäß § 118 VwGO in der Weise zu berichtigen, dass nach dem Wort “Basiszinssatz” die Worte “seit dem 27. Dezember 2005” eingefügt werden. Beide Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten; Einwände haben sie nicht erhoben. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, welche Unklarheiten für den Beklagten durch das Berichtigungsverfahren geschaffen sein könnten, die Anlass dafür hätten geben können, erneut in Überlegungen darüber einzutreten, ob und gegebenenfalls wie die bereits eingelegte Berufung in abweichender Weise zu begründen war. Der Berichtigungsbeschluss war seinem Inhalt nach nicht geeignet, der Sachbearbeiterin des Beklagten “die nötige Klarheit über ihr prozessuales Verhalten” zu vermitteln, wie sie geltend macht. Bereits das unberichtigte Urteil enthielt Ausführungen zum Zinsanspruch; wörtlich heißt es: “Vom Klageantrag ausgehend kam eine Zuerkennung des Zinsanspruchs erst ab dem Zeitpunkt der Klagezustellung in Betracht”. Die dies auch formell berücksichtigende Berichtigung hatte somit keinerlei inhaltliche Änderung des Urteils zur Folge. Der Umstand, dass die Sachbearbeiterin des Beklagten im Zeitpunkt der Übersendung des berichtigten Urteils abwesend war, ist in diesem Zusammenhang kein irgendwie bedeutsamer Umstand, der das Verwaltungsgericht hätte veranlassen müssen, den Beklagten ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass durch die Übersendung des berichtigten Urteils keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird.
Die Angriffe des Beklagten gegen das Berichtigungsverfahren selbst sind in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen; der Beklagte hätte hierzu im Verfahren nach § 118 VwGO Gelegenheit gehabt.
b) Die hilfsweise als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob
dem Prozessvertreter in dieser Fallkonstellation bei Versäumung der Frist aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit grundsätzlich gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung zu gewähren ist, da es sich hier um ein Fristversäumnis handelt, welches durch einen Fehler des Gerichts verursacht wurde und dessen Auswirkungen nicht unmittelbar erkennbar waren,
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Zum einen betrifft die Frage ersichtlich die besonderen Umstände des Einzelfalls, ohne dass darin ein darüber hinausgehender allgemeiner Klärungsbedarf erkennbar wird. Zum anderen sind die Gründe für eine Wiedereinsetzung im Gesetz abschließend geregelt, ohne dass dabei auf allgemeinere “Gründe der materiellen Gerechtigkeit” zurückzugreifen ist. Die Beschwerde führt in diesem Zusammenhang aus, der Beklagte als Rechtsmittelführer habe zunächst keine Kenntnis vom Berichtigungsbegehren gehabt und ihm habe sich der Grund der Berichtigung nach Rückkehr auch nicht ohne weiteres erschlossen. Diese Ausführungen, mit denen der Beklagte einen herabgeminderten Sorgfaltsmaßstab für sich in Anspruch nimmt, finden in den Verfahrensakten keine Grundlage. Der bereits zitierte Wortlaut der gerichtlichen Verfügung vom 6. November 2007 konnte keinen Zweifel daran lassen, in welcher Weise das Verwaltungsgericht sein Urteil berichtigen wollte.
2. Auch die vom Beklagten geltend gemachte Divergenz der angegriffenen Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Die Beschwerde führt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 370/84 – (BVerfGE 69, 381 ≪385≫) den Satz an, der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen dürfe nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Demgegenüber habe das Berufungsgericht in der angegriffenen Entscheidung den Satz aufgestellt, das Berichtigungsverfahren habe auf den Lauf der Rechtsmittelfrist grundsätzlich keinen Einfluss und ein Ausnahmefall liege hier nicht vor. Zwischen beiden Sätzen, die überdies nicht, wie es eine Divergenz verlangt, dieselbe Rechtsvorschrift betreffen, besteht erkennbar kein Widerspruch. Der Beklagte rügt lediglich, das Berufungsgericht habe in dem hier vorliegenden Fall zu Unrecht keinen Ausnahmefall angenommen. Damit kann eine Divergenzrüge nicht begründet werden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und auf § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Groepper, Thomsen, Dr. Burmeister
Fundstellen